JudikaturOGH

5Ob65/23d – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers S*, vertreten durch Mag. Julia Gauglhofer, Mieterschutzverband Österreichs, Landesverein Wien, *, gegen die Antragsgegnerin F*, vertreten durch Mag. Lucas Mäntler, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen § 26 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Februar 2023, GZ 39 R 1286/22f 28, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 1. September 2022, GZ 3 Msch 23/21w 22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 360 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung sowie des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragsgegnerin ist Hauptmieterin einer Wohnung, die der Antragsteller als Untermieter in Bestand genommen hatte.

[2] Nach dem ursprünglichen von den Parteien schriftlich abgeschlossenen Untermietvertrag war das Bestandverhältnis von 1. 11. 2013 bis 31. 10. 2016 befristet. Am 3. 8. 2016 schlossen sie einen weiteren schriftlichen Untermietvertrag ab, mit dem der Antragsteller die Wohnung von 1. 10. 2016 bis zum 31 (!). 9. 2019 in (Unter )Bestand nahm . Nach Ablauf der zweiten Befristung wohnte er noch bis zum 31. 7. 2020 in der Wohnung und bezahlte den zuletzt vereinbarten Untermietzins weiter. Dazu wurde von den Parteien weder schriftlich noch mündlich eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen.

[3] Am 30. 9. 2020 beantragte der Antragsteller bei der Schlichtungsstelle die Überprüfung des ihm vorgeschriebenen Untermietzinses.

[4] D as Erstgericht stellte den gesetzlich zulässigen Untermietzins für die Wohnung zu den Stichtagen 1. 11. 2013 und 1. 10. 201 5 fest, sprach aus, um welche Beträge die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller im Zeitraum 1. 11. 2013 bis 31. 7. 2020 den gesetzlich zulässigen Untermietzins überschritten hatte, und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Rückzahlung von insgesamt 18.703,64 EUR sA. Rechtlich ging es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – davon aus, dass der Antrag auf Überprüfung des (Unter )Mietzins es nicht präkludiert sei.

[5] Dem dagegen ge richteten Rekurs der Antragsgegnerin, in dem sie nur noch die Präklusion des Antrags auf Überprüfung des (Unter )Mietzins es geltend machte, gab das Gericht zweiter Instanz Folge, wies den Antrag ab und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig ist.

[6] Gemäß § 26 Abs 4 MRG sei die Unwirksamkeit einer Untermietzinsvereinbarung binnen drei Jahren gerichtlich (bzw bei der Gemeinde gemäß § 39 MRG) geltend zu machen. Bei befristeten Untermietverträgen ende diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Vertragsv erhältnis. Nach der Rechtsprechung zum inhaltsgleichen § 16 Abs 8 MRG l aufe die dreijährige Präklusivfrist bei Aneinanderreih ung zulässig befristeter Mietverträge so lange nicht ab, als nicht sechs Monate nach der zusammengerechnet vereinbarten Befristungszeit verstrichen seien oder aber ein unbefristetes Mietverhältnis abgeschlossen werde . Lägen aber unzulässige, nicht durchsetzbare Befristungen vor, sodass die vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses gesetzlich nicht durchsetzbar sei, beginne die Präklusivfrist jedoch bereits mit dem Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zu laufen.

[7] Nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a und b MRG müssten befristete Mietverträge über Wohnungen schriftlich auf mindestens drei Jahre abgeschlossen werden. S onst wäre die Befristung unwirksam. Auch die Verlängerung des ursprünglich befristeten Vertrags müsse schriftlich und auf zumindest drei Jahre erfolgen. Demgegenüber führe d er Beginn eines weiteren auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses noch vor Ablauf des (ersten) befristeten Vertrags dazu, dass das ursprüngliche Vertragsverhältnis nicht um die Mindestfrist von drei Jahren verlängert w erde, sodass keine gesetzlich durchsetzbare Befristung vorliege. Andernfalls könnte die gesetzliche Bestimmung des § 29 Abs 4 MRG jederzeit umgangen werden.

[8] D er zweite befristete Mietvertrag habe bereits einen Monat vor Ende des ersten befristeten Vertrags zu laufen begonnen, sodass sich die Vermietungsdauer der beiden Verträge um einen Monat überschnitten hätte. Damit habe der Neuvermietungszeitraum nicht drei Jahre, sondern nur zwei Jahre und 11 Monate betr agen. D ie dreijährige Frist zur Überprüfung des Mietzinses sei daher mit Abschluss des zweiten Mietvertrags in Gang gesetzt worden, sodass der Antrag präkludiert sei.

[9] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob der Lauf der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 bzw § 26 Abs 4 MRG auch in Gang gesetzt werde, wenn ein zwar per se wirksam auf drei Jahre befristeter Vertrag abgeschlossen werde , er jedoch bereits vor Ablauf der Mindestbefristung des davor abgeschlossenen Vertrags beginn e.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der von der Antragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und berechtigt.

[11] 1. Die Höhe des zulässigen Untermietzinses bei Untervermietung beträgt nach § 26 Abs 1 MRG idFd 3. WÄG 150 % des vom Hauptmieter tatsächlich zu entrichtenden (zulässigen) Hauptmietzinses (zuzüglich anteiliger Betriebskosten, öffentliche Abgaben und Kosten von Gemeinschaftsanlagen, Entgelt für Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen) sowie der USt und der angemessenen Abgeltung der vom Hauptmieter allenfalls vorgenommenen Verbesserungen des Mietgegenstands, soweit sie für den Untermieter objektiv von Nutzen sind. Seit dem 3. WÄG ist die Mietzinsvereinbarung unwirksam, soweit der Untermietzins darüber hinaus geht (§ 26 Abs 4 Satz 1 MRG). Der Untermieter kann die teilweise Nichtigkeit einer Untermietzinsvereinbarung rückwirkend geltend machen (vgl Würth / Zingher / Kovanyi , Miet-und Wohnrecht²³ § 26 MRG Rz 6).

[12] Die (teilweise) Unwirksamkeit einer Vereinbarung über den Untermietzins ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39 MRG) geltend zu machen. Bei befristeten Untermi etver trägen endet diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis; die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall zehn Jahre (§ 26 Abs 4 Satz 3 MRG).

[13] Die Verlängerung der Frist im Fall eines befristeten Untermietverhältnisses soll dem Mieter die Möglichkeit bieten, auch erst nach endgültiger Beendigung des Mietverhältnisses oder Umwandlung in einen unbefristeten Mietvertrag einen allfälligen Rückforderungsanspruch wegen Mietzinsüberschreitung gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG geltend zu machen. Erst ab diesem Zeitpunkt steht er nicht mehr unter dem Druck, bei Geltendmachung dieses Anspruchs eine Verlängerung des Mietverhältnisses zu gefährden.

[14] 2. § 26 Abs 4 3. Satz MRG entspricht der Bestimmung des § 16 Abs 8 MRG und normiert daher ebenfalls eine von Amts wegen wahrzunehmende Präklusivfrist, die nur durch einen materiell begründeten rechtzeitigen Antrag gewahrt wird (5 Ob 73/08h; RS0123975; RS0112180 [T6]). Zweck der Frist nach § 26 Abs 4 MRG ist ebenfalls , den Beweisproblemen auszuweichen, die sich bei einer Mietzinsüberprüfung lange nach dem Abschluss der Mietzinsvereinbarung stellen (RS0112180 [T3]).

[15] 3. Die Befristungsvereinbarung in einem Untermietvertrag muss den allgemeinen Gültigkeitserfordernissen gemäß § 29 Abs 1 Z 3 MRG entsprechen. Sie muss schriftlich errichtet worden und der Endtermin von vornherein durch Datum oder Fristablauf bestimmt sein. Bei Wohnungen darf die ursprünglich vereinbarte oder verlängerte Vertragsdauer drei Jahre nicht unterschreiten. Befristungsvereinbarungen können schriftlich beliebig oft erneuert werden, müssen bei Wohnungen aber jeweils eine Mindestdauer von drei Jahren aufweisen (§ 29 Abs 4 MRG).

[16] 3.1. Die Frage, ob die in § 26 Abs 4 Satz 3 MRG behandelte Verlängerung der Frist zur Geltendmachung einer (teilweisen) Unwirksamkeit der Untermietzinsvereinbarung im Fall der Erneuerung eines befristeten Untermietverhältnisses voraussetzt, dass die neuerliche Befristung des Mietverhältnisses den Gültigkeitserfordernissen gemäß § 29 Abs 1 Z 3 MRG entspricht und in diesem Sinn zulässig und durchsetzbar ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.

[17] 3.2. Anders als in § 16 Abs 8 Satz 3 MRG findet sich in § 26 Abs 4 MRG kein ausdrücklicher Hinweis auf § 29 Abs 1 Z 3 MRG. Ob schon deswegen die Frage, wie sich die Unwirksamkeit einer Befristungsvereinbarung auf den Lauf der Präklusionsfrist des § 26 Abs 4 Satz 3 MRG auswirkt, anders zu beurteilen ist, muss im vorliegenden Fall aber nicht geklärt werden:

[18] 3.2.1. Nach dem festgestellten Sachverhalt lag zunächst ein schriftlich auf drei Jahre befristetes Untermietverhältnis vor, das mit 31. 10. 2016 enden sollte. Daran schloss ein weiteres Untermietverhältnis an, das nach dem zwischen den Parteien am 3. 8. 2016 und damit vor Ablauf der Frist gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit b abgeschlossenen Vertrag von 1. 10. 2016 bis zum 31. 9. 2019 befristet sein sollte.

[19] 3.2.2 Ganz allgemein lässt sich die Frage, ob eine durchsetzbare Befristung erfolgt, durch Vertragsauslegung ermitteln ( RS0090569 [T8]). Ungeachtet des Wortlauts der förmlichen Erklärung und ihres normativen Verständnisses ist auch eine formbedürftige Willenserklärung entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig ( RS0017280 ). Selbst eine Falschbezeichnung in der Urkunde schadet nicht, wenn die Parteien ein übereinstimmendes Verständnis vom Ende der Frist hatten ( 10 Ob 43/17x mwN). Für den wahren Parteiwillen muss sich in der Urkunde aber irgend ein Anhaltspunkt finden (RS0017280 [T1]).

[20] 3.2.3. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien den am 3. 8. 2016 abgeschlossenen Vertrag entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut nicht am 1. 10. sondern am 1. 11. 2016 beginnen lassen wollten, und er am 31. 10. 2019 enden sollte, liegen nicht vor. Eine derartige Auslegung des Vertrags verbietet sich daher. Hingegen ist der Umstand, dass darin (wohl irrtümlich) ein (nicht existierender) 31. 9. 2019 als Fristende angeführt ist, unschädlich.

[21] 3.2.4. Bereits in der Entscheidung zu 7 Ob 201/17k hat der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausgesprochen, dass § 29 MRG einer einverständlichen Auflösung des Mietverhältnisses nur entgegen steht, wenn der Mieter unter Druck gesetzt ist. Zwar ist ein Räumungsvergleich vor oder gleichzeitig mit dem Abschluss des Mietvertrags unwirksam. Im Übrigen ist aber die Vertragsfreiheit nicht aufgehoben und eine Einigung über die Auflösung des Mietverhältnisses sowie die Räumung während des Mietverhältnisses wirksam, auch wenn sie erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt realisiert werden soll. Die bloße Bekräftigung einer nicht durchsetzbaren Befristung reicht hiezu jedoch nicht aus ( RS0113485 ).

[22] Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass die Parteien am 19. 3. 2013 einen neuerlichen schriftlichen Mietvertrag abschlossen, der rückwirkend mit 1. 3. 2013 beginnen (zur Unschädlichkeit einer solchen Rückdatierung vgl auch 5 Ob 123/17z) und mit Ablauf des Februar 2016 enden sollte, nachdem der ursprüngliche Mietvertrag gemäß § 29 Abs 3 lit b MRG auf weitere drei Jahre (bis 31. 10. 2013) verlängert worden war. Der Oberste Gerichtshof kam zum Ergebnis, dass mit der Vereinbarung vom 19. 3. 2013 gleichzeitig das bereits bestehende (bis 31. 10. 2013 befristete) Mietverhältnis vorzeitig beendet wurde, und darin keine Umgehung der Mindestbefristungsregelungen des MRG zu erblicken sei.

4. Für den vorliegenden Fall folgt:

[23] Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben zwei aufeinanderfolgende Untermietverträge abgeschlossen, die für sich genommen jeweils eine zulässige und damit gesetzlich durchsetzbare Befristung auf drei Jahre enthielten. Anhaltspunkte dafür, dass die Partei hinsichtlich des Beginns und dem Ende der Befristung im Vertrag vom 3. 8. 2016 etwas anderes gewollte hätten, als durch den Wortlaut der Urkunde zum Ausdruck gebracht wurde, fehlen. Nach dem insoweit eindeutigen Parteiwillen sollte das nachfolgende Vertragsverhältnis mit 1. 10. 2016 und damit vor Ablauf der Befristung des ersten Untermietvertrags beginnen und bis zum 30. 9. 2019 dauern. Damit lag aber ein (stillschweigender) Konsens darüber vor, dass das zunächst mit 31. 10. 2016 befristete Untermietverhältnis vorzeitig (mit 30. 9. 2016) aufgelöst wird. Da Anhaltspunkte dafür fehlen, dass sich der Antragsteller in einer Drucksituation befunden hätte, stehen die Regeln über die Befristung der Annahme einer solchen einvernehmlichen Auflösung des zunächst abgeschlossenen Untermietverhältnisses auch nicht entgegen. Eine Umgehung der Bestimmungen über die Mindestbefristung ist damit nicht verbunden. Die Mindestfrist des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG wurde im Vertrag vom 3. 8. 2016 entgegen der Ansicht des Rekursgerichts daher auch nicht unterschritten.

5. Ergebnis:

[24] Der am 3. 8. 2016 abgeschlossene Untermietvertrag hat eine zulässige und gerichtlich durchsetzbare Befristung enthalten. Nach Ablauf des 30. 9. 2019 wurde der Untermietvertrag weder vertraglich verlängert noch aufgelöst. Nach § 29 Abs 3 lit b MRG wurde der Vertrag damit einmalig auf weitere drei Jahre verlängert. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt wurde er nicht vor dem 31. 7. 2020 aufgelöst. Das vom Antragsteller am 30. 9. 2020 vor der Schlichtungsstelle erhobene Begehren ist damit auch nicht verspätet.

[25] 6. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben. Die Antragsgegnerin hat die Höhe des zulässigen Untermietszinses und die im Sachbeschluss des Erstgerichts festgestellte Überzahlung sowie die darin enthaltene Rückzahlungsverpflichtung bereits in ihrem Rekurs nicht mehr beanstandet. Damit kann die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werden, ohne dass auf diese Punkte eingegangen werden müsste.

[26] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Der Antragsteller ist mit seinem Revisionsrekurs durchgedrungen. Es entspricht daher der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin ihm die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses ersetzt. Eine Pauschalgebühr für das Revisionsrekursverfahren wurde nicht verzeichnet.

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