JudikaturOGH

14Os62/23h – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Strafsache gegen * S* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. April 2023, GZ 45 Hv 11/23z 214, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – * S* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* als Mitglied einer aus ihm und drei im Urteil namentlich genannten sowie weiteren unbekannten Tätern bestehenden kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich den Wirkstoff Cocain beinhaltendes Kokain, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen angeboten, obwohl er bereits wegen einer solchen Tat verurteilt worden war, und zwar einem verdeckten Ermittler vier Kilogramm mit einem Reinheitsgehalt von 78,96 % zu einem Preis von 43.000 Euro pro Kilogramm, indem er am 11. Juni 2022 bei einem Treffen das Angebot unterbreitete und zu dessen Bekräftigung 5,2 Gramm Kokain zum Preis von 215 Euro als Probe übergab, bei einem weiteren Treffen am 18. Juni 2022 das Angebot wiederholte und am 2. Juli 2022 das zur Bezahlung gedachte Bargeld von 180.000 Euro zählte und erklärte, dass ihm dafür als Provision 36.000 Euro zustünden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht den Antrag auf Vernehmung von zwei Mithäftlingen des Angeklagten S* als Zeugen zum Beweis dafür, dass dem Angeklagten S* das Agieren eines seiner Gesprächspartner bei der Anbahnung des Suchtgiftgeschäfts als Vertrauensperson der Kriminalpolizei von Beginn an bekannt war (ON 214, 47), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 214, 48). Denn – abgesehen von fehlender Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache (US 14, vgl aber US 13) – legte der Antrag mit dem bloßen Hinweis auf die untereinander bestehende Bekanntschaft zwischen dem Angeklagten S*, der Vertrauensperson und den als Zeugen zu vernehmenden Personen nicht dar, weshalb die begehrten Beweisaufnahmen das behauptete Ergebnis erwarten ließen und war deshalb auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS Justiz RS0099453 [ins T1 und T19]).

[5] Indem sich die Rüge weiters gegen den Umstand anonymer Vernehmung der Vertrauensperson (ON 214, 27 ff) und des verdeckten Ermittlers (ON 214, 27 und 40 ff) richtet, bezieht sie sich nicht – wie aber von Z 4 vorausgesetzt – auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen dort erhobenen (nach Art von Anträgen substantiierten; vgl ON 214, 27) Widerspruch (RIS Justiz RS0099250).

[6] Welche der „getroffenen Feststellungen“ undeutlich sein sollen, bezeichnet die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) nicht deutlich und bestimmt (vgl aber RIS Justiz RS0099563 [insb T2]).

[7] Der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider besteht kein Widerspruch zwischen den jeweiligen Festellungen zu den in den einzelnen Verhandlungsphasen diskutierten Preisen und Suchtgiftmengen (US 8 f; vgl RIS Justiz RS0117402). Dass aus den Feststellungen unterschiedliche (und deshalb aus Sicht der Rüge widersprüchliche) Mengen des vom Angeklagten S* angebotenen Suchtgifts hervorgingen, trifft im Übrigen nicht zu (erneut US 8 f).

[8] Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Urteilskonstatierungen zum Überlassen einer „Kokainprobe“ (US 8) bezieht sich auf keine entscheidende Tatsache, die aber allein Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ist (vgl RIS Justiz RS0117499).

[9] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 5) das Fehlen von Feststellungen zu einer „Verbindung zwischen dem Angeklagten S* und der Tätergruppe“ moniert, übergeht sie die gerade dazu getroffenen Feststellungen (US 7 f; vgl aber RIS Justiz RS0099810). Weshalb darüber hinausgehende Konstatierungen zu einer „Verbindung“ zwischen dem Anbieten des tatverfangenen Suchtgifts durch den Angeklagten S* und dem geplanten Überlassen an den verdeckten Ermittler durch die „Tätergruppe“ erforderlich sein sollten, legt die Beschwerde nicht dar (vgl aber RIS Justiz RS0116565; vgl im Übrigen RIS Justiz RS0125860).

[10] Auch mit der Behauptung eines Mangels an „ausreichend klar[en]“ Feststellungen zur Tatbegehung in Bezug auf Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge argumentiert die Beschwerde nicht auf Basis des Urteilssachverhalts, dem das vom Vorsatz des Angeklagten getragene Anbot von vier Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 78,96 % zu einem Kilopreis von 43.000 Euro unmissverständlich zu entnehmen ist (US 8 f). Aus welchem Grund für die vorgenommene Subsumtion dieses Verhaltens nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG Feststellungen zur Überlassung von Suchtgift erforderlich gewesen wären, lässt die Beschwerde erneut offen (vgl im Übrigen den Freispruch des Angeklagten zu III.; US 5).

[11] Indem die einen Entfall der Qualifikationen nach § 28a Abs 4 Z 1 und 3 SMG anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) eine Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und eine solche in Bezug auf eine das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge bestreitet, orientiert sie sich abermals nicht an den Urteilskonstatierungen (US 8 f).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise