3Ob165/23w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N* H*, USA, vertreten durch Dr. Julia Nader, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A* F*, vertreten durch Imre Schaffer OG in Gleisdorf, und dessen Nebenintervenieten Mag. arch. M* F*, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Max Leitner und Dr. Marie-Sophie Häusler, Rechtsanwälte in Wien, wegen 86.544 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss (Spruchpunkt II.) im Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien vom 11. Mai 2023, GZ 16 R 96/23i 60, mit dem die Entscheidung über das Zahlungsbegehren im Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Februar 2023, GZ 14 Cg 29/20t 54, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.052,13 EUR (darin enthalten 508,69 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Beklagten und des Nebenintervenienten gegen das Zwischenurteil des Erstgerichts Folge und wies das Feststellungsbegehren im Hinblick auf zukünftige Schäden in der Form eines Teilurteils ab (Spruchpunkt I.); dagegen erklärte es die ordentliche Revision für nicht zulässig. Im Spruchpunkt II. hob es das angefochtene Zwischenurteil des Erstgerichts hinsichtlich des Zahlungsbegehrens auf und wies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Dazu erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil zur Frage, ob der (an die Klägerin zedierte) Verbesserungsanspruch des Erstkäufers einer Liegenschaft bei Weiterveräußerung auch dann auf die Zweitkäuferin (hier Klägerin) übergeht, wenn im Zweitkaufvertrag ein Gewährleistungsverzicht vereinbart wurde, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
[2] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten, der auf eine Abweisung auch des Zahlungsbegehrens abzielt.
[3] Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[5] 1. Vorweg wird darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht (vom Beklagten unbeanstandet) zum Ergebnis gelangte, dass die Gewährleistungsfrist für Sachmängel weder zum Zeitpunkt der Abtretungserklärung vom 2. 2. 2017 noch zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage abgelaufen gewesen sei. Dementsprechend beurteilte es das Zahlungsbegehren (dem Grunde nach) aus dem Titel der Gewährleistung (idF des G ewRÄG 2001, BGBl I 2001/48) wegen der geltend gemachten Sachmängel für berechtigt .
[6] 2. Trotz Zulässigerklärung des Rekurses durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.
[7] Dies ist hier der Fall.
[8] 3.1 Die Zulassungsfrage, ob der Verbesserungsanspruch des Erstkäufers bei Weiterveräußerung auch dann auf die Zweitkäuferin übergeht, wenn im Zweitkaufvertrag ein Gewährleistungsverzicht vereinbart wurde, kann nicht allgemein abstrakt beantwortet werden. Vielmehr sind Inhalt und Reichweite eines Gewährleistungsverzichts durch Auslegung zu ermitteln. Auslegungsfragen hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und begründen in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage.
[9] 3.2 Der Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag vom 5. 9. 2016 mit der Zweitkäuferin (Klägerin) bezieht sich ausschließlich auf Ansprüche gegenüber deren Verkäufer (Erstkäufer) im Hinblick auf vereinbarte Eigenschaften des Kaufgegenstands aufgrund des Zweitkaufvertrags. Auf Ansprüche gegenüber dem Beklagten aus dem Erstkaufvertrag bezieht sich dieser Gewährleistungsausschluss nicht. Für das vom Beklagten gewünschte Auslegungsergebnis, dass aufgrund des Gewährleistungsausschlusses zwischen Zweitkäuferin und Erstkäufer auch die Ansprüche des Erstkäufers gegen den Beklagten (nach den Vorstellungen des Beklagten sogar automatisch) untergehen, besteht keine Grundlage. Auch davon, dass das Interesse des Erstkäufers an der Verbesserung durch den Beklagten weggefallen sei, weil die Zweitkäuferin eine Verbesserung abgelehnt oder (bei bestehender Aktivlegitimation) auch gegenüber dem Beklagten nicht mehr begehren könnte, kann keine Rede sein.
