11Os85/23v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3, 3a Z 3, Abs 4 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 15. Juni 2023, GZ 34 Hv 29/23x-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3, 3a Z 3, Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er von Jänner 2016 bis 10. November 2021 in F* gegen seine Ehe frau G* länger als ein Jahr hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt und dadurch eine umfassende Kontrolle ihres Verhaltens hergestellt und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkt, wobei er wiederholt [auch] Straftaten gegen deren sexuelle Selbstbestimmung und Integrität beging, indem er
G * drei- bis viermal im Monat teils am Körper misshandelte und ihr Ohrfeigen versetzte, sie an den Haaren packte und Gegenstände auf sie warf, teils vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihr einen Schnitt mit einem Messer am rechten Oberschenkel zufügte und sie am rechten Handgelenk erfasste, dieses zudrückte und verdrehte, wodurch sie eine Zerrung erlitt, einen schweren Glasgegenstand auf sie warf, wodurch sie eine Schnittwunde am linken Oberarm erlitt, ihr mehrfach Tritte gegen die Leistengegend und Faustschläge versetzte, wodurch diese Hämatome und Rötungen erlitt;
sie widerrechtlich gefangen hielt, indem er sie teils stundenlang, während er selbst zur Arbeit ging, in der gemeinsamen Wohnung einsperrte;
sie durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Handlungen, die teils besonders wichtige Interessen der G * verletzten, dazu nötigte, ihm treu zu sein, indem er ihr gegenüber äußerte, dass, falls sie ihn betrüge, er sie umbringen werde, und zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Ehe, indem er sie mit einem Messer bedrohte, als sie ihm mitteilte, dass sie sich scheiden lassen wolle;
mit ihr zumindest zehnmal gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;
sie am 10. November 2021 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs nötigte, indem er sie mit der Hand fest im Nacken packte, ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte, sie an beiden Händen festhielt, sie auf das Bett drückte, ihr den Slip herunterriss und mit ihr sodann den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog, wodurch sie Abschürfungen im Gesichts- und Halsbereich erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Soweit es ihr nicht (als Aufklärungsrüge) um den Verfahrensaspekt unterlassener Beweisaufnahme geht (RIS Justiz RS0117749, RS0117516), ist eine Tatsachenrüge (Z 5a) nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung darlegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS Justiz RS011744 6 , RS0117749, RS0118780). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird durch sie nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).
[5] Diesen Voraussetzungen entspricht die Tatsachenrüge, die lapidar auf das geänderte Aussageverhalten des Opfers hinweist und dabei die ausführlichen Erwägungen des Erstgerichts hiezu (US 8 bis 15) gänzlich ausblendet, nicht und verfehlt demnach die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
[6] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[7] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.