JudikaturOGH

6Ob145/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M*, vertreten durch Piaty Müller Mezin Schoeller Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Graz, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Z*, 2. N*, 3. Ing. J*, alle vertreten durch Dr. Gerald Ruhri und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekurs und Berufungsgericht vom 12. Juli 2023, GZ 5 R 44/23i 40, mit dem der Zulassungsantrag verbunden mit der ordentlichen Revision und dem ordentlichen Revisionsrekurs zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Rekurs und Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Antrag nach § 508 ZPO (iVm § 528 Abs 2a ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO) aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin und gefährdete Partei (im Weiteren nur mehr: Klägerin) begehrt von den Beklagten gestützt auf § 1330 Abs 1 und 2 ABGB die Unterlassung und/oder Verbreitung folgender (und/oder sinngleicher) Behauptungen (samt den Nebenbegehren [Widerruf und dessen Veröffentlichung]):

der Bürgermeister der Klägerin

-) habe für die Museumserrichtung am Hauptplatz im ehemaligen Gemeindeamt ca. 500.000 EUR ausgeben lassen,

-) vernichte im Zusammenhang mit dem Abriss des Pflegewohnhauses entgegen gesetzlicher Regelungen Gemeindevermögen,

-) und/oder habe eine Vermögensvernichtung in Reinkultur zu verantworten, da er mit dem Abriss des Gebäudes einen Verlust von Mieteinnahmen von 100.000 EUR pro Jahr und/oder 5 Mio EUR in 50 Jahren verursache,

-) und/oder vernichte damit im Zusammenhang in [...] offensichtlich Millionen,

-) lüge offensichtlich in Gemeinderatssitzungen,

-) vertreibe alleinverantwortlich potentielle Investoren aus dem Gemeindegebiet, weshalb man sogar versucht sein könne, das Wort „Amtsmissbrauch“ in den Mund zu nehmen,

-) habe einen Monatsverdienst und Doppelbezug von ca. 8.000 EUR.

[2] Gleichzeitig mit der Klage beantragte sie zur Sicherung ihres Anspruchs die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

[3] Das Erstgericht gab der Klage und dem Sicherungsantrag statt.

[4] Das Berufungs und Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts in eine Abweisung (auch des Sicherungsantrags) ab.

[5] Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jedes Unterlassungsanspruchs (in Verbindung mit dem darauf bezogenen Widerrufs und Veröffentlichungsbegehren) sowie jener der jeweiligen Sicherungsbegehren hinsichtlich jedes einzelnen Beklagten 5.000 EUR nicht übersteige und (infolge dessen) Revision und Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig seien.

[6] Daraufhin stellte die Klägerin einen (mit ordentlicher Revision und ordentlichem Revisionsrekurs verbundenen) Antrag gemäß §§ 508, 528 Abs 2a ZPO iVm § 78 Abs 1 EO, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision und der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt werden.

[7] Sie bemängelte die Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz als verfehlt. Bei richtiger Bewertung hätte sich jedenfalls ein Streitwert zwischen 5.000 EUR und 30.000 EUR ergeben müssen.

[8] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungs und Rekursgericht diesen Antrag als unzulässig zurück.

[9] Es vertrat den Standpunkt, ein Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO bzw § 528 Abs 2a ZPO sei aufgrund des Werts der Entscheidungsgegenstände nicht zulässig. Voraussetzung für einen solchen Antrag sei ein Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO darüber, dass die ordentliche Revision (nicht) zulässig sei, welcher Ausspruch seinerseits voraussetze, dass über einen an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand zu entscheiden gewesen wäre. Dies sei nicht der Fall.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der dagegen von der Klägerin erhobene und von den Beklagten beantwortete (vgl 6 Ob 145/23a vom 30. 8. 2023; 10 Ob 38/19i; 9 Ob 56/15y) Rekurs ist zulässig und berechtigt .

1. Zur Zulässigkeit des Rekurses

[11] Der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO gilt nur für die inhaltliche Beurteilung der Stichhaltigkeit der Gründe, warum entgegen dem Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz doch eine erhebliche Rechtsfrage zu beurteilen sei. Für die Frage, ob die einzelnen der Klage zugrunde liegenden Ansprüche gemäß § 55 JN zusammenzurechnen sind und damit überhaupt ein Fall des § 508 ZPO vorliegt, gilt der Rechtsmittelausschluss demnach nicht (RS0131272; 4 Ob 102/19g).

[12] 2. Zur Berechtigung des Rekurses

[13] 2.1. Einer auf die Unterlassung ehrenrühriger/kreditschädigender Behauptungen gerichteten Klage liegen in der Regel in Geld bewertbare Interessen zugrunde (6 Ob 152/20a [ErwGr 1.]). Es ist daher vom Gericht zweiter Instanz eine Bewertung vorzunehmen, wobei zwingende Bewertungsvorschriften, die den Geldeswert (der Höhe nach) festlegen, nicht bestehen. Bei der – freilich stets am objektiven Wert orientierten (RS0118748; RS0042450) – Bewertung des Entscheidungsgegenstands ist das Gericht zweiter Instanz demnach grundsätzlich frei (6 Ob 152/20a [ErwGr 1.] mwN). An dessen Bewertung ist der Oberste Gerichtshof gebunden, es sei denn, das Gericht zweiter Instanz hätte den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten oder zwingende Bewertungsvorschriften verletzt (vgl RS0042450 [T7, T19]; RS0042515 [T8]).

[14] 2.2. Zu den zwingenden Bewertungsvorschriften, zählt auch die Bestimmung des § 55 JN. Wird bei Bewertung von in zuvor erwähntem Sinn (grundsätzlich) „frei“ bewertbaren Entscheidungsgegenständen die gesetzliche Regelung über eine „Zusammenrechnung“ nach § 55 JN nicht beachtet, liegt keine dem Gesetz entsprechende Bewertung vor.

[15] 2.3. Die Klägerin wirft dem Berufungs- und Rekursgericht beide der zuvor genannten Fehler vor, nämlich eine Ermessensüberschreitung und auch das Unterbleiben der Zusammenrechnung nach § 55 JN. Sie behauptet, es läge – schon auf Basis der getrennten Bewertung (also einer Bewertung für jeden Beklagten und pro Behauptung) – wegen einer offenkundigen Unterbewertung der einzelnen Entscheidungsgegenstände eine Ermessensüberschreitung vor.

[16] Tatsächlich stützt sie sich aber inhaltlich auch bei ihrer Argumentation dazu auf eine unrichtige unterbliebene „Zusammenrechnung“ des Geldeswerts der Begehren, die hier wohl besser (statt als Zusammenrechnung) als gemeinsame Bewertung zu bezeichnen wäre und auf die sogleich eingegangen wird. Sie nimmt zum Vorwurf der Ermessensüberschreitung überhaupt nur auf zwei Punkte („Lügen im Gemeinderat“ und „Amtsmissbrauch“) Bezug und kritisiert im Zusammenhang mit diesen, die Entscheidung führe zu einer Verrohung der Sprache und radikalisiere. Damit wird die Richtigkeit der Sachentscheidung angegriffen, ohne Argumente für eine angebliche „offenkundige Fehlbewertung“ vorzutragen.

2.4. Zur Frage einer gemeinsamen Bewertung

[17] 2.4.1. Die Frage einer „Zusammenrechnung“ nach § 55 JN („ … sind zusammenzurechnen …“) stellt sich, wenn mehrere Ansprüche mit einer Klage geltend gemacht werden, sei es, dass mehrere Ansprüche gegenüber einer Partei erhoben werden (objektive Klagenhäufung oder Anspruchshäufung; § 55 Z 1 JN) oder die Durchsetzung mehrerer Ansprüche (je eines Anspruchs) von mehreren Parteien (und/oder) gegenüber mehreren Parteien mit einer Klage verfolgt werden (subjektive Klagenhäufung oder Parteienhäufung; § 55 Z 2 JN).

[18] Die Klägerin hat die zu unterlassenden Behauptungen in sieben Punkte gegliedert und drei Parteien geklagt, sodass hier sowohl für die objektive wie auch die subjektive Klagenhäufung (Anspruchshäufung und Parteienhäufung) entsprechend der in § 55 JN für die „Zusammenrechnung“ festgelegten Anordnungen zu prüfen ist, inwieweit gemeinsam zu bewertende Ansprüche vorliegen.

2.4.2. Dabei seien eingangs folgende Grundsätze in Erinnerung gerufen:

[19] Nicht Zusammenrechnung ist die Regel, von der § 55 Abs 1 JN eine Ausnahme normiert. Im Zweifel ist nicht zusammenzurechnen (RS0122950; RS0110872 [T8]). Das Vorliegen der Ausnahme hat der Kläger zu behaupten; es sind allein dessen Behauptungen (und nicht die Behauptungen der Gegenseite oder die getroffenen Feststellungen) maßgeblich (RS0042741; RS0106759).

[20] Findet keine Zusammenrechnung statt, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen ( RS0130936 ; RS0042642 ; RS0042741 [T18]; vgl § 508 Abs 4 ZPO).

2.4.3. Subjektive Klagenhäufung

[21] Bei subjektiver Klagenhäufung (Parteienhäufung) sind die von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhobenen Ansprüche (nur dann) zusammenzurechnen, wenn sie materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN). Dies ist der Fall, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind (RS0035615 [T25]; RS0053096 [T19]).

[22] Eine Rechtsgemeinschaft bloß bezüglich eines nur eine Vorfrage bildenden Sachanspruchs oder Rechtsanspruchs reicht nicht aus, um eine materielle Streitgenossenschaft annehmen zu können (RS0035355). Eine Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben tatsächlichen Grund iSd § 11 Z 1 ZPO setzt einen einheitlichen rechtserzeugenden Sachverhalt voraus. Wo für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten, ist keine materielle Streitgenossenschaft gegeben (vgl RS0035450).

[23] Ansprüche von und gegen (bloß) formelle Streitgenossen iSd § 11 Z 2 ZPO sind hingegen nicht zusammenzurechnen (RS0035615) , und zwar selbst dann nicht, wenn die geltend gemachten Forderungen in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RS0035615 [T26]; RS0053096 [T20]; 5 Ob 174/20d).

[24] 2.4.4. Das Gericht zweiter Instanz kam im vorliegenden Fall zum Ergebnis zwischen den Beklagten liege nur eine formelle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO vor.

[25] Diese Beurteilung wird vom erkennenden Senat angesichts des von der Klägerin im Verfahren erster Instanz erstatteten Vorbringens zur Medieninhaberschaft aller drei Beklagten nicht geteilt.

[26] Anders als etwa in den zu 4 Ob 97/17v und 4 Ob 104/11i entschiedenen Fällen handelt es sich hier nicht um Verfahren gegen Medieninhaber von verschiedenen (Print- oder Online )Medien, sondern es geht (nach den allein maßgeblichen Behauptungen der Klägerin) um ein Verfahren gegen drei Beklagte, die alle drei Medieninhaberinnen und (Mit )Herausgeberinnen derselben Druckschrift und (wiederum gemeinsam) Medieninhaberinnen derselben Website sowie einer Facebookseite sein sollen.

[27] Die Beklagten werden von der Klägerin allesamt wegen ihrer gemeinsamen Stellung als Herausgeberinnen und Medieninhaberinnen bestimmter Medien für darin aufgestellte Äußerungen haftbar gemacht und sind damit aus demselben tatsächlichen Grund haftbar. Im Sinne der Entscheidungen zu 4 Ob 111/92 (geklagt waren damals die Erstbeklagte als Medieninhaberin und die Drittbeklagte als Verlegerin derselben Zeitung) und 6 Ob 168/21f (es lag ein Entschluss der Beklagten vor, den Ruf des Klägers mit identem Posting unter Einsatz des Mediums Facebook zu ruinieren), ist damit auch hier von einer Streitgenossenschaft der Beklagten nach § 11 Z 1 ZPO auszugehen.

[28] 2.4.5. In einem weiteren Schritt ist nun zu berücksichtigen, ob neben der gemeinsamen Bewertung wegen der Parteienhäufung im Sinne einer Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO zudem eine „Zusammenrechnung“ der einzelnen Ansprüche wegen einer Anspruchshäufung nach § 55 Abs 1 Z 2 ZPO bezogen auf die einzelnen Behauptungen zu beachten ist.

2.4.6. Objektive Klagenhäufung

[29] Bei objektiver Klagehäufung (Anspruchshäufung) ist dann zusammenzurechnen, wenn die (von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei geltend gemachten) Ansprüche in einem tatsächlichen oder einem rechtlichem Zusammenhang stehen. Ein tatsächlicher Zusammenhang wird bejaht, wenn alle Klagsansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, aber eben nicht, wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (4 Ob 67/11y [ErwGr 2. mwN]; vgl auch RS0037648 [T18, T19]). Es besteht aber dann kein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang iSd § 55 Z 1 JN (und erfolgt keine Zusammenrechnung), wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RS0037899).

[30] Eine Zusammenrechnung mehrerer gemeinsam erhobener Ansprüche ist daher zu verneinen, wenn die Ansprüche nicht aus für sie gemeinsamen Tatsachen und Rechtsgründen abgeleitet werden, demgemäß jeder Anspruch unabhängig von den anderen besteht und ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (1 Ob 139/17y mwN).

[31] 2.4.7. Für die hier in Rede stehenden Ansprüche kommt es nach dem Vorhergesagten in einer wertenden Betrachtung darauf an, ob die von der Klägerin in sieben Punkte untergliederten Äußerungen vom angesprochenen Publikum nach dem Gesamtzusammenhang (also bei Beachtung des Sinnzusammenhangs und der inhaltlichen Richtung einzelner Behauptungen unter Einbeziehung des zeitlichen und örtlichen Kontexts [des „Äußerungsorts“]) als verschiedene Behauptungen/Äußerungen aufgefasst werden oder als eine Einheit (vgl dazu für den Bereich des unlauteren Wettbewerbs 4 Ob 162/10t [Zusammenrechnung von drei aus einem einzigen Werbespot abgeleiteten Begehren, die allesamt die beanstandete Bezeichnung „Nr 1 Slalommarke“ enthielten]; 4 Ob 166/07a [Bejahung des tatsächlichen Zusammenhangs zwischen sechs beanstandeten Aussagen in einem Werbeschreiben, nicht aber im Verhältnis zu einer Aussage über die Marktanteile der Streitteile auf einer Website]).

