14Os56/23a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Strafsache gegen * G* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * C* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 17. Jänner 2023, GZ 60 Hv 63/22t 61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten C* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * C* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./2./ bis 5./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./1./) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz erster, zweiter und dritter Fall SMG (A./IV./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in L* und andernorts
A./ vorschriftswidrig Suchtgift
I./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich „zumindest 1.920 Gramm“ Methamphetamin mit „einer durchschnittlichen Reinheit von 77,9 % Methamphetamin“, teilweise unter Beteiligung (§ 12 dritter Fall StGB) des * G* aus Tschechien aus- und nach Österreich eingeführt, und zwar
2./ Ende 2019 zumindest 60 Gramm;
3./ Anfang 2020 in drei „Beschaffungsfahrten“ insgesamt 300 Gramm (1 x 60 und 2 x je 120 Gramm);
4./ im Anschluss an die zu A./I./3./ geschilderten Taten ab Anfang 2020 bis 2. Mai 2022 in wiederholten „Beschaffungsfahrten“ (zirka einmal im Monat) insgesamt 1.460 Gramm;
5./ am 3. Mai 2022 100 Gramm;
II./1./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 1.810 Gramm Methamphetamin mit „einer durchschnittlichen Reinheit von 77,9 % Methamphetamin“, zwischen Anfang 2020 und Anfang Mai 2022 anderen überlassen, nämlich zirka 50 Gramm gewinnbringend zum Grammpreis von 100 Euro an unbekannte Abnehmer sowie 1.760 Gramm an G*;
IV./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 3. Mai 2022 100 Gramm Methamphetamin „in einer Reinheit von 77,9 +/- 0,99 %“, die er zuvor in Tschechien gekauft hatte, mit seinem Pkw nach L* transportierte und bis zur polizeilichen Sicherstellung besaß.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C* verfehlt ihr Ziel.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) resultiert aus dem Umstand, dass das Erstgericht die im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zu A./IV./ geschilderte Tat im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz erster, zweiter und dritter Fall SMG offenkundig irrig als „A) III.“ bezeichnet hat, kein Nichtigkeit begründender Verstoß gegen § 260 Abs 1 StPO, weil das Fehlen oder eine sonstige Verletzung der in Z 1 oder Z 2 des § 260 Abs 1 StPO genannten (Mindest-)Anforderungen nicht aufgezeigt wird (vgl RIS Justiz RS0115552 [T3], RS0098433).
[5] Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte C* durch die Abweisung (ON 47a S 41 f) mehrerer von ihm gestellter Beweisanträge (ON 47a S 40 f) in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.
[6] Voranzustellen ist, dass nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung am 7. Dezember 2022 Letztere „für die Beratung über die Beweisanträge“ um 14:42 Uhr unterbrochen und um 15:29 Uhr fortgesetzt wurde und die Vorsitzende danach die beschlussmäßige Entscheidung über die gestellten Beweisanträge verkündet hat (ON 47a S 41). Warum sich aus dieser – inhaltlich nicht bestrittenen – Protokollierung nicht ergeben sollte, dass die Entscheidung vom Schöffensenat gefällt wurde, ist – dem Beschwerdeeinwand zuwider – nicht ersichtlich.
[7] Die Vernehmung der Zeugen * B*, * U*, * Ca* und * K* wurde zunächst zum Beweis dafür beantragt, dass die Aussagen des Mitangeklagten G* bezüglich seiner Suchtgiftbeschaffung und die Art und Weise, wie er das Suchtgift verkauft hat, nicht der Wahrheit entsprechen würden, sondern er das Suchtgift unabhängig vom Angeklagten C* an- und verkauft habe. Ergänzend wurde zu den Beweisanträgen ausgeführt, dass B* in seiner Vernehmung Lichtbilder gezeigt worden seien, die „nicht ansatzweise dem Angeklagten C* ähneln“ würden, weshalb seine Vernehmung „zur Feststellung, wie das in der Einvernahme vonstatten gegangen ist“, beantragt werde. U* wiederum habe ausgesagt, dass er die Angeklagten G* und C* zusammengebracht habe, er könne daher Auskunft geben, wann sich die Angeklagten G* und C* kennengelernt haben. Ca* habe in seiner Vernehmung angegeben, G* habe ihm gesagt, dass er das Suchtgift selber hole und über die Grenze bringe. K* werde zum Beweis beantragt, dass dieser den Angeklagten C* gar nicht kenne, was im Widerspruch zu den Aussagen der Zeugin * Y* stehe, welche den Angeklagten C* belaste.
[8] Zwar zielten die Beweisanträge grundsätzlich darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten G*, jener auf zeugenschaftliche Vernehmung des K* die Glaubwürdigkeit der Zeugin Y*, zu erschüttern, sodass sie grundsätzlich – weil die Beweisführung zur Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist – auf eine erhebliche (und damit beweisbedürftige) Tatsache gerichtet waren (RIS Justiz RS0028345; Ratz , WK StPO § 281 Rz 340, 350). Sie gaben aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass G* und Y* in Bezug auf (für den Antragsteller) entscheidende Tatsachen die Unwahrheit gesagt hätten (RIS Justiz RS0120109 [T3]). Soweit die Vernehmung des Zeugen Ca* begehrt wurde, zielte der Antrag überdies auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab, weil dem Vorbringen nicht zu entnehmen war, warum die Beweisaufnahme – trotz der (bisherigen) Aussagen des Zeugen, G* habe ihm erzählt, dass er das Crystal „über der Grenze“, also aus Tschechien hole, und er wisse, dass G* „immer“ mit C* im weißen Audi unterwegs war, aber „natürlich nicht“ wisse, ob G* und C* „das Crystal gemeinsam geholt haben“ (ON 37.4, 5 in ON 39) – das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS Justiz RS0118123, RS0099453).
[9] Zu Recht abgewiesen wurde auch der Antrag auf „Beischaffung der Daten der digitalen Vignette aus Tschechien bezüglich der beiden Fahrzeuge mit den Kennzeichen * und *“ zum Beweis, dass der Angeklagte C* höchstens viermal eine solche Vignette gekauft habe, man aber auf der Autobahn ohne Vignette nicht ohne Verkehrsstrafe zum in der Anklage genannten Verkaufsort komme. Da das Unterbleiben des Kaufs einer Vignette anlässlich der Einreise nach Tschechien eine Tatbegehung nicht ausschließt, betraf der Beweisantrag schon keine erhebliche Tatsache (RIS Justiz RS0116503). Soweit darin behauptet wird, der Angeklagte C* habe beim Suchtgiftkauf am 3. Mai 2022 eine Vignette gelöst, weshalb „bei lebensnaher Betrachtung logisch“ sei, dass das auch für alle anderen Fälle gelte, legt er nicht plausibel dar, warum die angestrebte Beweisführung für den übrigen Tatzeitraum Aussagekraft haben sollte (erneut RIS Justiz RS0099453).
[10] Warum das Schöffengericht die Feststellungen zur objektiven Tatseite auf die Aussage des Angeklagten G* im Ermittlungsverfahren gestützt und dessen Angaben in der Hauptverhandlung als Schutzbehauptungen gewertet hat, blieb – dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall ) zuwider – nicht unerörtert, sondern wurde damit begründet, dass es keine nachvollziehbaren Gründe gebe, warum die bisherigen Aussagen dieses Angeklagten nicht stimmen sollten, und der Genannte „über genauere Nachfrage und Vorhalte letztlich immer wieder zu seinen ursprünglichen Angaben zurückkehrte“, welche durch die Aussagen seiner Abnehmerinnen Y* und * A* untermauert würden (US 14 f). Dass dies aus Sicht des Beschwerdeführers nicht überzeugend ist, stellt kein Begründungsdefizit dar (RIS-Justiz RS0099455; vgl auch RS0098372).
[11] Soweit die Beschwerde behauptet, es gebe trotz erfolgter Hausdurchsuchung und Überwachungsmaßnahmen „keine sonstigen objektivierten Beweisergebnisse“, welche die Angaben des Angeklagten G* stützen würden, und niemand belaste den Angeklagten C*, Suchtgift von ihm erworben oder an ihn verkauft zu haben, kritisiert sie die Beweiswürdigung des Erstgerichts bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung. Gleiches gilt für die Überlegungen zum Beweiswert der Angaben der Zeugen Y* und A*.
[12] Da die auf die Frage, ob G* erwähnt habe, „ob er das Crystal auf seine eigene Rechn ung ver kauft oder vermittelt“ , gegebene Antwort der Zeugin Y*, G* erzähle immer so viel, einmal komme er mit der Geschichte und einmal mit der, sie höre da schon gar nicht mehr zu (ON 47a S 45), den (von der Beschwerde insoweit angesprochenen) Feststellungen zur objektiven Tatseite nicht entgegen steht und somit nicht erheblich ist , musste sich das Gericht mit ihr u nter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht gesondert auseinandersetzen (RIS Justiz RS0118316, RS0106642). Gleiches gilt für die von der Beschwerde ebenfalls als übergangen reklamierte Aussage der genannten Zeugin, G* mache „mit den Arabern auch Geschäfte“ (ON 47a S 46).
[13] Warum die Feststellungen zum Wissen des Angeklagten C* über die V orschriftswidrigkeit des tatgegenständlichen Umgangs mit Suchtgift sowie dessen Aus- und Einfuhr (US 12 f) nicht jeweils auch die Willenskomponenten zum Ausdruck bringen sollten (vgl dazu RIS-Justiz RS0088835 [T4]) , macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) durch Verweis auf den in § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB normierten dolus eventualis nicht klar.
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.