JudikaturOGH

9Ob56/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*, 2. C*, 3. H*, 4. M*, alle vertreten durch die K-B-K Hirsch Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. P*, vertreten durch Dr. Alexander Rehrl, Rechtsanwalt in Salzburg, und der auf Seite der klagenden Parteien als Nebenintervenientin einschreitenden O* AG, *, vertreten durch Hübel Payer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 670.320 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 14. Juni 2023, GZ 2 R 88/23h 42, mit dem dem Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 28. April 2023, GZ 9 Cg 41/22p 31, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger schlossen mit einem Bauträger jeweils Kaufverträge über zu errichtendes und zu begründendes Wohnungseigentum. Der Beklagte fungierte als Treuhänder und überwies als solcher insgesamt 671.038 EUR an den Bauträger. Über das Vermögen des Bauträgers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Masseverwalter trat von den Kaufverträgen nach § 21 IO zurück.

[2] Die Kläger begehren die Zahlung des jeweils auf sie entfallenden Anteils des überwiesenen Betrags Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Forderung im Insolvenzverfahren des Bauträgers an den Beklagten, in eventu die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden. Sie bringen vor, der Beklagte habe entgegen den zwingenden Bestimmungen des BTVG sowie den vertraglichen Vereinbarungen die Überweisung vorgenommen ohne über eine ausreichende Lastenfreistellungsurkunde der den Bauträger finanzierenden Bank zu verfügen.

[3] Der Beklagte bestreitet und wendet unter anderem ein, die finanzierende Bank wäre verpflichtet gewesen, ihm entsprechende Freilassungserklärungen bezüglich der Anteile der Kläger zur Verfügung zu stellen. Die Kläger könnten ihre Ansprüche auf Ausstellung einer grundbuchsfähigen Lastenfreistellungserklärung durch die Bank auf Basis der zu ihren Gunsten abgeschlossenen Vereinbarung gemäß § 9 Abs 3 BTVG geltend machen.

[4] Die Kläger verkündeten daraufhin der O* AG als finanzierenden Bank den Streit. Sollte sich herausstellen, dass dieser tatsächlich eine widerrechtliche Ausnutzung der Rangordnung bei Eintragung eines Pfandrechts anzulasten sei, würde sie den Klägern dafür aus dem Titel des Schadenersatzes haften.

[5] Mit Schriftsatz vom 15. 6. 2022, erklärte die O* AG den Beitritt als Nebenintervenientin auf Seiten der Kläger. Sollte die Rechtsansicht des Beklagten, dass den Klägern ein klagbarer Anspruch gegen sie auf Lastenfreistellung zukomme, vom Gericht geteilt werden und die Kläger deshalb unterliegen, drohe ihr eine klagsweise Inanspruchnahme durch die Kläger. Selbst nach dem Vorbringen des Beklagten wären die Kläger gänzlich schadlos gestellt, wenn sie die Nebenintervenientin klagsweise auf Ausstellung von Freilassungserklärungen in Anspruch nehmen würden.

[6] Der Beklagte beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention.

[7] Das Erstgericht ließ den Beitritt der O* AG als Nebenintervenientin auf Seiten der Kläger zu.

[8] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten gegen diesen Beschluss Folge und wies den Beitritt als Nebenintervenientin zurück. Der von der Einschreiterin zur Begründung ihres rechtlichen Interesses herangezogene mögliche Anspruch der Kläger auf Lastenfreistellung bestehe unabhängig von dem hier erhobenen Anspruch auf Schadenersatz wegen behaupteten rechtswidrigen Verhaltens des Treuhänders. Daher sei ein rechtliches Interesse der Einschreiterin am Obsiegen der Kläger zu verneinen und der Beitritt zurückzuweisen.

[9] Der Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht zugelassen , weil zur Frage, ob der mit einem vorrangigen Pfandrecht gesicherten, projektfinanzierenden Bank wegen eines gegen sie behaupteten Anspruchs der Wohnungseigentumserwerber auf Lastenfreistellung ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Wohnungseigentumsbewerber im Schadenersatzprozess gegen einen rechtswidrig handelnden Treuhänder zukomme, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorgefunden worden sei.

[10] Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Einschreiterin mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wieder herzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Beklagte beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

[12] 1. Der Revisionsrekurs der Einschreiterin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 526 Abs 2 ZPO) des Rekursgerichts nicht zulässig.

[13] 2. Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (RS0035724 [T8]).

[14] 3. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RS0035724).

[15] 4. Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse dann gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]).

[16] Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann der Fall, wenn dem Dritten in einem Folgeprozess Regressansprüche als Folge des Prozessverlusts der Partei im Hauptprozess drohen (RS0106173 [T2]). Das bloße Interesse an einer bestimmten Beweislage und an der Lösung von Rechtsfragen in einem Musterprozess berührt demgegenüber nur wirtschaftliche Interessen und rechtfertigt daher nicht eine Nebenintervention (RS0035565).

[17] 5. Richtig führt die Einschreiterin aus, dass die Interventionswirkung nicht bloß Regressverhältnisse (im engeren Sinne) zwischen Solidarschuldnern, sondern auch sonstige materiell rechtliche Rechtsverhältnisse und Sonderrechtsbeziehungen umfasst (RS0107338 [T10]), allerdings hat sie sich selbst zur Begründung ihres rechtlichen Interesses auf eine drohende Inanspruchnahme durch die Kläger bei Prozessverlust berufen. Für einen Regress ist eine rechtliche Grundlage allerdings nicht ersichtlich.

[18] 6. Zwar hat der Beklagte einen Anspruch der Kläger auf Lastenfreistellung gegenüber der Einschreiterin behauptet und eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Kläger, sofern sie diesen nicht geltend machen. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Anspruchs wird aber, wie das Rekursgericht richtig dargelegt hat, vom Ausgang dieses Verfahrens nicht berührt. Ein Obsiegen der Kläger würde allenfalls dazu führen, dass sie einen solchen Anspruch gegenüber der Einschreiterin nicht weiter verfolgen, weil daran kein wirtschaftliches Interesse mehr besteht, hat aber keine Auswirkung auf die Rechtsposition der Einschreiterin. Das Interesse, eine Inanspruchnahme durch ein Obsiegen der Kläger zu vermeiden, ist damit ein bloß wirtschaftliches. Ein solches reicht auch nach dem im Revisionsrekurs ins Treffen geführten wenig strengen Beurteilungsmaßstab für einen Streitbeitritt nicht aus (vgl 1 Ob 123/18x).

[19] Die Entscheidung des Rekursgerichts hält sich somit im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[20] 7. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs der Einschreiterin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 iVm § 528a ZPO).

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