[32] Ergibt sich etwa ein innerer Zusammenhang von einzelnen Äußerungen im selben Artikel nicht schon aus deren Bedeutung heraus als auf der Hand liegend und ist eine Einheitlichkeit von Äußerungen (bei verschiedenen Artikeln, Medien und/oder unterschiedlichen Zeitpunkten von deren Veröffentlichung) nicht völlig evident, ist es Sache des Klägers die Ausnahme vom Grundsatz der Nicht Zusammenrechnung (getrennten Bewertung) unter Darlegung eines etwa gegebenen örtlichen, zeitlichen und auch inhaltlichen Zusammenhangs darzustellen.

[33] 2.4.8. Dies ist hier nicht erfolgt. Aufgrund welcher Umstände eine Zusammenrechnung der einzelnen von der Klägerin selbst in sieben Punkte gegliederten Äußerungen, deren Unterlassung sie begehrt, zu geschehen hätte, hat sie im Verfahren erster Instanz nicht dargelegt.

[34] Ein rechtlicher Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN besteht zwischen den von den Vorinstanzen in fünf Ansprüche zusammengefassten Behauptungen schon deshalb nicht, weil für jede von ihnen eine getrennte (unterschiedliche) rechtliche Beurteilung der Frage, ob – jeweils – eine zulässige Meinungsäußerung oder ein Exzess vorliegt, möglich ist.

[35] Auch ein tatsächlicher Zusammenhang ist zu verneinen, da sich die Ansprüche nicht auf ein identes anspruchsbegründendes Tatsachenvorbringen stützen, ist doch beispielsweise einem Vorbringen zur Berichterstattung der Beklagten über die Höhe der Ausgaben für die Errichtung eines Museums nicht gleichzeitig ein solches über Berichterstattungen zur Vermögensvernichtung anlässlich des Abrisses eines Pflegeheims, zur Vertreibung von Investoren oder über Behauptungen zum Verdienst des Organs der Klägerin (und umgekehrt) zu entnehmen. Zum pauschalen Vorwurf der Lüge lässt sich dem Klagsvorbringen in erster Instanz nicht entnehmen, inwieweit der Lügenvorwurf in direkten inhaltlichen Zusammenhang mit den sonstigen Behauptungen stünde. Das Begehren auf Unterlassung der Behauptung von „Lügen“ seitens des Organs der Klägerin bezieht sich zudem einschränkend nur auf dessen Äußerungen in Gemeinderatssitzungen, sodass auch hier ein hinreichender Konnex zu den übrigen Sachverhalten nicht ersichtlich ist.

[36] 2.4.9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die zwischen den Beklagten bestehende materielle Streitgenossenschaft zu einer Bewertung – zwar getrennt nach den verschiedenen Behauptungen (von denen drei von den Vorinstanzen ohnehin als untereinander in Sinnzusammenhang stehend erkannt wurden) – aber für alle drei Beklagten gemeinsam hätte erfolgen müssen.

[37] 2.4.10. Die Zurückweisung des Abänderungsantrags samt der verbundenen Rechtsmittel (aus formalen Gründen) beruht nun aber auf der nicht in Einklang mit § 55 JN stehenden Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz. Anders als bei Zahlungsbegehren, bei denen schlicht eine (richtige) Zusammenrechnung der einzelnen Forderungen Aufschluss über die Höhe des Entscheidungsgegenstands (der Entscheidungsgegenstände) zweiter Instanz gibt, kann die Zulässigkeit des Abänderungsantrags im vorliegenden Fall noch nicht abschließend beurteilt werden, zumal die Bewertung des Werts des Entscheidungsgegenstands stets dem Gericht zweiter Instanz zukommt.

[38] 3. In Folge dessen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das Gericht zweiter Instanz wird unter Zugrundelegung einer gesetzmäßigen Bewertung des Werts des Entscheidungsgegenstands (erneut) zu prüfen haben, ob der Abänderungsantrag formal zulässig ist.

[39] Sollte es bei einem (oder mehreren der fünf) Unterlassungsansprüche (samt Widerruf und dessen Veröffentlichung) zum Ergebnis kommen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands für alle drei Beklagten über 5.000 EUR (nicht aber über 30.000 EUR) liegt, wären auch die darin enthaltenen Argumente auf ihre Stichhältigkeit hin (§ 508 Abs 3 und 4 ZPO) zu prüfen.

[40] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf (§ 402 Abs 4 EO iVm § 78 EO iVm) § 52 Abs 1 ZPO.

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