JudikaturOGH

11Os72/23g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 24. April 2023, GZ 25 Hv 11/23y-40, weiters über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (1), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (3) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant und verkürzt wiedergegeben – in der Nacht zum 16. Oktober 2022 in T* D*

1) mit Gewalt, indem er sie grob an den Oberarmen packte und schüttelte, sie ins Schlafzimmer zerrte, aufs Bett warf, sich auf ihre Oberschenkel setzte, sie an den Handgelenken und am Hals festhielt, sich auf sie legte und ihr im Gesicht, an den Armen und am Halsbereich Bisse zufügte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich dem gleichzeitigen und tiefen Einführen mehrerer Finger in ihre Vagina, sowie des Beischlafs genötigt, wobei die Tat neben multiplen Blutergüssen an beiden Armen, im Gesicht sowie im Halsbereich und über die eigentliche Gewalteinwirkung hinausgehende Schmerzen im Vaginalbereich auch eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine länger als 24 Tage andauernde, behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung und Depression, zur Folge hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Inhaltlich ausschließlich gegen die Unterstellung der Tat zu 1 unter die Qualifikation nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Dem Einwand der – zudem nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 13 f; RIS-Justiz RS0119370) orientierten – Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht die Feststellungen, wonach bei D* durch das zu 1 inkriminierte Geschehen eine bereits behandelte Depression akut wurde und die Genannte (ua) eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD F43.1), verbunden mit einer psychischen Gesundheitsschädigung bis zum 27. März 2023, erlitt, welche auch bis zu diesem Zeitpunkt ärztlich behandelt wurde (US 5), mängelfrei auf die Schilderungen des Opfers sowie die vorliegenden ärztlichen Bestätigungen gestützt (US 13). Die Beschwerde, die insofern eine „Scheinbegründung“ , eine „willkürliche Annahme“ bzw eine „unstatthafte Vermutung zu Lasten des Angeklagten“ (Z 5 vierter Fall) reklamiert, spricht kein Begründungsdefizit im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes an, sondern übt lediglich Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (siehe dazu RIS-Justiz RS0119422 [T2 und T4], RS0106588, RS0099419).

[5] Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt ebenfalls die prozessordnungsgemäße Darstellung, indem sie unter Missachtung der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen (US 5 bis 7, 13 f; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 487) behauptet, man könne aufgrund der vorliegenden „oberflächlichen Krankmeldungen und Arztbriefe“ (gemeint: der ärztlichen Bestätigungen Dris S* vom 25. November 2022 [ON 13.6], vom 9. Jänner 2023 [ON 13.5] und vom 13. März 2023 [in Beilage ./I] sowie Dris. H* vom 27. März 2023 [ebenfalls in Beilage ./I]) „vernünftigerweise“ „nicht der Ansicht sein, dass eine mehr als 24 Tage andauernde Belastungsstörung vorliegt und der Angeklagte hiefür verantwortlich ist“. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vermag sie damit jedenfalls nicht zu wecken (zum Anfechtungsgegenstand vgl RIS Justiz RS0119583, RS0118780).

[6] Die Aufklärungsrüge (Z 5a) kritisiert das Unterbleiben der amtswegigen Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen, räumt aber selbst ein, dass das Opfer im Ermittlungsverfahren ergänzende Untersuchungen abgelehnt hätte (vgl ON 2.2, 4). Weshalb dies zwar den Beschwerdeführer an einer ihm zweckmäßig erscheinenden Antragstellung gehindert hätte, andererseits aber die Staatsanwaltschaft und das Gericht unter derselben Prämisse gehalten gewesen wären, eine Begutachtung des (hiezu nicht bereiten – vgl RIS Justiz RS0097584) Opfers durch einen psychiatrischen Sachverständigen in Auftrag zu geben, erklärt die Beschwerde nicht.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise