JudikaturOGH

3Ob142/23p – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U* GmbH, *, vertreten durch Dr. Alexander Neurauter, Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in Wien, wegen 44.243,72 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Juni 2023, GZ 16 R 143/23a-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin leistete als Drittschuldnerin zwischen Jänner 2012 bis September 2019 der Höhe nach unstrittige Zahlungen an die Beklagte, die sie nun von ihr zurückfordert. Aufgrund einer Verwechslung mit der GmbH, die tatsächlich die Forderungsexekution betrieb, hatte die Klägerin ihre Leistungen an die – ähnlich bezeichnete – Beklagte erbracht und nach Auffallen dieses Irrtums neuerlich an die tatsächlich betreibende GmbH gezahlt.

[2] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[3] Die Klägerin habe durch die geleisteten Zahlungen ihre Verpflichtung gegenüber der tatsächlich betreibenden GmbH erfüllen wollen und irrtümlich an die Beklagte gezahlt; sie sei daher gemäß § 1431 ABGB zur Rückforderung berechtigt.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung.

[5] Die Klägerin habe irrtümlich an die Beklagte gezahlt; die Beklagte habe ihrerseits keine Forderungsexekution geführt und daher keinen Rechtsgrund für die Leistungen der Klägerin als Drittschuldnerin gehabt. Dass auch der Beklagten Forderungen gegen den Schuldner zugestanden seien, bedeute nicht, dass die Klägerin durch ihre irrtümlichen Leistungen den Schuldner von einer Verbindlichkeit befreit habe, sondern sie habe der Beklagten irrtümlich (ohne Rechtsgrund) einen Vorteil verschafft, den sie berechtigt sei zurückzufordern.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Beklagten gelingt es nicht, in ihrer außerordentlichen Revision dagegen eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

[7] 1.1 Wer irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, kann das Geleistete gemäß § 1431 ABGB zurückfordern. Der Kondiktionsanspruch setzt das Vorliegen einer rückgängig zu machenden, ungerechtfertigten Vermögensverschiebung voraus (RS0033599; RS0020192). Er steht grundsätzlich dem Leistenden gegen den Empfänger zu (RS0033599 [T1]). § 1431 ABGB setzt nur voraus, dass eine Nichtschuld irrtümlich gezahlt wurde. Ob der Zuwendende seinen Irrtum verschuldet hat, ist bedeutungslos (RS0033607 [T3]).

[8] 1.2 Die angefochtene Entscheidung steht mit dieser Rechtsprechung zu § 1431 ABGB im Einklang. Die Bezugnahme der Revisionswerberin auf die Entscheidungen 3 Ob 522/54 und 5 Ob 130/73 zeigt – entgegen ihrer Ansicht – keinen Widerspruch auf, weil den dort entschiedenen Fällen ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt. Hier erfüllte die Klägerin nicht eine fremde Schuld, nämlich die des Schuldners gegenüber der Beklagten, sondern sie zahlte nach Abgabe einer Drittschuldnererklärung an die ihr angegebene Stelle, die ihr die irrtümlich als neue Rechtsvertreterin der Betreibenden erfasste Anwältin genannt hatte; dies jedoch ausdrücklich als Drittschuldnerin der Betreibenden, was der Rechtsanwältin der (Gesamtrechtsvorgängerin der) Beklagten allerdings nicht auffiel. Um ihrer Verpflichtung als Drittschulderin nachzukommen, zahlte sie später, als die fehlenden Eingänge auf dem Konto der Betreibenden bekannt wurden, nochmals an die tatsächlich Betreibende.

[9] 1.3 Der in der Revision genannte Rechtssatz, nach dem die Rückzahlung nur wegen eines Irrtums über die Gültigkeit des Rechtstitels des Gläubigers (Einwendungen aus dem Valutaverhältnis) stattfindet (RS0033550 [T1]), steht der Rückforderung nicht entgegen: Diese Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen der Leistende eine vermeintliche Pflicht gegenüber dem Schuldner zu erfüllen meint (Irrtum im Deckungsverhältnis). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Die Klägerin erbrachte ihre Zahlungen an die Beklagte nach dem Sachverhalt in Entsprechung ihrer – in dem gegen den Schuldner von der Betreibenden (nicht von der Beklagten) geführten Forderungsexekutionsverfahren abgegebenen – Drittschuldnererklärung, wobei der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten bzw deren Vertreterin dieser Irrtum im Übrigen hätte auffallen können, weil in der Korrespondenz die tatsächlich Betreibende genannt war. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der hier eine irrtümliche Leistung an die Beklagte ohne Rechtsgrund vorliegt und § 1431 ABGB zur Anwendung kommt, ist daher nicht zu beanstanden.

[10] 2. Die Revisionswerberin meint schließlich, durch die Leistung der Klägerin sei ihr deswegen kein vermögenswerter Vorteil entstanden, weil sie nur Beträge erhalten habe, die ihren – angeblich titulierten – Forderungen gegen den Schuldner entsprochen hätten. Dabei übergeht sie allerdings die Feststellung, dass sie (im Unterschied zur Betreibenden) für ihre Ansprüche gegen den Schuldner keine Forderungsexekution bewilligt erhalten und die Klägerin ihr gegenüber (daher) nie eine Drittschuldnererklärung abgegeben hatte.

[11] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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