JudikaturOGH

5Ob84/23y – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. S* W*, 2. R* S*, beide vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei S* SE, *, Fürstentum Liechtenstein, vertreten durch die DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 45.501,13 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 23. Februar 2023, GZ 4 R 189/22d-45, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Juli 2022, GZ 10 Cg 64/19a-40, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger schlossen am 26. Februar/10. März 2015 einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der I* AG (kurz: I*) mit Sitz in Liechtenstein, mit dem sie dieser den Auftrag erteilten, ihre Vermögenswerte nach eigenem Ermessen und ohne vorherige Einholung von Weisungen und ohne Verpflichtung auf einen bestimmten Anlageerfolg zu verwalten. Dazu überwiesen die Kläger an die I* 107.000 EUR (100.000 EUR Kapital, 6.000 EUR Bearbeitungsgebühr und 1.000 EUR Bankgebühren).

[2] Die Beklagte war zum damaligen Zeitpunkt gewerbliche Vermögensberaterin gemäß § 94 Z 75 GewO 1974 und daher gemäß § 136a GewO 1994 zur Beratung bei Aufbau, Sicherung und Erhaltung von Vermögen und Finanzierung mit Ausnahme der Anlageberatung in Bezug auf Finanzinstrumente (§ 3 Abs 1 Z 1 WAG 2007) sowie zur Vermittlung von Veranlagungen und Investitionen, ausgenommen Finanzinstrumente (§ 3 Abs 2 Z 3 WAG 2007) berechtigt. Die Beklagte stand zudem in Kooperation mit einem Wertpapierunternehmen als „Haftungsdach“, damit die für sie selbständig tätig werdenden gewerblichen Vermögensberater auch Produkte vermitteln konnten, die die Beklagte mangels eigener Wertpapierkonzession nicht vertreiben durfte.

[3] Der Geschäftsbeziehung der Beklagten mit den für sie tätigen selbständigen Vermögensberatern – darunter M* S* – lag eine Geschäftspartnervereinbarung vom Jänner 2013 zugrunde. Danach umfasste deren Zusammenarbeit die „Beratung von Kunden durch Produktinformationen, die Aufbereitung der Geschäftsfälle etc. sowie die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen an die jeweiligen Produktpartner“ der Beklagten.

[4] Grundlage dieser Zusammenarbeit waren die jeweils gültigen Organisationsrichtlinien der Beklagten, die die Prozessabläufe zwischen der Beklagten und deren Geschäftspartnern betreffend die Organisation der Zusammenarbeit, die zur Verfügung stehenden Produkte, die Berechnung der Karriere sowie die daraus resultierenden Provisionen beschrieben. Der Geschäftspartner erklärte ausdrücklich, dass er die Organisationsrichtlinien in ihrer jeweils gültigen Fassung als Bestandteil seiner Geschäftspartnervereinbarung anerkennt und sich zu deren Einhaltung verpflichtet. Der Geschäftspartner verpflichtete sich zudem, im Tätigkeitsbereich dieser Vereinbarung im Vertragsgebiet ausschließlich für die Beklagte tätig zu sein. Bei Tätigkeiten, die nicht unter diese Vereinbarung fallen, hatte der Geschäftspartner sicher zu stellen, dass kein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Beklagte oder dem mit ihm kooperierenden Wertpapierunternehmen erweckt wird.

