3Ob78/23a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei E*, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Urteil und den in dieses aufgenommenen Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. Februar 2023, GZ 48 R 265/21g 140, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 30. September 2021, GZ 35 C 13/14k 132, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Dem Rekurs und der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisions und Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
II. Die am 27. März 2023 (nochmals) eingebrachte Rekursbeantwortung ON 146 und die Urkundenvorlage des Beklagten vom 24. Juli 2023 werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Streitteile wohnten nach ihrer Eheschließung im Jahr 1993 überwiegend in London; die Klägerin lebt nach wie vor in der ehemaligen Ehewohnung (einem 700 m² großen Haus), während der Beklagte in Österreich lebt.
[2] Der Beklagte gründete im Jahr 1998 einen erfolgreichen Hedgefonds und hatte bereits 2006 und 2007 ein Vermögen von zumindest 40 Mio USD angehäuft. Die Parteien pflegten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft einen entsprechend aufwändigen Lebensstil; das Einkommen des Beklagten versetzte ihn beispielsweise in die Lage, im Jahr 2010 über 7 Mio EUR für private Zwecke aufzuwenden, wobei er dabei nicht über seine Verhältnisse lebte und Geld nur sehr kontrolliert ausgab. Die Klägerin partizipierte vom Einkommen des Beklagten, ohne selbst eines zu beziehen; ihr stand ein Konto zur Verfügung, auf das der Beklagte vierteljährlich rund 64.000 EUR überwies. Dazu kamen noch 1.700 EUR monatlich. Weiters hatte die Klägerin Kreditkarten mit einem monatlichen Limit von 75.000 EUR. Die zahlreichen während der Ehe erworbenen Vermögenswerte (unter anderem diverse luxuriöse Liegenschaften) stehen ganz überwiegend im Eigentum des Beklagten bzw ihm wirtschaftlich zugehöriger Gesellschaften (trusts).
[3] Im Jahr 2011 brachte der Beklagte beim Erstgericht eine Scheidungsklage ein; seit Dezember 2020 ist die Ehe der Streitteile rechtskräftig geschieden.
[4] Der Beklagte erbrachte ab Jänner 2012 folgende Unterhaltsleistungen an die Klägerin: Von Jänner 2012 bis Dezember 2015 monatlich 24.600 EUR (insgesamt 1.180.800 EUR), im März 2016 22.708 EUR, von April 2016 bis September 2020 monatlich 27.075 EUR (insgesamt 1.462.050 EUR) und zusätzlich – aufgrund einer letztlich aufgehobenen einstweiligen Verfügung vom 27. Mai 2019 [dazu siehe unten] – weitere 1.134.800 EUR.
[5] Mit ihrer am 27. November 2014 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin Unterhalt für die Zeit ab Einleitung des Scheidungsverfahrens (nach dem hier anzuwendenden englischem Recht „maintenance pending suit“ = MPS), und zwar für den Zeitraum Jänner 2012 bis November 2014 insgesamt 4.445.000 EUR (127.000 EUR monatlich) und ab 1. Dezember 2014 150.000 EUR monatlich.
[6] Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch ihm gegenüber aufgrund bestimmter, im Einzelnen dargelegter Vorkommnisse verwirkt. Die von ihm erbrachten Leistungen reichten jedenfalls aus. So müsse sich die Klägerin insbesondere fiktive Mietkosten für die Nutzung des Hauses in London in Höhe von rund 67.500 EUR monatlich anrechnen lassen. Darüber hinaus nutze sie auch eine Villa in Südfrankreich allein. Weiters habe sie während aufrechter Ehe zu viel Geld ausgegeben, was auch Gegenstand von Diskussionen gewesen sei. Die auf ihren Kreditkarten eingeräumten Rahmen (75.000 EUR monatlich) hätten nicht den monatlich zur Verfügung stehenden Betrag bedeutet, sondern seien für Notfälle eingerichtet gewesen.
