Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen * F* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 1. März 2023, GZ 15 Hv 4/23v 20, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * F* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 „Z 1“ StGB (B) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in I* und andernorts
(A) an unmündigen Personen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er deren Vaginen betastete, und zwar
I) im April 2018 an der * 2009 geborenen * Sch*,
II) im Sommer 2019 an der * 2010 geborenen L* und
III) am 14. August 2021 an der *2013 geborenen M*, sowie
(B) durch das beschriebene Verhalten jeweils mit unmündigen und mit ihm in der Seitenlinie verwandten Personen, die seiner Aufsicht unterstanden (US 4), nämlich mit seinen Nichten, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen (US 4) geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die von der Verfahrensrüge (Z 3) zu B behauptete Abweichung des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der Urteilsausfertigung vom verkündeten Urteil (vgl dazu RIS Justiz RS0098383 und RS0098867) liegt nicht vor (ON 19 S 11 und US 2). Durch den Passus „(richtig: Z 2)“ auf der US 2 brachte das Erstgericht in der Urteilsausfertigung lediglich seine (nachträgliche) Erkenntnis zum Ausdruck, dass es den zu B festgestellten Sachverhalt (vgl US 3 f iVm US 7 f) rechtsirrig § 212 Abs 1 Z 1 StGB statt richtig § 212 Abs 1 Z 2 StGB subsumierte. Rechtliche Erwägungen des Erstgerichts in der Urteilsausfertigung sind aber nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (RIS Justiz RS0100877 [T11]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 413 und 417).
[5] Der Vorwurf (Z 8) eines Verstoßes gegen das Überraschungsverbot (Art 6 Abs 3 lit a und b MRK) geht ins Leere, weil ein insoweit behaupteter Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB – wie dargelegt – gar nicht erfolgt ist (US 2).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[7] Hinzugefügt sei, dass die Subsumtion der vom Schuldspruch B umfassten Taten nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB – wie vom Erstgericht nachträglich zutreffend erkannt (US 2 und 8) – verfehlt ist. Tatsubjekt des § 212 Abs 1 Z 1 StGB kann der Angeklagte diesbezüglich nicht sein, weil die vom sexuellen Missbrauch betroffenen Nichten mit ihm nicht in absteigender Linie verwandt sind. Da der Urteilssachverhalt (US 4) in objektiver und subjektiver Hinsicht eine Subsumtion des Geschehens nach mehreren Vergehen der Z 2 des § 212 Abs 1 StGB trägt, wirkt der Rechtsfehler aber nicht zum Nachteil des Angeklagten, demzufolge gibt er auch keinen Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO ( Ratz , WK StPO § 290 Rz 22).
[8] Die Entscheidung über die Berufung und die – gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende – Beschwerde gegen den Beschluss auf Erteilung einer Weisung (ON 20a) kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO)
[9] An den aufgezeigten Rechtsfehler des Erstgerichts ist das Oberlandesgericht aufgrund der insoweit vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellungen nicht gebunden (RIS
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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