[5] Die Beklagte kooperierte auch mit der I*. Es war vereinbart, dass die Beklagte und ihre selbstständigen Geschäftspartner (nur) als Tippgeber fungieren und der I* und deren Beratern potentielle Kunden, die ein konkretes Interesse an den von I* angebotenen Vermögensverwaltungsmandaten oder Wertpapieren hatten, zuführen sollten und die Beklagte als Gegenleistung für diese Tippgebertätigkeit von der I* eine Provision in Form einer Abschlussprovision und einer anteiligen Vergütung aus den Erträgen des Vermögensverwalters erhält. Die Tätigkeit der Beklagten (bzw ihrer Geschäftspartner) sollte sich auf die bloße Namhaftmachung von Interessenten und die Zusammenführung dieser Kunden mit der I* bzw einem ihrer Berater beschränken und nicht den Vertrieb von Vermögensverwaltungsverträgen durch Vermittlung oder Abgabe einer persönlichen Empfehlung zum Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags (im Sinn einer produkt- und/oder personenbezogenen Beratung über die mit dem Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages verbundenen Vor- bzw Nachteile und Risiken) umfassen. Die Beklagte durfte nämlich ihrer Ansicht nach im Rahmen ihrer Konzession als gewerblicher Vermögensberater iSd § 136a GewO keine derartigen gewerblichen Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten erbringen.

[6] Der selbständigen Vermögensberaterin und Geschäftspartnerin der Beklagten, M* S* (im Folgenden auch nur mehr „Vermögensberaterin“) wurde die „Organisationsrichtlinie Nr. 045_03 Tippgebergeschäft VIP Business (I*)“ der Beklagten vom 20. März 2014 über die Homepage der Beklagten zur Kenntnis gebracht. Diese regelte den Umfang und den Ablauf der „Tippgebertätigkeit“ der Beklagten und ihrer Geschäftspartner. Eine inhaltsgleiche Organisationsrichtlinie gab es auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vermögensverwaltungsvertrags der Kläger mit der I*.

[7] Gemäß dieser Organisationsrichtlinie ist es jedem Geschäftspartner der Beklagten, der gewerblicher Vermögensberater ist, gestattet, der I* Interessenten zuzuführen, er darf aber „keine Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten, wie insbesondere die Annahme und Übermittlung von Aufträgen oder Anlageberatung – erbringen“. Wenn ein Geschäftspartner der Beklagten erfolgreich (Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags zwischen der I* und dem Interessenten) einen Interessenten zugeführt hat, hat die Beklagte gemäß dieser Organisationsrichtlinie einen Provisionsanspruch gegen die I* und der Geschäftspartner der Beklagten näher definierte Ansprüche gegenüber der Beklagten.

[8] Die Beklagte organisierte Investmenttagungen (vier Mal pro Jahr) und interne Fachseminare, bei welchen die Geschäftspartner der Beklagten unter anderem Informationen über den I*-Vermögensverwaltungsvertrag erhielten. Auch Mitarbeiter der I* führten Schulungen für die Geschäftspartner durch, bei welchen diese Informationen über die I*-Produkte erhielten.

[9] Die Geschäftsführer der Beklagten kommunizierten zwar zu jedem Zeitpunkt, dass im Hinblick auf die Vermögensverwaltungsverträge der I* die diesbezügliche Organisationsrichtlinie zu beachten ist und die Vertriebspartner der Beklagten daher nicht über die Produkte der I* beraten dürfen. In aller Regel ist der Vermögensverwaltungsvertrag zwischen den Kunden und der I* (dennoch) derart zustande gekommen, dass einzelne Geschäftspartner der Beklagten den Kunden im Rahmen des Kundengesprächs auf die Möglichkeit der Vermögensverwaltung bei I* hinwiesen und bei Interesse des Kunden bereits soweit beraten und überzeugt hatten, dass dieser in den meisten Fällen unterschriftsreif zum Beratungstermin mit dem Mitarbeiter der I* eintraf. Dazu füllte der jeweilige Geschäftspartner der Beklagten (im Fall der Kläger M* S*) ein Interessentenformular mit den entsprechenden Daten des Kunden aus und leitete es an I* weiter. Der Mitarbeiter der I* bereitete in der Folge die gesamten Vertragsunterlagen vor und führte mit dem Kunden ein weiteres Beratungsgespräch.

[10] Es kann nicht festgestellt werden, dass die Geschäftsführung der Beklagten von dieser Vorgehensweise ihrer Geschäftspartner Kenntnis hatte und diese Vorgehensweise tolerierte. Die seinerzeitigen Geschäftsführer der Beklagten wollten nicht, dass die für die Beklagte tätigen Vermögensberater im Zusammenhang mit I*-Produkten Beratungstätigkeiten ausüben.

[11] Die Erstklägerin trat, nachdem ihre Bank vorschlagen hatte, ihren mit einer Lebensversicherung abgesicherten Schweizer-Franken-Kredit in einen Euro-Kredit umzuschulden, über Empfehlung eines Bekannten mit der Beklagten bzw deren Geschäftspartnerin M* S* (im Folgenden auch nur mehr „Geschäftspartnerin der Beklagten“ oder „Vermögensberaterin“) in Kontakt, um „über Vermögensverwaltung“ zu sprechen.

[12] Die Vermögensberaterin machte der (richtig:) Erstklägerin in diesem Gespräch den Vorschlag, anstatt der Lebensversicherung das Produkt der I* als Absicherung des Kredits zu verwenden, und führte in Bezug auf dieses Produkt auch eine Beratung durch. Sie skizzierte das Produkt auf einem Block Papier und meinte, dass mit der I*-Vermögensverwaltung die Rendite höher sei als bei einem Sparbuch und das eingezahlte Kapital nicht verloren gehe. Die Vermögensberaterin empfahl das Produkt der I* als sichere Veranlagung und beschrieb die Sicherheitsmechanismen dahinter. Nach ein paar Tagen Überlegung und nach Absprache mit dem Zweitkläger teilte die Erstklägerin der Vermögensberaterin schließlich mit, dass sie bereit sei, 100.000 EUR zu investieren. Die Vermögensberaterin füllte daraufhin das Interessentenformular aus und übermittelte dieses mit den Kundendaten der Kläger an den zuständigen Mitarbeiter der I*.

[13] Bei einem Treffen am 26. Februar 2015 unterfertigen beide Kläger in Anwesenheit des Mitarbeiters der I* und der Vermögensberaterin den Vermögensverwaltungsvertrag und eine diesen ergänzende Vereinbarung. Im Rahmen dieses Termins wurden nicht näher feststellbare Details im Rahmen eines Beratungsgesprächs in einer nicht genau feststellbaren Dauer besprochen, wobei das Beratungsgespräch mit den Kunden über das jeweilige Produkt in der Regel der Mitarbeiter der I* führt und auch dieser die Vertragsunterlagen im Umfang von mehreren dutzend Seiten den Kunden übergibt. Der Mitarbeiter der I* übermittelte die Verträge in der Folge an die Zentrale nach Liechtenstein, wo sie nach nochmaliger Prüfung unterschrieben wurden.

[14] Im Jahr 2017 realisierten die Kläger, dass im Rahmen der Vermögensverwaltung hohe Verluste eintraten. Sie kündigten den Vermögensverwaltungsvertrag und erhielten am 2. März 2017 eine Auszahlung von 69.209,49 EUR.

[15] Die Nebenintervenientin ist seit 1. November 2012 Haftpflichtversicherer der Beklagten und seit 1. Jänner 2013 auch Haftpflichtversicherer der Vermögensberaterin.

[16] Nachdem das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz am 31. August 2016 (26 S 110/16w) über das Vermögen der Beklagten das Konkursverfahren eröffnet hatte, schied das Insolvenzgericht mit den Beschlüssen vom 19. Mai 2017 und vom 8. Juni 2017 die der Beklagten zukommenden Ansprüche aus den jeweiligen Versicherungspolizzen gemäß § 119 Abs 5 IO aus dem Insolvenzverfahren aus und überließ diese Ansprüche der Beklagten zur freien Verfügung. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 7. Jänner 2022 wurde das Konkursverfahren – vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz des vorliegenden Verfahrens – gemäß § 139 IO aufgehoben.

[17] Die Kläger begehrten zuletzt 45.501,13 EUR samt Anhang bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer (die Nebenintervenientin) zu den jeweiligen Versicherungspolizzen; in eventu bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer ohne Bezugnahme auf bestimmte Versicherungspolizzen.

[18] Die Kläger hätten den Vermögensverwaltungsvertrag mit der I* über Beratung und Vermittlung der Beklagten abgeschlossen. Die als Erfüllungsgehilfin der Beklagten tätige Vermögensberaterin habe den Klägern dieses Produkt nahegelegt und sie dazu beraten. Im Nachhinein habe sich für die Kläger herausgestellt, dass wesentliche Informationen nicht den tatsächlichen Umständen entsprächen. Die Kläger seien insbesondere nicht über die Risiken dieser Anlageform aufgeklärt worden. Bei entsprechender Aufklärung hätten sie den Vertrag nicht abgeschlossen. Diese Fehlberatung sei der Beklagten zuzurechnen, diese hafte den Klägern daher für den erlittenen Verlust. Der klageweise geltend gemachte Schaden bestünde nach der Differenzmethode in der Investition abzüglich des nach Auflösung des Vertrags erhaltenen Betrags zuzüglich des Erlöses aus einer Alternativanlage.

[19] Die Beklagte beteiligte sich nicht am Verfahren.

[20] Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten bestritt das Klagebegehren sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach und beantragte die Abweisung der Klage. Sie wandte insbesondere ein, die Beklagte sei nicht passiv legitimiert. Weder die Beklagte noch deren Geschäftspartnerin hätten eine Anlageberatung durchgeführt oder auch nur eine persönliche Empfehlung abgegeben; letztere habe lediglich als Tippgeberin agiert. Die Beratung habe vielmehr ausschließlich ein Berater der I* durchgeführt. Selbst wenn die Geschäftspartnerin der Beklagten eigenmächtig und entgegen der internen verpflichtenden Organisationsrichtlinie der Beklagten eine Anlageberatung in Bezug auf den Vermögensverwaltungsvertrag der Kläger vorgenommen hätte, hätte die Beklagte für einen etwaigen Beratungsfehler nicht zu haften. Ein Beratungs- oder Auskunftsvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten habe nicht bestanden, die Beklagte hafte daher für allfällige Beratungsfehler auch nicht nach § 1313a ABGB.

[21] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[22] Zwischen den Klägern und der Beklagten sei weder ausdrücklich noch stillschweigend ein Beratungs- oder Auskunftsvertrag im Sinn des § 1300 ABGB geschlossen worden. Die die Kläger beratende Geschäftspartnerin der Beklagten habe keine Vollmacht – auch nicht kraft Rechtsschein im Sinn des § 1029 ABGB – gehabt. Eine solche Anscheinsvollmacht setze voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet seien, einen begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken. Dieser Anschein habe dabei nicht vom Vertreter, sondern von einem Verhalten des Vertretenen oder eines vertretungsbefugten Organs (hier: die Geschäftsführer der Beklagten) auszugehen. Dies sei nach den Feststellungen nicht der Fall. Die Geschäftspartnerin der Beklagten habe keine Vertretungsmacht der Beklagten zur Beratung der Kläger in ihrem Namen über den I* Vermögensverwaltungsvertrag gehabt. Nach der internen Organisationsrichtlinie sei ihr nur eine „Tippgebung“, also eine Zuführung von Interessenten an die I*, erlaubt gewesen. Da den Geschäftsführern der Beklagten nicht bekannt gewesen sei, dass ihre Geschäftspartner auch Beratungen für die I* Produkte durchführten, sie auch keine solche Beratung wollten, sei die Beratung, welche die Geschäftspartnerin der Beklagten den Klägern im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages zukommen habe lassen, der Beklagten nicht zuzurechnen.

[23] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

[24] Das Zustandekommen eines Beratungs- oder Auskunftsvertrags im Sinn des § 1300 ABGB hätte eine entsprechende Vertretungsmacht auf Seiten der Hilfsperson erfordert. Diese sei hier nicht gegeben gewesen. Die Geschäftsführer der Beklagten hätten auch keinen derartigen Anschein gesetzt.

[25] Die hier tätige Vermögensberaterin habe gegen den Geschäftspartnervertrag und gegen die ihr bekannten Verbote der Geschäftsführer verstoßen, als sie die Kläger vor dem Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags mit der I* beraten habe. Das Mindest-Zurechnungskriterium des § 1313a ABGB für Erfüllungsgehilfen sei, dass ein Beklagter das schuldhafte Verhalten des Dritten im Kontext mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlasst habe. Nur dann, wenn die unerlaubte Handlung des Gehilfen in den Aufgabenbereich eingreife, zu dessen Wahrnehmung er von dem Beklagten bestimmt worden sei, habe dieser für ihn einzustehen. Der Geschäftsherr hafte nicht für Schäden, die ohne inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllungshandlung bloß gelegentlich derselben vom Gehilfen verursacht würden und die einer selbstständigen unerlaubten Handlung entsprungen seien. Wenn keine Anscheins- oder Duldungsvollmacht anzunehmen sei, sei eine schadenersatzrechtliche Zurechnung des Gehilfenverhaltens zu verneinen. Halte etwa ein Vermögensberater die „hausinternen Richtlinien“ der beklagten Bank nicht ein, weil er hochspekulative Geschäfte gar nicht hätte tätigen dürfen, so fielen dennoch vorgenommene derartige Geschäfte aus seinem Aufgabenkreis und seien nicht der beklagten Bank zuzurechnen.

[26] Wenn die hier tätige Vermögensberaterin über ihr rechtliches Dürfen im Innenverhältnis zur Beklagten hinausgegangen sei und die Kläger in Bezug auf die I* Vermögensverwaltung tatsächlich (falsch) beraten habe, habe sie gerade nicht mehr „bei der Erfüllung“ der Pflichten des Geschäftsherrn gehandelt, sondern bloß „gelegentlich“ der Erfüllung, weil ihr Verhalten aus dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs, den sie im Rahmen der Interessenverfolgung für sie wahrzunehmen gehabt habe, herausgefallen sei.

[27] Mangels Vorliegens eines Beratungsvertrags zwischen den Klägern und der Beklagten zur I* Vermögensverwaltung erübrigten sich alle weiteren in der Berufung angestellten rechtlichen Überlegungen und damit zusammenhängenden angesprochenen sekundären Feststellungsmängel zur Verletzung der Pflicht zur Offenlegung der Innenprovisionen.

[28] Das Berufungsgericht ließ die Revision – unter Hinweis auf die Zulassung in einem vergleichbaren Verfahren (vgl 17 Ob 8/23k) – zu. Die Kläger berufen sich auf die Rechtsprechung, wonach eine Bank auch für die mangelhafte Beratung ihrer Kunden durch ein von diesen beigezogenes („kundennäheres“) Wertpapierdienstleistungsunternehmen hafte, wenn die Bank konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt oder sogar positiv gewusst habe, dass das kundennähere Unternehmen seine Pflichten nicht erfülle, oder wenn die Bank dieses Unternehmen ständig mit dem Vertrieb von Anlageprodukten betraue und so in die Verfolgung ihrer eigenen Interessen eingebunden gehabt habe. Grundvoraussetzung sei jedoch eine dem Anleger gegenüber bestehende selbstständige Beratungspflicht der Bank. Es stelle sich hier daher die erhebliche Rechtsfrage, ob dafür auch die außerhalb des gegenständlichen Rechtsgeschäfts liegende Beratungspflicht im Rahmen eines allgemeinen Beratungsvertrags hinsichtlich des Wunsches der Erstklägerin, nach der Umschuldung eines Schweizer Franken Kredites „über Vermögensverwaltung“ zu sprechen, hinreiche.

[29] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

[30] Die Nebenintervenientin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[31] Die Revision ist zur Korrektur einer dem Berufungsgericht unterlaufenen Fehlbeurteilung bei Anwendung des § 1313a ABGB zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrags auch berechtigt.

[32] 1. In der – in dem vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung genannten Verfahren ergangenen –Entscheidung 17 Ob 8/23k hat der Oberste Gerichtshof zur Rolle des „Tippgebers“ ausführlich Stellung genommen. Die Tätigkeit des Tippgebers zielt als vorbereitende Handlung nicht auf eine konkrete Willenserklärung des Interessenten zum Vertragsschluss ab, sondern beschränkt sich auf die Aufnahme und Weiterleitung von dessen (Kontakt-)Daten. Der Tippgeber unterstützt Unternehmer bei der Akquise von Kunden, ohne über die bloße Kundenzuführung hinaus eine Vermittlungsleistung zu erbringen. Die Beratung der potentiellen Kunden liegt daher außerhalb seines Tätigkeitsbereichs (17 Ob 8/23k [Rz 24]).

[33] 2.1. Für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB ist maßgebend, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, das heißt, ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich einbezogen war. Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Geschäftsherr daher nicht nach § 1313a ABGB, wenn das Verhalten des Gehilfen aus dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs, den der Gehilfe im Rahmen der Interessenverfolgung für den Schuldner wahrzunehmen hatte, herausfällt (17 Ob 8/23k [Rz 25]; RIS-Justiz RS0028425, RS0028499; RS0121745).

[34] 2.2. Das Berufungsgericht begründete die Abweisung der Klage im Wesentlichen damit, dass die hier tätige Vermögensberaterin (und Geschäftspartnerin der Beklagten) die Kläger zwar womöglich in Bezug auf I* fehlberaten, die Beklagte dafür aber nicht einzustehen habe, weil sich die Vermögensberaterin hier außerhalb ihres Tätigkeitsbereichs im Sinne der zuvor genannten Rechtsprechung befunden habe, sie also insofern nicht „Erfüllungsgehilfin“ der Beklagten im Sinn des § 1313a ABGB gewesen sei.

[35] Diese Beurteilung wäre zutreffend, wäre Aufgabe von der Vermögensberaterin bei ihrem Kontakt mit den Klägern ausschließlich gewesen, deren Interesse für das „I*-Produkt“ festzustellen und hierauf bloß die Kundendaten (Interessentendaten) weiterzuleiten. Nach dem festgestellten Sachverhalt beschränkte sich ihre Tätigkeit für die Beklagte gegenüber den Klägern aber nicht auf das Produkt „I*“. Zwischen ihr und den Klägern fand vielmehr ein Vermögensberatungsgespräch statt. Dass die Vermögensberaterin – abseits der Thematik I* – nicht beraten durfte, wurde im Prozess nicht behauptet und wäre auch lebensfremd, handelte es sich doch bei der Beklagten damals um eine gewerbliche Vermögensberaterin. Weil es somit auch Aufgabe der Vermögensberaterin war, Kunden über andere Investitionsmöglichkeiten als I* zu beraten, fiel die unter Missachtung des (internen) Gebots, in Bezug auf I* jede Beratung zu unterlassen, erfolgte Beratung über I* nicht aus dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs, den die Vermögensberaterin im Rahmen der Interessenverfolgung für die Beklagte wahrzunehmen hatte, heraus (so zu einem sehr ähnlich gelagerten Sachverhalt schon 17 Ob 8/23k [Rz 27f]).

[36] Die Beklagte hat daher für eine allfällige Fehlberatung der Kläger durch die Vermögensberaterin M* S* nach § 1313a ABGB in Bezug auf I* einzustehen.

[37] 3. Ob eine solche für die geltend gemachten Schäden kausale Fehlberatung vorliegt, kann dem festgestellten Sachverhalt noch nicht entnommen werden. Die vom Erstgericht getroffenen (Negativ-)Feststellungen lassen dies im Unklaren.

[38] Der Fall ist somit noch nicht entscheidungsreif.

[39] Die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Dass die Beklagte für eine Fehlberatung der Kläger durch M* S* in Bezug auf I* nach § 1313a ABGB einzustehen hat, sollte eine solche vorliegen, ist ein abschließend erledigter Streitpunkt, der im fortgesetzten Verfahren nicht neuerlich in Frage gestellt werden kann (RS0042411 [T13]).

[40] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rückverweise