11Os100/23z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * R* und * T* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. April 2023, GZ 91 Hv 40/22i 100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * R* und * T* im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 11 Os 66/22y) jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt und jeweils unter Einbeziehung des im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruchs zu Freiheitsstrafen verurteilt.
[2] Danach haben sie am 16. August 2021 in G* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter * H* mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Machete, eine Armbanduhr sowie eine Geldbörse mit 600 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem sie in seine Wohnung eindrangen, mit einer Stahlrute und einem Eisenrohr sowie mit den Fäusten auf ihn einschlugen und eintraten, wodurch er Prellungen, Hämatome, Abschürfungen und Rissquetschwunden am Kopf sowie eine Entzündung infolge des Eindringens von Krankheitskeimen in die vorfallskausale Hautunterblutung in den Weichteilen des rechten Handgelenks und Unterarms, die mehrere Revisionsoperationen notwendig machte, somit eine an sich schwere Verletzung sowie eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, erlitt, ihn beschimpften und ankündigten, wiederzukommen und ihn umzubringen, wenn er nicht zahle, die angeführten Gegenstände an sich nahmen und die Wohnung verließen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich vom Angeklagten R* auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO und vom Angeklagten T* auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*:
[4] Soweit die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) reklamiert, dass eine in der Begründung angesprochene Forderung des Angeklagten gegen das Opfer in Höhe von 150 Euro (US 4, 14) einem auf sämtliche weggenommenen Sachen (und damit auch den dementsprechenden Wert ) bezogenen Bereicherungsvorsatz entgegenstehe, nimmt sie nicht auf eine entscheidende Tatsache Bezug (RIS Justiz RS0106268; vgl US 4 f, 7).
[5] Mit der Behauptung, es wäre „nicht ausgeschlossen“, „dass ein Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung erst nach der Gewaltanwendung gegenständlich wurde“, wird kein Begründungs defizit im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*:
[6] Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft mit spekulativen Erwägungen zu einem bei gemeinsamer Begehung eines Raubes zu erwartenden arbeitsteiligen (nicht wie hier „unkoordinierten“) Vorgehen der Täter, zur Aufteilung der Beute, zur unterbliebenen Wegnahme weiterer Uhren oder sonstiger Wertsachen aus der Wohnung des Opfers, zu „zahllosen potentiellen Opfern“ und mutmaßlich leichteren Zielen „für allfällige Raubhandlungen“ sowie zur bei Raubhandlungen typischerweise maßgeblichen „Erbeutung eines größtmöglichen 'Diebsguts'“ und mit der Behauptung, der Angeklagte hätte (im Zeitpunkt der Gewaltanwendung) nicht mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gehandelt, die Entscheidungsfindung des Erstgerichts wäre insoweit „befremdlich“ bzw „unplausibel“ und es existierten für dessen Annahmen keine Beweismittel oder Anhaltspunkte und keine schlüssige Erklärung, sinnfällig bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[7] Indem sie das Vorliegen eines Bereicherungsvorsatzes außerdem mit dem Verweis auf isoliert hervorgehobene Details der Aussagen der Zeugen P* und H* (ON 2 S 22, ON 56 S 26) sowie des Angeklagten – zum Teil ohne Angabe der entsprechenden Fundstellen (vgl aber RIS Justiz RS0124172 [T4 und T5]) – und einzelne Urteilspassagen (US 4, 10) bestreitet, übt sie gleichermaßen nur – prozessual unzulässige – Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.
[8] Aus welchem Grund die Feststellungen, wonach sich am Abend vor der Tat mit fortschreitendem Alkoholkonsum die Wut des R* über die Beschädigung der Felgen seines Fahrzeugs durch H* und dessen Verhalten steigerte und die Angeklagten daher den Entschluss fassten, diesem eine „Abreibung“ zu verpassen und mit Gewalt gegen ihn unter Verwendung einer Stahlrute und eines Eisenrohrs mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Bargeld wegzunehmen (US 4 f), undeutlich sein sollten, macht die Beschwerde nicht klar (Z 5 erster Fall; vgl RIS Justiz RS0099425).
[9] Weshalb die Aussage des Angeklagten, er wäre von R* bereits zwei Wochen zuvor ersucht worden, mit ihm zu H* zu fahren, um von diesem dem R* geschuldetes Geld zu holen, er hätte dies aber abgelehnt (ON 56 S 14), den Urteilsannahmen (zum Bereicherungsvorsatz) erörterungsbedürftig entgegen stehen sollte, erklärt die Beschwerde gleichfalls nicht (RIS Justiz RS0098495 [insb T6], RS0098646 [insb T8]).
[10] In Befolgung des Gebots zu gedrängter aber bestimmter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) waren die Tatrichter nicht verhalten, auf die Tatsache, dass P* in ihrer ersten Vernehmung als Zeugin (ON 2 S 13 ff) die Wegnahme einer Uhr sowie die Verwendung einer Eisenstange nicht erwähnt hatte, einzugehen (RIS Justiz RS0106642). Außerdem übergeht die Beschwerde, dass das Erstgericht seine diesbezüglichen Sachverhaltsannahmen auch auf die Angaben des H* zum Fehlen einer Armbanduhr sowie zum Einsatz der Waffen (ua ON 61 S 5 f) gründete (US 16), und nimmt damit nicht die Gesamtheit der Urteilserwägungen in den Blick (RIS Justiz RS0119370).
[11] Welche weiteren „erheblichen und gravierenden Widersprüche“ in den Angaben de r genannten Zeugen nicht gewürdigt worden seien, sagt die Beschwerde nicht deutlich und bestimmt (erneut RIS Justiz RS0118316 [insb T4 und T5]).
[12] Die als fehlend reklamierte Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Annahme eines Bereicherungsvorsatzes im Zeitpunkt der Gewaltanwendung findet sich auf US 14 und 18. Weshalb die angestellten Erwägungen undeutlich (Z 5 erster Fall) sein sollten, bleibt unerfindlich (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 419).
[13] Die Rechts- und die Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10) erschöpfen sich in bloßer Beweiswürdigungskritik an den Urteils feststellungen zu einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz des Angeklagten (im Zeitpunkt der Gewaltanwendung [US 5, 7]) und verfehlen demnach den Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810). Weshalb es den Feststellungen insoweit am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (vgl RIS Justiz RS0119090), macht die Beschwerde nicht klar.
[14] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen den hiezu erstatteten Äußerungen der Verteidiger, war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.