15Os91/23f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 2. Mai 2023, GZ 80 Hv 19/23t-245, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * A* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in der Nacht von 3. auf 4. Oktober 2008 in V* * T* vorsätzlich getötet, indem er ihr mehrfach heftig gegen den Kopf schlug, sie stark würgte und ihr mit einer Waffe des Kalibers 7,65 mm dreimal durch den Brustkorb und einmal in den Kopf schoss, wobei die Handlungen die Zerstörung lebenswichtiger Hirnanteile, den Bruch von Gesichts- und Schädelknochen, eine Zerfetzung der Lunge und einer Vene mit Blutaustritt in den Brustfellraum, einen Bruch der dritten Rippe, ausgedehnte Knochenzerstörungen, Einblutungen im Halsbereich, Abbrüche des Zungenbeins mit Einblutungen des Schildknorpelhorns, Blutunterlaufungen und eine Rissquetschwunde beim linken Auge zur Folge hatten und insgesamt zu einer Hirnlähmung sowie einer Blutung in das Körperinnere und dadurch zum Eintritt des Todes der Genannten führten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die Tatsachenrüge kann nur erfolgreich sein, wenn anhand deutlich und bestimmt bezeichneter, in der Hauptverhandlung vorgekommener (§ 302 Abs 1 iVm § 258 Abs 1 StPO) oder rechtzeitig zu den Akten gelangter und ohne Obliegenheitsverletzung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht vorgeführter (RIS-Justiz RS0119310 [T2, T3, T5]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 481) Beweismittel aufgezeigt wird, dass die Beweiswürdigung der Geschworenen nach allgemein menschlicher Erfahrung erheblich bedenklich (grob unvernünftig) ist (11 Os 118/22w [Rz 5]). Eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen, wie sie die Schuldberufung im einzelrichterlichen Verfahren ermöglicht, wird durch diese Anfechtungskategorie nicht eröffnet. Deshalb beantwortet der Oberste Gerichtshof außerhalb solcher Sonderfälle gelegene Tatsachenrügen auch ohne eingehende beweiswürdigende Erwägungen, um keine Missverständnisse über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).
[5] Das Rechtsmittel enthält zwar aufzählende Ausführungen
- zu Persönlichkeit und Lebensumständen (Alter, Beschäftigung, Vermögensverhältnisse) des Opfers,
- zu dessen „schlechter Vorahnung“, die sich aber „nicht auf den Angeklagten bezogen haben“ könne,
- zur SIM-Karte der Schwester des Opfers und zur Unmöglichkeit, den Versendungsort einer SMS festzustellen, in welcher vorgetäuscht wurde, dass das Opfer noch lebe und nach Spanien reisen wolle,
- zu „Spuren am Tatort“, darunter DNA-Spuren von „zumindest drei unbekannten Individuen“, sowie zu seinerzeitigen Ermittlungshypothesen der italienischen Strafverfolgungsbehörden betreffend das „Täterprofil“ und die Anzahl möglicher Täter (zur fehlenden Beweismittel eigenschaft bewertender „Einschätzungen“ Dritter [auch wenn sie Organe der Strafverfolgung sein mögen] vgl RIS-Justiz RS0097540, RS0097545; 13 Os 49/22p [Rz 7]),
- zur Formulierung des DNA-Gutachtensauftrags der Staatsanwaltschaft Klagenfurt,
- zu vom Angeklagten verursachten Spermaspuren in der Scheide des Opfers und – allerdings bloß selektiv (vermeintlich seinen Standpunkt stützende) Passagen herausgreifend – zur Expertise der gerichtsmedizinischen Sachverständigen (vgl jedoch ON 139 S 25 und ON 244 S 25 f [… am wahrscheinlichsten in einem Zeitfenster von bis zu 24 Stunden vor ihrem Tod …]),
- zum Fehlen von Spuren des Angeklagten im vormaligen Fahrzeug des Opfers,
- dazu, dass zwei beim Opfer gefundene Haare laut DNA-Gutachten nicht vom Angeklagten stammen können,
- dazu, dass auf einer aufgefundenen optischen Sonnenbrille keine DNA-Spuren oder Fingerabdrücke des Angeklagten feststellbar waren,
- dazu, dass die Beschreibung jener Person, die die Wohnung an die Vermieterin des Opfers übergeben habe, nicht auf den Angeklagten passe, und
- zu ungeklärten Details betreffend die Auflösung der Wohnung und den Verkauf des Autos des Opfers, insbesondere zum Verkäufer (im Übrigen ohne darzutun, wodurch der Angeklagte an einer darauf bezogenen Beweisantragstellung gehindert gewesen wäre; vgl aber RIS Justiz RS0115823, RS0114036).
[6] Damit gelingt es dem Nichtigkeitswerber jedoch nicht erhebliche Bedenken im Sinne der Z 10a zu wecken (RIS Justiz RS0100809, RS0117446 [T4, T14]).
[7] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 10a beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS Justiz RS0102162 [T2]).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 344 iVm § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 344 iVm § 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.