JudikaturOGH

2Ob2/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 11.463 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Mai 2022, GZ 2 R 44/22t 28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 28. Dezember 2021, GZ 12 C 148/21w 21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 853,41 EUR (darin enthalten 136,26 EUR 19 % USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die klagende Gesellschaft schloss im Februar 2010 einen Leasingvertrag über einen von der Beklagten produzierten Pkw mit der s** ab. Es wurde Restwertleasing mit Kaufoption vereinbart. Der Berechnung wurde dabei ein Kaufpreis von 38.210 EUR zugrunde gelegt. Im Leasingvertrag wurde eine unbefristete Vertragsdauer mit Kündigungsverzicht der Klägerin als Leasingnehmerin für sechzig Monate vereinbart. Nach Ablauf der fünfjährigen Laufzeit kaufte die Klägerin das Fahrzeug im Februar 2015 um den vereinbarten Restwert von 11.000 EUR. Der Motor des Fahrzeugs war mit einer Vorrichtung zur Manipulation der Abgaswerte ausgestattet.

[2] Die Klägerin macht geltend, dass sie wegen der beklagten Herstellerin einen Schaden durch den Erwerb eines um 11.463 EUR (= 30 % vom Kaufpreis) überteuerten Fahrzeugs erlitten habe und begehrt diesen Betrag aus dem Titel des deliktischen Schadenersatzes. Weiters stellt sie ein Feststellungsbegehren, dass ihr die Beklagte für jeden Schaden hafte, der ihr aus dem Kauf des Fahrzeugs zukünftig entstehe.

[3] Als Zeitpunkt der Schädigung führt die Klägerin den Erwerb des Fahrzeugs im Februar 2010 an. Hätte die klagende Partei bereits in diesem Zeitpunkt gewusst, dass das klagsgegenständliche Fahrzeug nicht den Mindeststandards (nämlich der zum Kaufzeitpunkt gültigen Euroabgasnorm) entspricht, hätte sie das Fahrzeug nicht um den Kaufpreis von 38.210 EUR erworben. Als schädigender Dritter hafte die beklagte Partei für den (beim Erwerb im Februar 2010) um 30 % überteuerten Kaufpreis, also im Ausmaß von 11.463 EUR (= Klagssumme).

[4] Das Leasing sei als Restwertleasing ausgestaltet worden, das die Raten verringere. Sobald die Kalkulationsdauer erreicht werde, könne der Leasinggeber zwischen Verkauf und Rückstellung wählen – das jeweilige Risiko (geringerer Verkaufspreis) trage die klagende Partei. Die klagende Partei trage wie bei einem Restwertleasing üblich auch die Sachgefahr. „ Die klagende Partei hat das Leasing so gewählt, dass bereits im Kaufzeitpunkt klar ist, dass das Fahrzeug später angekauft wird, da die Kalkulation so gestaltet wurde, dass der Restwert (EUR 11.000,00 nach sechzig Monaten) derart niedrig ist, dass ein Nichtankauf wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und einen weiteren Verlust bedeutet, da bei einem besseren Verkauf auf die Leasinggeberin profitiert “.

[5] Die Beklagte wandte unter anderem die Unschlüssigkeit der Klage ein. Die Klägerin sei nach ihrem eigenen Vorbringen nicht Eigentümerin, sondern lediglich Leasingnehmerin des gegenständlichen Fahrzeugs. Nach der Judikatur könne der Leasingnehmer lediglich einen Schaden aus dem Leasingvertrag, nicht aber einen Schaden aus dem Kaufvertrag geltend machen. Einen Ersatz eines Teils des vom Leasinggeber an den Verkäufer bezahlten Kaufpreises könne der Leasingnehmer nicht geltend machen. Ein allfälliger Schaden des Leasingnehmers könne nur in der Differenz zwischen vereinbartem und tatsächlichem Restwert liegen. Gegen die Klagsforderung wandte die Beklagte ein Benützungsentgelt aufrechnungsweise ein.

[6] Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren Folge und erkannte das Zahlungsbegehren mit 7.000 EUR sA als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 7.000 EUR und wies das Mehrbegehren ab.

[7] Es ging davon aus, dass der Klägerin durch die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs ein Schaden in der Höhe von 7.000 EUR entstanden sei, weil der Marktwert des PKW im Februar 2010 um diesen Betrag geringer als der tatsächliche Kaufpreis gewesen sei. Der Schaden sei durch die Bezahlung der Leasingraten und des Restwerts realisiert worden, welcher aufgrund des überhöhten Kaufpreises berechnet worden sei.

[8] Das Berufungsgericht hob die Entscheidung über das Feststellungsbegehren zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung mit Beschluss auf. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens gab es der Berufung der Beklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es das Leistungsbegehren mit Teilurteil abwies. Der Berufung der Klägerin gab es nicht Folge.

