11Os67/23x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 2. Februar 2023, GZ 40 Hv 91/22i-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * G* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I), „des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 und 3 WaffG“ (II und III – vgl jedoch RIS Justiz RS0129796), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (IV) und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15 Abs 1, § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – am 12. Juli 2022 in S* seinen Bruder R* mit einem Schuss aus einer Faustfeuerwaffe der Kategorie B mit dem Kaliber 6,35 mm Browning in den Bauch zu töten versucht, wodurch R* eine an sich leichte, mit mehr als 14-tägiger Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit verbundene Schussverletzung am Bauch mit Eröffnung der Oberhaut und geringfügig auch Verletzung des Unterhautfettgewebes und Ausbildung eines umschriebenen Hämatoms erlitt, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil G* geringfügig daneben schoss, eine Wand traf und das [davon abprallende] Projektil dadurch kinetische Energie verlor:
[3] Die Geschworenen bejahten die anklagekonform in Richtung des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gestellte Hauptfrage 1, die Beantwortung der hiezu in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 StGB gestellten Eventualfrage 1 entfiel.
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[5] Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, somit fallbezogen eines die begehrte Eventualfrage – nach den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0100871 [T3] und RS0100930) – indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0119417; Lässig , WK-StPO § 313 Rz 8, § 314 Rz 3; vgl Ratz , WK-StPO § 345 Rz 23, 43).
[6] Beruft sich der Angeklagte hiebei auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis (Tatsachenvorbringen im Sinn des § 314 Abs 1 StPO) – wie auf den Inhalt seiner Verantwortung –, so darf er den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung gelöster Teile davon führen, sondern hat vielmehr die Einlassung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0120766).
[7] Hievon ausgehend verfehlt die eine Eventualfrage (zur Hauptfrage 1) in Richtung des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB vermissende Fragenrüge die Ausrichtung am Verfahrensrecht. Verfahrensergebnisse, aus denen sich eine vorsätzliche – laut Beschwerdevorbringen in der Schussabgabe zu sehende – Drohung mit dem Tod ableiten ließe (vgl Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 1), werden nicht aufgezeigt. Vielmehr werden die Angaben des Angeklagten, wonach er die Waffe nur genommen habe, damit sein Bruder damit keine Probleme machen oder jemanden bedrohen könne (ON 93 S 3 f), er seinen Bruder nicht mit der Waffe bedroht, dies auch nicht gewollt (ON 93 S 4) und die Waffe nicht in die Richtung seines Bruders gerichtet habe (ON 93 S 9), übergangen und damit dessen Einlassung gerade nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigt.
[8] Soweit die Rüge auf einzelne Aussagenpassagen des Opfers und eines Zeugen, die diese Vermutungen zur Intention des Angeklagten zum Ausdruck brachten (vgl ON 93 S 25, 34 und 41), verweist, übersieht sie, dass Werturteile, Mutmaßungen und Meinungen nicht Gegenstand des Zeugenbeweises sind (RIS-Justiz RS0097540, RS0097545, RS0097573) und diesbezügliche Äußerungen daher keine aus der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO iVm § 314 Abs 1 StPO relevanten Verfahrensergebnisse darstellen (RIS-Justiz RS0100625 [T2], RS0102724).
[9] Die spekulative Erwägung, das Tatopfer wäre „aus lediglich (maximal) zwei bis drei Metern Distanz“ „unter den konkreten Gegebenheiten als Ziel keinesfalls verfehlbar gewesen“, zeigt ebenfalls keine taugliche Grundlage für die begehrte Fragestellung auf (RIS Justiz RS0100871 [T10, T12]).
[10] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.