11Os76/23w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 30. März 2023, GZ 33 Hv 2/23h 74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * H* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 29. Juli 2022 in I* * S* vorsätzlich zu töten versucht, indem er mehrmals mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 22 cm auf ihren Oberkörper einstach, wodurch die Genannte eine etwa 3 cm lange Stichverletzung über dem linken Schulterblatt, eine etwa 3,5 cm lange Stichverletzung am Übergang des linken Oberschenkels zum Gesäß sowie Schnittverletzungen am linken Ringfinger, am linken Ellenhaken bzw Ellbogen und am linken Handgelenk erlitt.
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 3 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) kritisiert die gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers (ON 72 S 33) erfolgte Verlesung des vom Polizeibeamten E* angefertigten Aktenvermerks (ua) über die formlose Befragung des Angeklagten nach der Festnahme (ON 29.21) sowie des Protokolls der zeugenschaftlichen Vernehmung dieses Beamten vor der Polizei, soweit er Angaben zum Inhalt dieser Befragung tätigte (ON 44.4).
[5] Die R üge stellt bloß den vom Erstgericht seiner Verfügung zugrunde gelegten Sachverhalt, wonach der Angeklagte bereits vor der formlosen Befragung durch E* – nämlich bei seiner Festnahme (vgl insb ON 44.3 S 4; zu deren Verlesung in der Hauptverhandlung: ON 72 S 33) – „gesetzeskonform“ belehrt worden war (neuerlich ON 72 S 33; vgl auch ON 72 S 26, S 28), anhand eigener Beweiswerterwägungen in Frage und ist dergestalt nicht prozessordnungskonform ausgeführt, weil sie nicht aufzuzeigen vermag, dass die kritisierte Verfügung angesichts der tatsächlichen Lage im Verfügungszeitpunkt – nach der Behauptung der Beschwerde im Sinn eines Verstoßes gegen das Umgehungsverbot des § 152 Abs 1 StPO – rechtlich verfehlt gewesen wäre (RIS Justiz RS0118977; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 46, 49 f mwN, 52).
[6] Im Übrigen wäre eine Erkundigung nur nichtig, wenn das Unterbleiben der gebotenen förmlichen Information (durch Vernehmung) als Umgehung zu werten ist. Dies ist dann der Fall, wenn der als Beschuldigter (§ 48 Abs 2 StPO) in Betracht kommende Befragte über seine Stellung und die damit verbundenen Rechte (§ 151 Abs 1 Z 2 StPO) im Unklaren gelassen wurde (vgl RIS Justiz RS0129599 [T3]).
[7] Ob eine „Erkundigung [zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt,] nötig “ war, ist – der Beschwerde zuwider – unter dem Aspekt des Umgehungsverbots des § 152 Abs 1 StPO unbeachtlich.
[8] Zur aus Z 3 gerügten Verlesung des Protokolls der Aussage des Polizeibeamten E* (ON 44.4) ist darüber hinaus anzumerken, dass diese im Zeitpunkt des Widerspruchs gegen die Verlesung des angesprochenen Inhalts durch die vorangehende, in der Hauptverhandlung erfolgte Berufung dieses Zeugen auf jene Aussage (ON 72 S 25) bereits Eingang in das Hauptverfahren gefunden hatte.
[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.