JudikaturOGH

9Ob44/23w – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Unterlassung und Feststellung, infolge des „außerordentlichen Revisionsrekurses“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 7. Juni 2023, GZ 21 R 125/23z 110, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger erhob gegen die Beklagte eine Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB sowie ein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden infolge der Störung des Eigentums des Klägers am 29. 4. 2021. Er bewertete diese Klage mit 16.000 EUR gemäß § 5 Z 34 lit b AHK, nahm aber keine Bewertung seiner Begehren nach den §§ 54 ff JN vor. Eine Streitwertbemängelung erfolgte nicht.

[2] Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 5. 1. 2023 (ON 91) die Unterbrechung des Verfahrens zur rechtskräftigen Festsetzung eines von ihm näher bezeichneten Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken der Streitteile. Damit verbunden beantragte er die Abberaumung der für den 19. 1. 2023 vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung und erstattete einen vorbereitenden Schriftsatz.

[3] Mit Beschluss vom 9. 1. 2023 (ON 92) wies das Erstgericht den Schriftsatz des Klägers ON 91 zurück.

[4] Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger den am 12. 1. 2023 beim Erstgericht eingebrachten Rekurs, verbunden mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 524 Abs 2 ZPO (ON 93). Neuerlich beantragte er in diesem Schriftsatz die Abberaumung der für den 19. 1. 2023 anberaumten Tagsatzung.

[5] Mit Beschluss vom 13. 1. 2023 (ON 94) wies das Erstgericht den Rekurs des Klägers ON 93 samt Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung zurück (Pkt 1) und den Antrag auf Abberaumung der Tagsatzung vom 19. 1. 2023 ab (Pkt 2).

[6] Gegen den Beschluss vom 13. 1. 2023 (ON 94) erhob der Kläger den am 19. 1. 2023 beim Erstgericht eingebrachten Rekurs, wiederum verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (ON 95).

[7] Das Rekursgericht wies den Rekurs des Klägers – „soweit er sich gegen Punkt 2. und den Teil des Beschlusses richtet, mit dem der Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 9. 1. 2023 hinsichtlich des Antrages auf Unterbrechung des Verfahrens und Abberaumung der Tagsatzung vom 19. 1. 2023 als unzulässig zurückgewiesen wurde“ – als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (Pkt I.1. der Entscheidung des Rekursgerichts). Den Bewertungsausspruch begründete das Rekursgericht damit, dass grundsätzlich nicht ganz unbedeutende Eigentumseingriffe verfahrensgegenständlich seien, weshalb eine Bewertung im Zwischenbereich angemessen scheine.

[8] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der an den Obersten Gerichtshof gerichtete „außerordentliche Revisionsrekurs“ des Klägers.

[9] Nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Gerichts zweiter Instanz auf Zurückweisung eines Rekurses ein Revisionsrekurs im Sinn des § 528 ZPO, der nur unter dessen Voraussetzungen, insbesondere Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, zulässig ist (RS0044501). Ein eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nach der Rechtsprechung rechtfertigender Ausnahmefall liegt hier nicht vor (RS0044501 [T3; T10; T11]).

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Akt ist jedoch zunächst dem Rekursgericht vorzulegen:

[11] 1. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO ist der Revisionsrekurs in Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt (§ 502 Abs 3 ZPO), jedenfalls unzulässig, wenn das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 528 Abs 2a ZPO iVm §§ 500 Abs 2 Z 3, 508 ZPO einen – beim Erstgericht einzubringenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; dieser Antrag, der mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs – entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts – für zulässig erachtet wird (9 Ob 19/23v mwH).

[12] 2.1 Der Bewertungsausspruch der zweiten Instanz ist grundsätzlich unanfechtbar und auch für den Obersten Gerichtshof bindend (RS0042385; RS0042515), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Unter oder Überbewertung vorgenommen oder eine Bewertung überhaupt unterlassen müssen (RS0109332 [T1]; 3 Ob 114/17m mwH).

[13] 2.2 Bei ihrem Bewertungsausspruch ist die zweite Instanz an die Bewertung des Klägers nach § 56 Abs 2 JN nicht gebunden (RS0043252; RS0042296). Das Rechtsmittelgericht darf den Wert des Entscheidungsgegenstands zwar nicht willkürlich festsetzen, es steht ihm aber, soweit die Bewertung nicht zwingend vorgegeben ist, ein Ermessensspielraum offen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, das sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren hat. Bestehen keine zwingenden Bewertungsvorschriften, so hat sich die Bewertung am objektiven Wert der Streitsache zu orientieren (RS0118748).

[14] 2.3 Eine Überschreitung des dem Rekursgericht im vorliegenden Fall offen stehenden Ermessensspielraums zeigt der Rekurswerber nicht auf. Er begehrt eine Bewertung des Streitgegenstands durch das Rekursgericht mit einem Betrag von 35.000 EUR, ohne dies inhaltlich näher zu begründen. Seinen verfassungsrechtlichen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof angesichts der gesetzlichen Richtlinien für die Ausübung des Ermessens die Unanfechtbarkeit des Bewertungsausspruchs und die Bindung an diesen Ausspruch als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (4 Ob 61/04f; RS0042410 [T25]; A. Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 500 ZPO Rz 3).

[15] 3. In dem aus den dargelegten Gründen hier eröffneten Anwendungsbereich für einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels funktionell unzuständig. Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ bezeichnet (vgl § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO) und es an den Obersten Gerichtshof gerichtet wird, und auch dann, wenn – wie hier – der Kläger inhaltlich einen Antrag nach § 528 Abs 2a ZPO (iVm § 508 Abs 1 ZPO) verbunden mit seinem „außerordentlichen“ Rechtsmittel einbringt (vgl 8 Ob 95/20h mwH).

[16] Das Erstgericht wird daher den – inhaltlich vom Kläger ohnehin in seinem Schriftsatz formulierten – Abänderungsantrag dem Rekursgericht zur Entscheidung über diesen vorzulegen haben.

Rückverweise