JudikaturOGH

11Os48/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Dezember 2022, GZ 26 Hv 7/21g 127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in G* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * Sc* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, Verfügungsberechtigte nachgenannter Gesellschaften durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden zur Auszahlung und Überweisung veranlagter Gelder verleitet, wodurch * K* insgesamt in einem Betrag von zumindest 761.012,98 Euro am Vermögen geschädigt wurde, und zwar

A im Zeitraum von 30. Oktober 2014 bis 14. Dezember 2015 Berechtigte der „F* AG“ zur Überweisung von insgesamt 163.522,42 Euro, indem sie in fünf Angriffen Anträge auf (Teil )Rückkauf der abgeschlossenen Lebensversicherung stellte;

B im Zeitraum 25. September 2013 bis 29. September 2014 Berechtigte der „d* AG“ zur Überweisung von insgesamt zumindest 597.490,56 Euro, indem sie in 15 im Urteil näher beschriebenen Angriffen Anträge auf Auszahlung aus dort bezeichneten Wertpapierdepots stellte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung (ON 104a S 16) in der Hauptverhandlung am 28. April 2022 gestellter Beweisanträge (ON 104a S 15 f). Zufolge Neudurchführung der Hauptverhandlung im Sinn des § 276a zweiter Satz StPO am 15. Dezember 2022 (ON 126 S 2) waren diese Anträge jedoch nicht Gegenstand der Hauptverhandlung, womit sie als Anfechtungsbasis aus Z 4 ausscheiden (RIS Justiz RS0098869, RS0099049; Danek/Mann , WK StPO § 276a Rz 10).

[5] Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS Justiz RS0118780). Mit dem Einwand, das – von den Tatrichtern berücksichtigte (US 11) – selektiv in Teilen wiedergegebene Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Schriftvergleichung könne „nur mit dem mindesten Wahrscheinlichkeitsgrad eine Zuordnung zur Angeklagten herstellen“, eine Verurteilung erfordere aber „eine weit höhere Wahrscheinlichkeit“, weckt die Beschwerdeführerin keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Gleiches gilt, soweit die Rüge auf Grundlage eigener Schlussfolgerungen aus den – ebenfalls nur teilweise wiedergegebenen – Angaben eines Zeugen (ON 104a S 12) die Mittäterschaft der Angeklagten in Zweifel zieht. Mit der bloßen Behauptung, es würden aktenkundige Beweisergebnisse für die Schuld der Angeklagten fehlen, werden keine gegen deren Schuld sprechenden Tatumstände releviert, w eswegen die Tatsachenrüge insoweit nicht gesetzmäßig dargestellt wird (RIS Justiz RS0128874). Soweit die Beschwerdeführerin die Beauftragung des Sachverständigen mit der Untersuchung weiterer Unterschriften vermisst (Z 5a als Aufklärungsrüge), erklärt sie nicht, weshalb sie an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS Justiz RS0115823, RS0114036).

[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht nicht deutlich, weshalb das Erstgericht verhalten gewesen wäre, Feststellungen zum Motiv der Angeklagten zu treffen, obwohl das Tatmotiv weder die Schuldfrage noch den anzuwendenden Strafsatz berührt (RIS Justiz RS0088761 [T8]). Soweit die Beschwerde die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Taten unter Verweis auf das schriftvergleichende Gutachten in Abrede stellt und vermeint, dass zufolge eines Begründungsdefizits die „getroffenen Feststellungen den Urteilsspruch“ nicht tragen, verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810). Schließlich vermisst die Rüge konkrete Konstatierungen (der Sache nach Z 10) zur Schadenshöhe in jenen Fällen, bei denen die Tatrichter von Überweisungen (auch) in unbekannter Höhe ausgingen (B/7; B/8; B/10; B/11; B/14; B/15) und kritisiert, dass damit diese Feststellungen „kein ausreichendes Tatsachensubstrat“ der Geschädigten „einen Betrag zuzusprechen; in eventu einen Betrag zuzusprechen, der EUR 408.000,00 übersteigt“ bilden. Indem die Beschwerdeführerin in den genannten Fällen damit argumentiert, dass kein Schaden („EUR 0,--“) vorliege und darauf aufbauend den zu B konstatierten Gesamtschaden bestreitet, orientiert sie sich erneut nicht an den Urteils feststellungen des Schöffengerichts (US 7 f).

[7] Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) die verhängte Strafe als „eklatant zu hoch“ beanstandet und die Annahme von (nicht näher bezeichneten) Milderungsgründen fordert, erstattet sie ein Berufungsvorbringen (RIS Justiz RS0099911). N icht nachvollziehbar ist das spekulative Vorbringen zum unterbliebenen Verfallsausspruch hinsichtlich der Angeklagten und ein daraus abgeleiteter vermeintlicher Widerspruch der „Begründung des Strafausspruchs“ (vgl im Übrigen RIS Justiz RS0118581 zur Bekämpfung für die Sanktionsbefugnis entscheidender Tatsachen mit Verfahrens-, Mängel- und Tatsachenrüge). Die auf die mündliche Urteilsbegründung bezogene Beschwerdeargumentation verkennt, dass diese im Nichtigkeitsverfahren, dessen Bezugspunkt die schriftliche Urteilsausfertigung ist, irrelevant ist (vgl RIS Justiz RS0123342, RS0098421). Ebenso wenig kann aus einem Vergleich der Urteilsgründe mit jenen des Urteils betreffend den abgesondert verfolgten Mittäter Nichtigkeit abgeleitet werden (RIS Justiz RS0099892 [T10]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 730).

[8] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher d ie Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise