JudikaturOGH

3Ob90/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei Forstliche Bringungsgenossenschaft T*, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt und andere Rechtsanwälte in Linz, und ihren Nebenintervenienten Tourismusverband N*, vertreten durch Gloyer Dürnberger Mayerhofer Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 36.381,69 EUR sA und Feststellung, über die Rekurse der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. März 2023, GZ 3 R 20/23s 23, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 3. Jänner 2023, GZ 57 Cg 62/22d 18, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin kam am 8. August 2020 als Radfahrerin auf einer im Zuge der von der Beklagten errichteten Forststraße befindlichen Brücke zu Sturz und verletzte sich schwer.

[2] Die auf dieser Forststraße verlaufende und von der Klägerin am Unfalltag benützte Mountainbike Strecke wurde vom Nebenintervenienten ausgeschildert. Dem lag eine – nach wie vor aufrechte – Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Nebenintervenienten zugrunde, die insbesondere folgenden Inhalt hat:

Präambel

Aus Fremdenverkehrszwecken werden in verstärktem Maße auch die Bereiche der Außenwege für Radfahrzwecke genutzt. Um diese Nutzung auch auf eine rechtliche und beiderseitige einvernehmliche Basis zu stellen, soll dieses Übereinkommen abgeschlossen werden. […]

IV. 1. Dem [Nebenintervenienten] obliegt auf eigene Kosten und im Einvernehmen mit dem Straßenerhalter und den Grundeigentümern die Aufstellung, Erhaltung bzw Erneuerung sowohl der Tafeln am Beginn und am Ende der freigegebenen Wege und Straßen als auch der Markierungstafeln bei allen einmündenden Seitenstraßen und Tafeln vor allfälligen Gefahrenstellen. Am Beginn und am Ende der Straße sind somit Fahrverbotstafeln gemäß der StVO sowie der forstlichen Kennzeichnungsverordnung mit folgendem Zusatz aufzustellen: „Ausgenommen Radfahrer gemäß Übereinkommen mit dem [Beklagten] in den Monaten Mai bis Oktober in der Zeit von 2 Stunden nach Sonnenaufgang bis 1 Stunde vor Sonnenuntergang auf eigene Gefahr.“ […]

3. Die sich aus der Benützung der Weganlage durch Radfahrer ergebende Haftung des Wegehalters und des jeweiligen Grundeigentümers der angrenzenden Flächen wird zur Gänze vom [Nebenintervenienten] übernommen. Der [Nebenintervenient] wird auf seine Kosten sogleich nach Vertragsabschluss für den zum Befahren freigegebenen Weg eine Wegehaftpflichtversicherung, ferner eine Betriebshaftpflichtversicherung für die an den freigegebenen Weg angrenzenden Waldflächen, aus denen eine Gefährdung für den Radfahrer entstehen kann, abschließen. Darüber hinaus schließt der [Nebenintervenient] eine Rechtsschutzversicherung zugunsten des Straßenerhalters ab.

4. Der [Nebenintervenient] übernimmt gegenüber den fahrberechtigten Radfahrern die Funktion eines Halters im Sinne des § 1319a ABGB und ist verpflichtet, die Straße, jedoch nur für Radfahrzwecke, im Sinne dieser Bestimmungen in Stand zu setzen und in Stand zu halten. Er wird die Wegbenützungsberechtigten und deren Dienstnehmer in Ausübung des Dienstes gegen alle Ansprüche der Radfahrer und Dritter im Zusammenhang mit dem Radfahren schadlos halten. [...]

5. Der Straßenerhalter und die jeweiligen Waldeigentümer und ihre Bediensteten haften, soweit sie die ihnen obliegende Sorgfaltspflicht als Wegehalter im Sinne zivil-, forst und straßenverkehrsrechtlicher Bestimmungen nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt haben, nicht für die gefahrlose Beschaffenheit und für die stete Benutzbarkeit der zur Benützung mit Fahrrädern überlassenen Weganlagen und Forststraßen. […]

9. Die Wege und Straßen werden vom Straßenerhalter und den jeweiligen Grundeigentümern nur insoweit erhalten, als dies für betriebliche Zwecke erforderlich ist. Der Straßenerhalter und die jeweiligen Grundeigentümer gestatten ferner die Erhaltung der Straßen für Radfahrzwecke durch den [Nebenintervenienten].

[3] Entsprechend dieser Vereinbarung ist am Beginn der Forststraße eine Hinweistafel mit den Benützungsbedingungen für die Mountainbike Strecke angebracht. Die Instandhaltungsarbeiten, die notwendig sind, damit die Mountainbike Strecke mit Fahrrädern befahren werden kann, führt der Nebenintervenient durch. Dieser ist auch für Absicherungen für Radfahrer zuständig. Die Instandhaltung für die landwirtschaftliche Nutzung nimmt die Beklagte vor.

[4] Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Wegehalterin Schadenersatz sowie die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen Schäden aus dem Unfall.

