17Ob18/23f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.*, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der S* GmbH, vertreten durch Cortolezis Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. R*, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwältin in Graz, wegen 130.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. August 2023, GZ 2 R 115/23h 72, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der behauptete Verfahrensmangel wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[2] 2. Gemäß § 1 EKEG ist ein Kredit, den ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital ersetzend. Bürgt ein Gesellschafter – wie hier der Beklagte – in einem Zeitpunkt, in dem eine Kreditgewährung Eigenkapital ersetzend wäre, für die Rückzahlung des Kredits eines Dritten, bestellt er ein Pfand oder leistet er eine vergleichbare Sicherheit, so kann sich der Dritte gemäß § 15 Abs 1 EKEG bis zur Sanierung der Gesellschaft trotz entgegenstehender Vereinbarung wegen der Rückzahlung des Kredits aus der Sicherheit befriedigen, ohne zuerst gegen die Gesellschaft vorgehen zu müssen. Bezahlt der Gesellschafter die fremde Schuld, so kann er gegen die Gesellschaft nicht Regress nehmen, solange diese nicht saniert ist. Eine Krise liegt unter anderem dann vor, wenn die Gesellschaft – wie hier die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Garantieerklärung des Beklagten – iSd § 67 IO überschuldet ist (§ 2 Abs 1 Z 2 EKEG).
[3] 3. Der Wortlaut des § 2 Abs 1 Z 2 EKEG legt nahe, dass es im Fall der Überschuldung (wie auch im Fall der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 2 Abs 1 Z 1 EKEG) nur auf das objektive Vorliegen dieses Tatbestands ankommt, weil ein subjektives Element nur für den Fall des § 2 Abs 1 Z 3 EKEG (Reorganisationsbedarf) normiert ist (§ 2 Abs 2 EKEG). Der objektive Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 2 EKEG ist hier nach den Feststellungen zweifellos erfüllt.
[4] 4. Die vom Beklagten als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob es auch im Fall der Überschuldung auf eine Erkennbarkeit der Krise für den Gesellschafter ankomme (in diesem Sinn Burtscher/Spitzer , Vertrauensschutz im Eigenkapitalersatzrecht, wbl 2022, 601), stellt sich hier nicht:
[5] Nach den Feststellungen war die spätere Schuldnerin (Insolvenzeröffnung im August 2018) zum Zeitpunkt der Garantieerklärung des Beklagten im Rahmen einer Umschuldung (3. März 2017) bereits rechnerisch überschuldet, ohne dass damals eine positive (insolvenz- bzw eigenkapitalersatzrechtliche) Fortbestehensprognose möglich gewesen wäre, und der jüngste damals vorliegende Jahresabschluss (zum 31. Dezember 2015) ergab eine Eigenkapitalquote von bloß 0,94 % und eine fiktive Schuldentilgungsdauer von 75,79 Jahren. Die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin hatte sich zwar im Jahr 2016 (geringfügig und vorübergehend) verbessert; der Beklagte konnte aber am 3. März 2017 nicht auf den – damals noch gar nicht erstellten – Jahresabschluss zum 31. Dezember 2016 und die daraus ableitbaren Kennzahlen (Eigenkapitalquote von 6,56 % und fiktive Schuldentilgungsdauer von 10,55 Jahren) vertrauen.