[10] Davon abgesehen handelt es sich bei dem auf Sachmängel beziehenden Gewährleistungsausschluss im Zweitkaufvertrag entgegen der Ansicht des Beklagten um keinen umfassenden Gewährleistungsausschluss. Vielmehr bezieht sich dieser Ausschluss nur auf eine bestimmte Beschaffenheit, ein bestimmtes Ausmaß oder einen bestimmten Ertrag des Kaufgegenstands nach durchgeführter Besichtigung. Er erfasst daher nur Mängel, die für die Zweitkäuferin durch die Besichtigung bekannt waren oder – aufgrund daraus konkret gewonnener Anhaltspunkte – erkennbar gewesen wären (vgl RS0018555; 9 Ob 50/10h).
[11] Nach den Feststellungen waren die erst bei der Beweissicherung (bei Vorliegen des schriftlichen Befundes am 5. 2. 2018) vollständig festgestellten Mängel vorher nicht sichtbar. Dementsprechend erlangte die Klägerin erst mit Vorliegen des erwähnten schriftlichen Befundes Kenntnis davon, in welchem Umfang die vom Beklagten durchgeführten Umbauarbeiten mangelhaft waren. Auf diese verfahrensgegenständlichen Mängel, die anlässlich der Besichtigung nicht erkennbar waren, bezieht sich der Gewährleistungsausschluss im Zweitvertrag daher gar nicht.
[12] 3.3 Ausgehend von diesen Erwägungen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Verbesserungsanspruch des Erstkäufers gegenüber dem Beklagten durch den Weiterverkauf der Wohnung an die Klägerin nicht untergegangen sei, keine Verkennung der Rechtslage.
[13] 3.4 Mit dem Argument, dass die vom Klagebegehren erfassten Mängel im (niedrigeren) Kaufpreis für die Zweitkäuferin (Klägerin) berücksichtigt worden seien (vgl 2 Ob 123/12w), weicht der Beklagte von der Sachverhaltsgrundlage ab. Nach den Feststellungen war ein solcher (geringfügiger) Abzug nur im Zusammenhang mit dem baubehördlichen Status der Wohnung vorgesehen und bezog sich nur auf die sich darauf beziehenden Rechtsmängel, nicht aber auch auf die hier gegenständlichen Sachmängel.
[14] 4.1 Als weitere – eine erhebliche Rechtsfrage bildende – Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts betrachtet der Beklagte die Ansicht, dass die klagsgegenständlichen Sachmängel vom Beklagten gegenüber dem Erstkäufer ausdrücklich zugesicherte Eigenschaften beträfen.
[15] 4.2 Wie bereits ausgeführt ist die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses durch Auslegung im Einzelfall nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln. Dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden erklärungsrelevanten Umstände zu berücksichtigen (RS0016561 [T3]; RS0018564 [T13]; 7 Ob 24/21m).
[16] Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsausschluss grundsätzlich auch auf geheime und solche Mängel, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen (RS0018564). Im Zweifel sind Verzichtserklärungen allerdings restriktiv auszulegen (RS0018561). Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss erstreckt sich nach der Rechtsprechung daher nicht auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften oder auf arglistig verschwiegene Mängel (RS0018523; RS0018564; 9 Ob 50/18h). Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt demnach nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung oder dem Erklärungsverhalten des Vertragspartners schließen durfte (8 Ob 111/19k). Ob eine (ausdrückliche oder schlüssige) Zusicherung vorliegt oder nicht, kann letztlich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (7 Ob 24/21m). Diese Grundsätze gelten auch bei Geschäften zwischen Nichtunternehmern (8 Ob 111/19k; 3 Ob 148/22v).