[5] Die Beklagte wendet insbesondere mangelnde Passivlegitimation ein. Sie sei zwar grundsätzlich Halterin des Weges bzw der Brücke, von der die Klägerin gestürzt sei, allerdings habe der Nebenintervenient die Haftung für Radunfälle übernommen. Nur unter dieser Voraussetzung sei der Weg überhaupt für Radfahrer freigegeben worden. Aufgrund dieser Vereinbarung treffe auch den Nebenintervenienten die Pflicht, den Weg für Radfahrer in Stand zu halten.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Nebenintervenient habe die Verantwortung als Wegehalter für den verkehrssicheren Zustand der Forststraße als Mountainbike Strecke vertraglich von der Beklagten übernommen. Wegehalter sei daher der Nebenintervenient; die Beklagte sei auch nicht Mithalterin.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Beklagte habe die Forststraße errichtet und sei damit jedenfalls Wegehalterin geworden. Durch die vertragliche Übernahme der Instandhaltung, wie sie hier in Bezug auf die Nutzung durch Radfahrer erfolgt sei, sei der Nebenintervenient Mithalter geworden. Im Außenverhältnis hafteten die Beklagte und der Nebenintervenient daher zur ungeteilten Hand. Die in der Vereinbarung vereinbarte Haftungsübernahme betreffe nur das Innenverhältnis. Die Mithaltereigenschaft der Beklagten und des Nebenintervenienten ergebe sich auch daraus, dass beide die Verfügungsmacht hätten, Instandhaltungsarbeiten durchzuführen, wobei die Instandhaltungspflichten hinsichtlich der Radfahrer und bezüglich der landwirtschaftlichen Nutzung nicht klar abgrenzbar seien.

[8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei partieller Übertragung der Wegehalterpflichten dennoch Mithaltereigenschaft bestehe.

[9] Mit ihren Rekursen streben die Beklagte und der Nebenintervenient jeweils die Wiederherstellung des Ersturteils an.

[10] Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung , die Rekurse zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Rekurse sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig , aber nicht berechtigt .

[12] 1. Halter eines Weges ist derjenige, der die Kosten für die Errichtung und bzw oder Erhaltung des Weges trägt sowie die Verfügungsmacht hat, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Dieser Begriff des Halters ist also grundsätzlich derselbe wie der in § 5 EKHG. Mithalter haften zur ungeteilten Hand (2 Ob 16/21y mwN). Die Mithaltereigenschaft wird jedenfalls durch die vertragliche Übernahme der Instandhaltung begründet (vgl RS0030011 [T5, T8]). Die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB gilt insbesondere auch für Mountainbike Strecken (4 Ob 211/11z mwN).

[13] 2. Die Beklagte wurde infolge Errichtung der Forststraße zweifellos zu deren Halterin. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, hat sie ihre Haltereigenschaft auch nicht durch die Vereinbarung mit dem Nebenintervenienten verloren. Vielmehr wurde dieser damit (bloß) Mithalter (vgl auch 3 Ob 132/13b). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte selbst weiterhin auch für die Instandhaltung der Forststraße – wenn auch nur in jenem Ausmaß, das für die landwirtschaftliche Nutzung erforderlich ist – verantwortlich ist und dieser Verpflichtung nach den Feststellungen auch nachkommt. Dass die Unfallursache ausschließlich im vertraglichen Verantwortungsbereich des Nebenintervenienten gelegen wäre, lässt sich dem Prozessvorbringen nicht entnehmen.

[14] 3. Dem Berufungsgericht ist dahin zuzustimmen, dass sich – wie sich entgegen der Ansicht der Rekurswerber aus den Feststellungen des Erstgerichts eindeutig ergibt – die Instandhaltungspflichten der Beklagten und des Nebenintervenienten zwangsläufig überschneiden, weil die für die Nutzung als Mountainbike Strecke erforderliche Instandhaltung zwar grundsätzlich über die für die landwirtschaftliche Nutzung nötige hinausgeht, Letztere aber wiederum die Basis für die (darauf aufbauende) Nutzung durch Radfahrer ist. Damit kann aber keine Rede davon sein, dass der Nebenintervenient nunmehr alleiniger Halter der (auf der Forststraße eingerichteten) Mountainbike Strecke wäre.

[15] 4. Die Beklagte argumentiert zwar zunächst auch damit, dass durch eine Übernahme der Wegehaltereigenschaft kein Haftungsdefizit für potenziell Geschädigte entstehe, führt dann allerdings aus, die bloße (vertraglich vereinbarte) Regressmöglichkeit könnte allenfalls – etwa im Fall einer Insolvenz oder mangelnder versicherungsrechtlicher Absicherung des Nebenintervenienten – nicht ausreichen, um sie selbst im Haftungsfall abzusichern. Dem ist zu erwidern, dass sie es – anders als ein den Weg nutzender Radfahrer – in der Hand hatte, sich den (Mit )Halter der Mountainbike Strecke auszusuchen.

[16] 5. Die Rekurse müssen daher erfolglos bleiben.

[17] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO, haben die Rekurse doch zur Klarstellung der Rechtslage beigetragen (vgl RS0036035).

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