JudikaturOGH

20Ds9/23p – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Oktober 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Stortecky und Dr. Broesigke als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Kammeranwaltstellvertreters gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 2. Mai 2022, AZ D 30/18, D 5/19, D 21/19, D 61/19, D 27/20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, des Kammeranwaltstellvertreters Dr. Orgler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 4.000 Euro verhängt.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Berufung relevant wurde * mit dem angefochtenen Erkenntnis der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt und hiefür gemäß § 16 Abs 1 (Z 2) DSt zu einer Geldbuße von 2.500 Euro verurteilt.

[2] Danach hat er

1) als gerichtlicher Erwachsenenvertreter für * S* zu AZ 2 P 57/15g und für * P* zu AZ 2 P 5/14h je des Bezirksgerichts Bruck an der Mur mehrfach urgierte Aufträge dieses Bezirksgerichts zur Legung von Jahresberichten und zur Rechnungslegung, und zwar

zu AZ D 30/18 für den Zeitraum 14. Jänner 2016 bis 13. Februar 2017 betreffend S* und 14. Februar 2017 bis 1. März 2018 betreffend P*;

zu AZ D 21/19 für den Zeitraum 2. März 2018 bis 1. März 2019 betreffend S* und 16. März 2018 bis 15. März 2019 betreffend P* und

zu AZ D 27/20 für den Zeitraum 2. März 2019 bis 17. Jänner 2020 betreffend S* und 16. März 2019 bis 2. Dezember 2019 für P*

ignoriert, sodass Ordnungsstrafen angedroht und verhängt und eine Beugestrafe angedroht werden mussten, somit die übernommenen Vertretungen nicht dem Gesetz und nicht mit dem erforderlichen Eifer, der gebotenen Treue und Gewissenhaftigkeit ausgeführt und dadurch gegen § 9 Abs 1 RAO, § 11 Abs 1 RAO verstoßen;

2) zu AZ D 61/19 dadurch, dass er im Zeitraum 14. März 2018 bis 18. September 2019 sechs Schreiben eines Kollegen nicht beantwortet hat, die kollegiale Antwortpflicht verletzt und den kollegialen Umgang unterlassen und dadurch gegen § 21 Abs 1 RL BA 2015 verstoßen.

[3] Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat die lange Verfahrensdauer als mildernd, als erschwerend die zahlreichen Verstöße und mehrere Disziplinarverfahren mit teils demselben, teils ähnlich gelagerten Sachverhalten.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die Berufung des Kammeranwaltstellvertreters wegen des Ausspruchs über die Strafe.

[5] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS Justiz RS0054839).

[6] Bei der Strafbemessung ist – mangels Offenlegung (ON 17 S 2 – vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/ Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 11 § 16 DSt Rz 17) – von zumindest durchschnittlichen Einkommens und Vermögensverhältnissen auszugehen (§ 16 Abs 6 DSt).

[7] Zutreffend weist der Kammeranwaltstellvertreter darauf hin, dass der Beschuldigte sieben Vorverurteilungen (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB) aufweist, wobei er zuletzt mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 4. April 2019, AZ D 15/18 zu einer Geldbuße in der Höhe von 5.000 Euro verurteilt wurde. Weiters ist als erschwerend zu werten, dass der Beschuldigte sein Verhalten durch längere Zeit hindurch fortgesetzt und hinsichtlich dreier Verfehlungen beide Fälle des § 1 Abs 1 DSt zu verantworten hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).

[8] Nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung wirkt zusätzlich schwer, dass der Beschuldigte Aufforderungen des Gerichts, ihm als Erwachsenenvertreter obliegende Pflichten zu erfüllen, erst über Androhung und Verhängung von Ordnungsstrafen und Beugehaft zu erfüllen bereit war, mithin ein Verhalten gezeigt hat, dass das Vertrauen in die Anwaltschaft massiv beeinträchtigt und gefährdet.

[9] Auf Grundlage der Schuld (§ 32 Abs 2 StGB) sowie unter Berücksichtigung der dargestellten Bemessungsgründe (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist eine Geldbuße von 5.000 Euro angemessen. Der zu veranschlagende Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB erfordert eine Reduktion der Geldbuße um 1.000 Euro, sodass letztlich eine Geldbuße von 4.000 Euro auszusprechen war.

[10] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rückverweise