[7] Mit im Rahmen des Unterhaltsverfahrens beantragter einstweiliger Verfügung vom 1. Jänner 2017 wurde der Klägerin vom Erstgericht antragsgemäß ein vorläufiger Unterhalt gemäß § 382 Abs 2 Z 8 lit a EO in Höhe von 27.075 EUR monatlich beginnend mit 1. März 2016 zugesprochen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung – mit Ausnahme einer Reduktion des einstweiligen Unterhalts für den Monat März 2016 auf 22.708 EUR, weil ein einstweiliger Unterhalt nicht für die Vergangenheit bestimmt sei – (auch) im zweiten Rechtsgang. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten zu 3 Ob 45/18s nicht Folge.
[8] In der Folge erhöhte das Erstgericht auf Antrag der Klägerin mit einstweiliger Verfügung vom 27. Mai 2019 den einstweiligen Unterhalt beginnend mit 1. November 2018 auf 98.000 EUR monatlich. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof wies den Erhöhungsantrag hingegen mit Beschluss vom 22. Jänner 2020 zu 3 Ob 187/19z (zugestellt am 17. Februar 2020) mangels wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach Erlassung der einstweiligen Verfügung vom 1. Jänner 2017 ab.
[9] Mit seiner Widerklage begehrt der Beklagte die Rückzahlung von 1.134.800 EUR sA aus dem Titel der Bereicherung. Er habe diesen Betrag aufgrund der sofort vollstreckbaren einstweiligen Verfügung des Erstgerichts vom 27. Mai 2019 zwischen 29. Mai 2019 und 31. Jänner 2020 (bis zur Entscheidung 3 Ob 187/19z) geleistet.
[10] Die Klägerin wendete dagegen ein, ihr stehe ein wesentlich höherer Unterhaltsanspruch als der vom Beklagten aufgrund der genannten einstweiligen Verfügung geleistete zu. Überdies habe sie den mittels einstweiliger Verfügung zugesprochenen Unterhalt gutgläubig verbraucht, zumal die erhöhte Summe auch von der zweiten Instanz bestätigt worden sei.
[11] Das Erstgericht verpflichtete den Kläger einerseits zur Zahlung eines rückständigen Unterhaltsbeitrags von 75.400 EUR monatlich für den Zeitraum Jänner 2012 bis November 2014 (insgesamt daher 2.639.000 EUR), während es das Mehrbegehren von 1.806.000 EUR an Unterhaltsrückstand für „1.12.“ (gemeint: 1. 1.) 2012 bis November 2014 (= 51.600 EUR monatlich) abwies. Weiters sprach es der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 100.000 EUR „abzüglich geleisteter Zahlungen“ für den Zeitraum Dezember 2014 bis einschließlich Dezember 2020 zu; das Mehrbegehren auf Leistung eines weiteren Unterhaltsbeitrags von 50.000 EUR monatlich für diesen Zeitraum wies es (erkennbar) ab, ebenso (ausdrücklich) das gesamte Unterhaltsbegehren (150.000 EUR monatlich) für den Zeitraum ab 1. Jänner 2021. Auch das Widerklagebegehren wies es zur Gänze ab.