[9] In rechtlicher Hinsicht erachtete es das Leistungsbegehren als unschlüssig. Die Klägerin mache als Schaden geltend, dass der Wert des Fahrzeugs beim Erwerb im Jahr 2010 nicht dem Kaufpreis entsprochen hätte. Diese Wertdifferenz habe jedoch nur die Leasinggeberin als Eigentümerin getroffen. Die Sachhaftung der Klägerin ändere daran nichts, weil dies nur Schäden betreffe, die während der Laufzeit des Leasingvertrags eingetreten sind . Die Klägerin behaupte nicht, dass sie eine ursprüngliche Mangelhaftigkeit des Leasinggegenstands wirtschaftlich zu tragen habe. Eine Schadensverlagerung trete nicht ein, wenn der behauptete Schaden schon zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Voreigentümer eingetreten war. Ihn, nicht jedoch einen Dritten habe der darin gelegene Schaden getroffen.

[10] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich aufgrund der mittlerweile ergangenen Entscheidung 8 Ob 22/22a für zulässig, weil nicht auszuschließen sei, dass die Behauptung eines eigenen Schadens infolge überhöhten Kaufpreises bei einem Finanzierungsleasing nicht zwangsläufig unschlüssig sei.

[11] Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der Senat hat das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Landgericht Ravensburg (Deutschland) am 17. 2. 2021 beim Europäischen Gerichtshof eingereichten, zu C 100/21 des EuGH behandelten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen und ausgesprochen, dass die Fortsetzung nur auf Antrag erfolgt. Der EuGH fällte am 21. 3. 2023 in dieser Rechtssache das Urteil, sodass das Revisionsverfahren aufgrund des von der Klägerin gestellten Antrags fortzusetzen war.

[14] Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO), nicht zulässig.

[15] 1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher nicht eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sein (RS0037780).

[16] 2. In der Entscheidung 9 Ob 53/20i führte der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Klagebegehren Folgendes aus: Ein Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten, wird nicht geltend gemacht. Inwieweit es aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen ist, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab und lässt sich ohne Kenntnis des Inhalts des Leasingvertrags nicht beurteilen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die von einer Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ausgegangen sind, hält sich daher im gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum.

[17] 3.1. Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Schaden nicht aus dem Leasingvertrag abgeleitet, etwa wegen überhöhter Leasingraten oder eines überhöhten Restwerts, sondern auf den im Februar 2010 zwischen der Leasinggeberin und dem Verkäufer des Fahrzeugs abgeschlossenen Kaufvertrag gestützt, an dem sie als Leasingnehmerin aber nicht beteiligt war.

[18] 3.2. Die Klägerin setzt dabei ohne nähere Erläuterung den Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs mit dem Beginn des fünf Jahre zuvor abgeschlossenen Leasingvertrags gleich. Nach den Feststellungen hat die Klägerin das Fahrzeug aber erst 2015 „aus dem Leasingvertrag herausgekauft“. Wenn die Revision den Zeitpunkt des Ankaufs schon mit dem Beginn des Leasingvertrags gleichsetzt („ hat gekauft und wurde danach der Leasingvertrag abgeschlossen “), argumentiert sie (ungeachtet der von ihr eingeräumten Leasingfinanzierung) dahin, dass sie bereits aufgrund des Kaufvertrags im Februar 2010 und der darauf folgenden Übernahme des Fahrzeugs selbst Eigentümerin geworden wäre. Damit übergeht sie aber, dass sie aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt gerade nicht gekauft hat und daher auch nicht Eigentümerin geworden ist. Der nach Ansicht der Klägerin um 30 % zu mindernde Kaufpreis wurde nicht von ihr, sondern von der Leasinggesellschaft (als Käuferin) entrichtet. Ein allfälliger Schaden, der der Klägerin als Leasingnehmerin entstanden wäre, wird nicht geltend gemacht. „Der“ Schaden, auf den sich die Klägerin wiederholt bezieht, ist damit aus dem in sich letztlich widersprüchlichen Vorbringen nicht ableitbar.

[19] 3.3. Wenn das Berufungsgericht aufgrund dieses Vorbringens davon ausgegangen ist, dass die Klägerin damit keinen eigenen Schaden schlüssig geltend gemacht hat, bedarf dies keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

[20] 3.4. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels lässt sich auch nicht auf die Entscheidung 8 Ob 22/22a stützen. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass die dortige Klägerin das Leasingfahrzeug im eigenen Namen durch Kaufvertrag erworben und den Leasingvertrag mit der Leasinggesellschaft erst nachträglich zur Finanzierung des von ihr geschuldeten Kaufpreises abgeschlossen hat. Der 8. Senat ging davon aus, dass die Klägerin durch ihr Vorbringen, wonach sie bei Kenntnis der behaupteten Manipulationen für das Fahrzeug 30 % weniger bezahlt hätte, einen eigenen Schaden behauptet hat (auch wenn der Kaufpreis über einen Leasingvertrag finanziert wurde), der Grundlage eines Ersatzanspruchs sein kann. Im hier zu beurteilenden Fall gab es vor Abschluss des Leasingvertrags aber keinen solchen Erwerb der Klägerin im eigenen Namen. Gegenständlich hatte die Klägerin das Fahrzeug wegen der Leasingkonstruktion gerade nicht bereits 2010, sondern erst 2015 nach Ablauf einer fünfjährigen Leasingdauer erworben.

[21] 4. Der Klägerin gelingt es damit nicht, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb ihre Revision zurückzuweisen ist. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[22] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Bemessungsgrundlage betrug richtig 11.463 EUR, weil das Feststellungsbegehren nicht Gegenstand des drittinstanzlichen Rechtsmittelverfahrens war.

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