JudikaturOGH

11Os88/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Mai 2023, GZ 111 Hv 15/23y 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (1/), des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB (2/), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3/ und 6/), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (4/) und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (5/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in W*

1/ in der Nacht zum 26. Dezember 2022 S* D* und * G* gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie wiederholt telefonisch „bzw per Chatnachricht“ (US 3: nur telefonisch) gegenüber S* D* sinngemäß äußerte, sie werde ihn und seine neue Freundin * G* umbringen;

2/ sich am 26. Dezember 2022 mit Gewalt den Eintritt in die Wohnung des S* D* erzwungen, indem sie mehrfach gegen die verschlossene Wohnungstür trat und dem Genannten, als er die Tür öffnete, einen Faustschlag ins Gesicht sowie mehrere Schläge in den Kopf und Nackenbereich versetzte, wobei sie beabsichtigte, in der Wohnung gegen diesen Gewalt zu üben;

3/ durch die unter 2/ angeführte Tathandlung S* D* vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch dieser eine Schwellung sowie einen Kratzer am Auge sowie einen Kratzer im Rücken/Nackenbereich erlitt;

4/ durch die unter 2/ angeführte Tathandlung eine fremde Sache, und zwar die Eingangstüre des S* D* beschädigt, wodurch ein Schaden von 300 Euro entstand;

5/ am 26. Dezember 2022 versucht, S* D* eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, indem sie mit einem Hammer auf den Genannten einschlug, wobei der Schlag jedoch von Z* D* mit seinem Unterarm abgelenkt werden konnte, weshalb S* D* bei diesem Angriff unverletzt blieb;

6/ im Anschluss an die zu 5/ geschilderte Tathandlung (US 6: nach dem Eintreffen der Polizei) S* D* am Körper verletzt, indem sie mit dem Fuß gegen sein Schienbein trat, wodurch dieser eine Schürfwunde am Schienbein erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 5a und Z 9 [lit] a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

[4] Eine Mängelrüge (Z 5) ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370).

[5] Soweit die Beschwerde als Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) rügt, das Erstgericht habe zu 1/ bloß „sinngemäße“ Äußerungen der Angeklagten wiedergegeben und einmal G* und dann wieder S* D* und „seine neue Freundin“ als Adressaten der Äußerungen angeführt (US 3), übergeht sie die für die rechtliche Unterstellung unter § 107 Abs 1 StGB entscheidenden und eindeutigen Feststellungen zum Zweck und Bedeutungsinhalt der Äußerungen (US 3, 8 – Bedrohung von S* D* und G* zumindest mit einer Verletzung am Körper, um die beiden in einen nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden peinvollen Seelenzustand zu versetzen) sowie die Urteilssaussagen zur im Tatzeitpunkt aufrechten Beziehung zwischen S* D* und G*, wobei Letztere auch explizit als neue Freundin des Erstgenannten bezeichnet wurde (US 3). Unklarheiten in Bezug auf die Bedeutung der Äußerungen oder die Adressaten der Drohung sind demnach nicht zu erkennen.

[6] Ebenso wenig haftet dem Urteil eine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) oder offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) in Bezug auf die subjektive Tatseite zu 2/, 3/ und 4/ an. Denn einerseits wurde präzisiert, dass mit der Wendung „mit nicht unerheblicher Gewalt“ das wuchtige Treten gegen die Eingangstür, der Faustschlag gegen das Gesicht und mehrere Schläge gegen den Kopf- und Nackenbereich des S* D* gemeint sind. Andererseits ist die Ableitung der Feststellungen zum jeweiligen Vorsatz (US 4 f) aus dem äußeren Tatgeschehen, den Angaben der Angeklagten im Ermittlungsverfahren und der allgemeinen Lebenserfahrung (US 8 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Welche für die rechtsrichtige Beurteilung erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite „nicht getroffen“ worden sein sollen (dSn Z 9 lit a), lässt die Beschwerde nicht erkennen.