[17] 4.3 Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
[18] Selbst nach den Ausführungen des Beklagten war von ihm gegenüber dem Erstkäufer ausdrücklich zugesichert, dass der Boden und die Wände neu gemacht bzw renoviert und die Elektro-, Gas- und Wasseranlagen professionell erneuert wurden. Wenn das Berufungsgericht diese ausdrücklichen Zusagen des Beklagten dahin auslegt, dass nach dem objektiven Erklärungswert für einen redlichen Erklärungsempfänger damit eine fachgerechte Herstellung gemeint gewesen sei und der Erstkäufer dies berechtigterweise dahin verstanden habe, dass es sich um professionelle, den gesetzlichen Normen entsprechende und von berechtigten Professionisten ausgeführte Arbeiten handle, ist dies keine Verkennung der Auslegungsgrundsätze.
[19] 5.1 Eine erhebliche Rechtsfrage erblickt der Beklagte schließlich auch darin, dass das Berufungsgericht zu Unrecht von der wirksamen Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Erstkäufers an die Zweitkäuferin (Klägerin) ausgegangen sei. Die Abtretung vom 2. 2. 2017 sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts titellos erfolgt und könne daher keine Rechtswirksamkeit entfalten.
[20] 5.2 Wird der Kaufgegenstand vom Erstkäufer weiterveräußert, so können an die Zweitkäuferin auch Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gegenüber dem ursprünglichen Verkäufer nach allgemeinen Grundsätzen abgetreten werden. Dies erfordert eine Abtretungsvereinbarung, die auch schon im Kaufvertrag mit der Zweitkäuferin enthalten sein kann. Der Inhalt und die Reichweite einer solchen Vereinbarung ist durch Auslegung zu ermitteln. Durch die Zession ändert sich der Schuldinhalt gemäß § 1394 ABGB nicht (5 Ob 174/20d).
[21] 5.3 Im Anlassfall wird im Zweitkaufvertrag dazu festgehalten, dass der Verkäufer (Erstkäufer) die Liegenschaftsanteile mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör so verkauft und übergibt, wie er diese Anteile bisher selbst besessen und benützt hat oder zu besitzen und zu benützen berechtigt war. Diese Klausel ist ähnlich zu der in Liegenschaftskaufverträgen allgemein gebräuchlichen Bestimmung, wonach der Kaufgegenstand mit allen Rechten und Pflichten an den Verkäufer übergeht. Auch wenn eine solche Regelung allgemein gehalten ist, ist sie doch einer Auslegung zugänglich. Dabei entspricht es der typischen Interessenlage der Vertragspartner im Rahmen der Vertragssitte, dass der nunmehrige Verkäufer (Erstkäufer) mit dem Erhalt des Kaufpreises endgültig abgefunden sein will und offene Ansprüche gegen Dritte auf die Zweitkäuferin übergehen sollen (vgl 5 Ob 245/06z). Zu derartigen Klauseln hat der Oberste Gerichtshof auch schon entschieden, dass diese regelmäßig Grundlage für allfällige Gewährleistungsansprüche bilden sollen (1 Ob 140/97b).
[22] Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte führt die Vertragsauslegung daher zwanglos dazu, dass sämtliche Ansprüche und Verpflichtungen, die mit dem Kaufgegenstand verbunden sind, an die Zweitkäuferin abgetreten werden sollen und davon auch noch offene, unverjährte Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche umfasst sind (vgl 5 Ob 24/81; 5 Ob 245/06z).
[23] Die hier in Rede stehende Vertragsklausel ist daher als Abtretungsvereinbarung auch in Bezug auf noch offene Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gegen Dritte (hier gegen den Beklagten) anzusehen. Dieser Abtretungsvereinbarung liegt als Titel für die Abtretung der Kaufvertrag zugrunde. Entgegen der Ansicht des Beklagten erfolgte die Abtretung nicht titellos.
[24] 5.4 Davon ausgehend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Klägerin selbst ohne gesonderte Abtretungserklärung (vom 2. 2. 2017) grundsätzlich jene Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zustünden, die dem ursprünglichen Käufer (Erstkäufer) der Liegenschaft gegenüber dem Beklagten zugestanden seien, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
[25] 6. Insgesamt gelingt es dem Beklagten mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof war daher zurückzuweisen.
[26] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.