[12] Im vorliegenden Fall sei gemäß Art 3 Abs 1 HUP 2007 englisches Unterhaltsrecht anzuwenden, weil der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens unstrittig in London gelegen sei. Wie bereits der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 45/18s ausgesprochen habe, kenne das englische Recht keine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs im Sinn seiner gänzlichen Vernichtung als Konsequenz schuldhaften Fehlverhaltens des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Unterhalt während der Prozessdauer (MPS) sei nach § 22 MCA 1973 mit dem Betrag zu bemessen, der dem Richter im Einzelfall angemessen erscheine. In der Entscheidungspraxis englischer Gerichte sei unangebrachtes Verhalten der Ehegatten, ausgenommen extreme Ausnahmefälle, irrelevant für das Ergebnis einer solchen Unterhaltsbemessung. Von einem solchen extremen Ausnahmefall könne hier keine Rede sein. Die Klägerin habe daher dem Grunde nach einen Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe. Im Sinn der im englischen Recht sehr stark betonten Fairness sei eine angemessene Alimentierung der Klägerin zumindest für die Zeit der aufrechten Ehe jedenfalls geboten. Der Beklagte habe das Vorbringen der Klägerin zur Höhe seines Einkommens und damit zur Bemessungsgrundlage sowie den von ihr begehrten Unterhaltsbeitrag von 150.000 EUR nicht substanziiert bestritten. Die Klägerin sei mangels Einkommens und sonstiger liquider Mittel auf Zahlungen des Beklagten angewiesen. Insgesamt erscheine ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 100.000 EUR angemessen im Sinn eines fairen Beitrags. Gemäß § 22 MCA sei MPS für einen Zeitraum zu leisten, der frühestens mit der Einbringung des Antrags auf Ehescheidung beginne und spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfahrens, dh bis zur Fällung des endgültigen Scheidungsurteils, liege, je nach Gutdünken des Gerichts. Hier falle die Zustellung der Scheidungsklage mit der Einschränkung der finanziellen Leistungen zusammen. So begehre die Klägerin Unterhalt für die Zeit ab 1. Jänner 2012, das sei jener Zeitpunkt, ab dem der Beklagte seine Zahlungen eingeschränkt habe. Damit sei die von der Klägerin begehrte Unterhaltsleistung ab 1. Dezember 2012 auch durch das englische Recht gedeckt. Da die Scheidung im Dezember 2020 endgültig geworden sei, ende mit 31. Dezember 2020 auch die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten. Vom geschuldeten Unterhalt seien die bereits erbrachten Geldleistungen abzuziehen.
[13] Da die Klägerin im Hauptverfahren in einem Umfang obsiegt habe, der über die mittels Widerklage geltend gemachte Gegenforderung hinausgehe, sei sie zur Rückzahlung der aufgrund der letztlich aufgehobenen einstweiligen Verfügung vom 27. Mai 2019 geleisteten Beträge nicht verpflichtet, sodass das Widerklagebegehren abzuweisen sei.
[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen den abweisenden Teil dieses Urteils nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung des Beklagten teilweise dahin Folge, dass es dem Widerklagebegehren im Umfang von 1.063.875 EUR sA stattgab, während es das Mehrbegehren von 70.925 EUR sA abwies; die ordentliche Revision ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Weiters wies es mit in das Berufungsurteil aufgenommenem Beschluss die Klage auf Leistung eines rückständigen Unterhalts von monatlich 75.400 EUR für den Zeitraum Jänner 2012 bis einschließlich November 2014 und von 100.000 EUR seit 1. Dezember 2014 zurück.
[15] Nach dem hier anzuwendenden englischen Unterhaltsrecht könne jede Partei nach Einbringung des Scheidungsantrags und vor Verkündung des endgültigen Scheidungsurteils, also während des „laufenden Verfahrens“, einen Antrag auf Unterhalt während laufenden Verfahrens (MPS) stellen. Dieser Unterhalt solle gewährleisten, dass der Antragsteller während des laufenden Verfahrens einen angemessen Unterhalt erhalte, der sich am bisherigen ehelichen Lebensstandard orientiere. Während in Großbritannien im Hauptverfahren Gerichtsverhandlungen mit Aussagen der Parteien sowie Zeugen mit Kreuzverhör üblich seien, komme es im Rahmen von MPS Verfahren fast nie zu mündlichen Einvernahmen, weil diese viel Zeit in Anspruch nehmen. Eine Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von MPS beruhe daher oft nicht auf Tatsachenfeststellungen über strittige Behauptungen. Die Klägerin habe den Anspruch auf MPS mit ihrem Antrag vom 6. März 2016 auf Zuerkennung eines vorläufigen Unterhalts von 27.075 EUR monatlich ab 1. März 2016 geltend gemacht. Dieser sei ihr auch mit einstweiliger Verfügung vom 1. Jänner 2017 zuerkannt worden. Mit ihrer Unterhaltsklage habe die Klägerin ebenfalls MPS begehrt. Über diesen Anspruch sei jedoch – in Anbetracht des nach englischem Recht kursorischen Verfahrens zu Recht – bereits im Rahmen der einstweiligen Verfügung vom 1. Jänner 2017 rechtskräftig abgesprochen worden. Da derselbe Anspruch zwischen denselben Parteien nicht mehr zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht werden könne, sei die Klage zurückzuweisen. Ob der Klägerin allenfalls ein sonstiger Anspruch auf Ehegattenunterhalt nach englischem Recht zustehe, sei hier nicht zu prüfen, weil sie ausdrücklich MPS begehrt habe.
[16] Die Widerklage sei hingegen größtenteils berechtigt, weil sich die Klägerin ab Zustellung des Rekurses des Beklagten gegen die einstweilige Verfügung vom 27. Mai 2019 am 12. Juni 2019 nicht mehr auf einen gutgläubigen Verbrauch des zu viel erhaltenen Unterhalts berufen könne. Von den 1.134.800 EUR, die die Klägerin unstrittig aufgrund der genannten einstweiligen Verfügung erhalten habe, sei lediglich ein Betrag von 70.925 EUR vor dem 12. Juni 2019 an sie gezahlt und damit von ihr gutgläubig verbraucht worden; den Differenzbetrag von 1.063.875 EUR habe sie hingegen zurückzuzahlen.
[17] Gegen diese Entscheidung richten sich einerseits die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie die gänzliche Abweisung der Widerklage anstrebt, und andererseits ihr Rekurs , mit dem sie die Wiederherstellung des Ersturteils „mit der Maßgabe“ anstrebt, dass ihr der laufende Unterhalt von 100.000 EUR monatlich (nicht nur bis Ende Dezember 2020, sondern) bis zur rechtskräftigen Erledigung des Aufteilungsverfahrens zugesprochen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag (primär an das Berufungs , hilfsweise an das Erstgericht).
[18] Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung , dem Rekurs nicht Folge zu geben. In der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung stellt er den Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[19] Der Beklagte hat seine Rekursbeantwortung offenbar versehentlich doppelt eingebracht (ON 145 und ON 146); die zweite (inhaltlich idente) Rekursbeantwortung ist wegen der Einmaligkeit des Rechtsmittels (der Rechtsmittelbeantwortung) zurückzuweisen. Gleiches gilt für die vom Beklagten erst nach Einbringung seiner Revisionsbeantwortung übermittelte Urkundenvorlage vom 24. Juli 2023.
Rechtliche Beurteilung
[20] Die Rechtsmittel der Klägerin sind zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt .
A. Zum Rekurs
[21] A.1. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache eine Zurückweisung der Klage, soweit damit rückständiger Unterhalt für den von der (ersten) einstweiligen Verfügung vom 1. Jänner 2017 noch gar nicht erfassten Zeitraum (also Jänner 2012 bis Ende Februar 2016) begehrt wird, von vornherein nicht tragen kann.
[22] A.2. Aber auch für den daran anschließenden Zeitraum liegt das vom Berufungsgericht bejahte Prozesshindernis in Wahrheit nicht vor.
[23] A.2.1. In welcher Form bzw aufgrund welchen Verfahrens in England MPS zugesprochen wird, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Relevanz, weil hier zwar (mittlerweile unstrittig) materielles englisches Unterhaltsrecht anzuwenden ist, auf das Verfahren hingegen die österreichischen Prozessvorschriften anzuwenden sind (RS0076618).
[24] A.2.2. Auch wenn es sich bei einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO um eine sogenannte „Regelungsverfügung“ handelt, mit der (einstweiliger) Unterhalt zugesprochen, also ein Titel geschaffen und nicht nur der Unterhaltsanspruch gesichert wird, ist doch eine Rechtfertigungsklage erforderlich (vgl Sailer in Deixler Hübner § 382 EO Rz 24). Diese ist hier in der (Jahre vor dem Provisorialantrag eingebrachten) Unterhaltsklage zu sehen. Die Stattgebung des Provisorialantrags kann aber keinesfalls das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache gegenüber der Rechtfertigungsklage begründen, weil die Voraussetzungen beider Entscheidungen ebenso wie ihre Wirkungsdauer verschieden sind (vgl E. Kodek in Angst/Oberhammer 3 § 382 EO Rz 48).
[25] A.2.3. Dass die Klägerin mit ihrem (ersten) Provisorialantrag einen deutlich niedrigeren einstweiligen Unterhalt als den zuvor eingeklagten begehrt hat, kann nicht dazu führen, dass die Unterhaltsklage im darüber hinausgehenden Umfang unberechtigt (oder gar unzulässig) wäre. Auch wenn nach ständiger Rechtsprechung Gegenstand einer Provisorialmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO der einstweilige angemessene und nicht bloß der notwendige Unterhalt ist und die materiell rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs im Haupt und im Provisorialverfahren gleich sind (vgl 1 Ob 235/11g mwN), stand es der Klägerin frei, sich mit einem geringeren einstweiligen Unterhalt als dem von ihr eingeklagten zu begnügen, ohne dass darin ein Verzicht auf den darüber hinausgehenden eingeklagten Anspruch zu erblicken wäre. Im Übrigen hat sie in ihrem ersten Provisorialantrag auch – in Einklang mit ihrem Klagevorbringen – ausdrücklich behauptet, dass ihr ein monatlicher Unterhalt von 150.000 EUR zustehe.
[26] A.2.4. Die von der Klägerin primär angestrebte Wiederherstellung des Ersturteils (im Umfang der Klagezurückweisung) kommt nicht in Betracht; gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO ist dies nämlich nur im Fall des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss möglich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher im Umfang der Klagezurückweisung aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen; insbesondere wird auch die bisher unerledigte Beweisrüge zu behandeln sein.
[27] A.2.5. Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, dass der durch das Erstgericht erfolgte Zuspruch von rückständigem Unterhalt „abzüglich geleisteter Zahlungen“, die trotz dazu getroffener Feststellungen im Spruch nicht beziffert wurden, nicht ausreichend bestimmt ist (vgl RS0000588).
B. Zur Revision
[28] B.1. Dass der zweite Provisorialantrag letztlich mangels Behauptung und Bescheinigung einer gegenüber dem ersten Provisorialantrag geänderten Tatsachengrundlage abgewiesen wurde, hat nicht zwingend zur Folge, dass die Klägerin den vom Beklagten aufgrund der zweiten einstweiligen Verfügung geleisteten erhöhten einstweiligen Unterhalt (mangels gutgläubigen Verbrauchs) zurückzuzahlen hätte. Wie bereits oben zu A.2.3. ausgeführt, führt der Umstand, dass die Klägerin ursprünglich einen deutlich niedrigeren einstweiligen Unterhalt als den zuvor eingeklagten begehrt hat, nicht dazu, dass die Unterhaltsklage im darüber hinausgehenden Umfang unberechtigt oder unzulässig wäre.
[29] B.2. Sofern der Klägerin also – im Sinn des Ersturteils – für den Zeitraum, in dem der Beklagte den aufgrund der zweiten einstweiligen Verfügung erhöhten, jetzt zurückgeforderten Unterhalt gezahlt hat (Mai 2019 bis Jänner 2020), ohnehin ein höherer als der vorläufig zugesprochene Unterhalt zustand, käme eine Stattgebung des Widerklagebegehrens keinesfalls in Betracht, und zwar ohne dass es auf den (vom Berufungsgericht verneinten) gutgläubigen Verbrauch des Unterhalts durch die Klägerin ankäme.
[30] B.3. Da vor inhaltlicher Behandlung des Rechtsmittels der Beklagten gegen den Unterhaltszuspruch nicht abschließend über das Widerklagebegehren abgesprochen werden kann, erweist sich auch insofern eine Aufhebung des Berufungsurteils unter Zurückweisung in die zweite Instanz als unumgänglich.
[31] C. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.