[7] Indem die Nichtigkeitswerberin unter Berufung auf ihren emotionalen Ausnahmezustand die Feststellungen zum Beschädigungsvorsatz zu 4/ (US 5) und zu ihrer Diskretionsfähigkeit im Tatzeitraum (US 6) bestreitet, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO) – auch zu ihrer psychischen Verfassung im Tatzeitraum (US 6) – nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[8] Der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider sind die Konstatierungen zur Absicht auf Zufügung einer schweren Verletzung zu 5/ (US 5) mit dem Hinweis auf das äußere Tatgeschehen (ausholender Schlag mit einem Hammer in Richtung Kopf), die allgemeine Lebenserfahrung und das durchdachte Vorgehen der Angeklagten bis zu diesem Schlag logisch nachvollziehbar und empirisch einwandfrei begründet.

[9] Die von der Nichtigkeitswerberin vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu 6/ (nominell Z 5 vierter Fall, dSn Z 9 lit a) finden sich auf US 5.

[10] Mit ihrem E inwand (Z 5 vierter Fall) gegen die Begründung der Feststellungen zur Verletzung (auch) des Z* D*, welcher den zu 5/ geführten Schlag durch sein Einschreiten ablenken konnte (US 5), wendet sich die Beschwerde von vornherein nicht gegen eine für den Schuldspruch oder die Subsumtion zu 5/ oder 6/ entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117499), ist dazu doch bloß der jeweilige Angriff auf S* D* inkriminiert.

[11] Mit dem Hinweis darauf, dass sich das Erstgericht bei der Beurteilung der in einem Video dokumentierten telefonischen Äußerungen der Angeklagten „bloß auf eine vom Opfer angefertigte Übersetzung verlassen“ habe (siehe aber US 7 zur Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen S* D* und G* und zur geständigen Verantwortung der Angeklagten im Ermittlungsverfahren), vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken (vgl RIS Justiz RS0118780, RS0119583).

[12] Soweit die Beschwerde die Unterlassung der Einholung einer „amtlichen“ Übersetzung als Verstoß gegen „Grundsätze eines fairen Verfahrens“ (Art 6 MRK) moniert, scheitert sie – unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO) betrachtet – schon daran, dass in der Hauptverhandlung nicht einmal ein Antrag auf Übersetzung des aufgezeichneten Telefonats durch einen Dolmetsch für die serbische Sprache gestellt wurde (vgl ON 27 S 14; ON 39 S 12 und 16; § 281 Abs 1 Z 4 StPO; RIS-Justiz RS0099250 [T10, T13]) und auch nicht dargetan wird, wodurch die Angeklagte an sachgerechter Antragstellung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823).

[13] Indem die Rechtsrüge (Z 9 [lit] a) die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen negiert und unter Anstellung von beweiswürdigenden Erwägungen durch andere ersetzt wissen will, geht sie nicht – wie dies bei der Geltendmachung materiell rechtlicher Nichtigkeit notwendig wäre (RIS Justiz RS0099810) – vom Urteilssachverhalt aus. Welche Feststellungen über die ohnehin auch zur subjektiven Tatseite getroffenen (US 4 ff) hinaus zur rechtsrichtigen Beurteilung des Sachverhalts notwendig gewesen wären, sagt die Beschwerde erneut nicht.

[14] Weshalb der – vom Erstgericht ohnehin berücksichtigte (US 8) – Konflikt zwischen der Angeklagten und S* D* (dem früheren Lebensgefährten und Vater des Kindes der Angeklagten) und angebliche Provokationen durch diesen für die rechtliche Beurteilung des konkret festgestellten Tatgeschehens von Bedeutung sein sollten, macht die insoweit einen Feststellungsmangel behauptende Beschwerde nicht klar (RIS Justiz RS0118580).

[15] Soweit sich auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Hinweis auf die von S* D* selbst angefertigte Übersetzung des Telefonats gegen die Konstatierungen betreffend die Äußerungen der Angeklagten zu 1/ wendet, verfehlt sie abermals den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (erneut RIS Justiz RS0099810).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise