JudikaturOGH

11Os113/23m – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gindl als Schriftführerin in der Strafsache gegen J* P* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. Juni 2023, GZ 37 Hv 6/23y 91.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde J* P* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A/1/ und A/2/), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB sowie mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B/), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (C/), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (D/), mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (E/) und mehrerer Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger (erkennbar) nach § 207a Abs 3 erster Fall StGB und nach § 207a Abs 3 zweiter Fall StGB (F/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in O* und anderen Orten innerhalb und außerhalb Österreichs

A/ im Zeitraum von 2016 bis 13. August 2018 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen

I/ an seiner am * geborenen Stieftochter L* P*, sohin einer unmündigen Person, in oftmals wiederholten Angriffen vorgenommen, indem er sie an der Scheide und im Brustbereich über sowie unterhalb ihrer Kleidung intensiv betastete, sich auf sie legte und seinen teils erigierten Penis an ihrem Gesäß und ihrem Schambein rieb;

II/ in wiederholten Angriffen von seiner am * geborenen Stieftochter L* P*, sohin einer unmündigen Person, an sich vornehmen lassen, indem er sie aufforderte, seinen – zum Teil entblößten – Penis mit ihren Händen zu stimulieren und sie dieser Aufforderung nachkam;

B/ im Zeitraum von 2016 bis 13. August 2018 mit seiner am * geborenen Stieftochter L* P*, sohin einer unmündigen Person, in oftmals wiederholten Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er seine Finger in die Scheide der Genannten einführte und Oralverkehr an ihr durchführte, wobei „die Tat“ (US 8, 19: d ie Taten) eine schwere Körperverletzung, nämlich eine krankheitswertige psychische Störung in Form einer protrahierten Anpassungsstörung, F43.23 nach ICD 10, von mehr als 24-tägiger Dauer zur Folge hatte(n);

C/ durch die zu A/I/ und II/ sowie B/ bezeichneten Taten und dadurch, dass er im Zeitraum von 14. August 2018 bis 13. August 2022 den ungeschützten Beischlaf mit der am * geborenen L* P* teils bis zur Ejakulation vollzog, mit seiner minderjährigen Stieftochter geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen;

D/ L* P* vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1/ im Jahr 2017, indem er ihr mehrere Schläge mit der Faust gegen Gesicht und Körper versetzte, wodurch sie Hämatome am Arm und im Bereich des Auges sowie eine blutende Wunde an der Lippe erlitt;

2/ im Jahr 2019, indem er ihr während ihrer Geburtstagsfeier einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, wodurch sie ein Hämatom im Bereich des Auges erlitt;

E/ L* P* sowie M* P* in wiederholten, jedoch nicht regelmäßigen Angriffen im Jahr 2022 mit zumindest einer Verletzung am Körper oder einer Verletzung einer ihnen nahestehenden Person gefährlich bedroht, um die Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er aggressiv auf sie zuging, die Hand erhob und einen Schlag andeutete, sowie ankündigte, er werde sie umbringen;

F/ im Zeitraum von 2019 bis zu seiner Festnahme im Oktober 2022 in oftmals wiederholten Angriffen pornografische Darstellungen unmündiger und mündiger minderjähriger Personen, nämlich der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, sich durch Herunterladen aus dem Internet verschafft und in Gestalt elektronischer Speicherung auf Computerspeichermedien und anderen Datenträgern besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS Justiz RS0099547). Ein solches Fehlzitat wird mit dem Einwand, die Feststellungen betreffend die vom Angeklagten behauptete erektile Dysfunktion (US 10) stünden mit dem Gutachten des urologischen Sachverständigen nicht im Einklang, nicht einmal behauptet.

[5] Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) beruhenden Schlüssen (vgl US 13 f, 17 f iVm ON 79.2 S 11 f [iVm ON 91.2 S 18]) kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0099524).

[6] Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) keine Nichtigkeit aus Z 5 (oder 5a) des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (RIS Justiz RS0102162).

[7] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) hält die erschwerende Wertung der vorsätzlichen Begehung einer strafbaren Handlung des zehnten Abschnitts eines Volljährigen gegen eine minderjährige Person (US 28; § 33 Abs 2 Z 1 StGB) für unzulässig, weil dieser Erschwerungsgrund erst mit 1. Jänner 2020 (BGBl I 2019/105) in § 33 StGB aufgenommen wurde, die Tatzeiten jedoch auch vor diesem Zeitpunkt liegen. Mit Blick auf den zu C/ ohnehin bis in das Jahr 2022 reichenden Tatzeitraum ist dieser Einwand von vornherein unverständlich. Weshalb ein Günstigkeitsvergleich – wie behauptet – der Anwendung des genannten Erschwerungsgrundes entgegenstehen sollte, erklärt die Beschwerde nicht (vgl aber RIS Justiz RS0116565).

[8] Bleibt im Übrigen anzumerken, dass die Volljährigkeit des Täters keinen subsumtionsrelevanten Umstand der §§ 206, 207 und 212 StGB begründet, sodass auch § 32 Abs 2 erster Satz StPO der aggravierenden Wertung des in Rede stehenden Umstands nicht entgegensteht (RIS Justiz RS0130193; 15 Os 138/20p [Rz 15]).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise