12Ns46/23w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in der Strafsache gegen * S* und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 34 St 292/21x der Staatsanwaltschaft Graz, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit der Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * ist von der Entscheidung über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten Dr. * D* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. Juli 2023, AZ 9 Bs 216/23t (ON 112.3), ausgeschlossen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 14 Os 80/23f über den im Spruch genannten Rechtsbehelf zu entscheiden.
[2] Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * ist Vorsitzende des zuständigen Senats 14. Sie zeigte ihre Ausgeschlossenheit an, weil sie im Disziplinarverfahren gegen Dr. D* am Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juli 2023, AZ 23 Ds 2/23f, mit welchem der Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 7. Dezember 2022, GZ D 24/21, D 60/22, D 61/22, D 71/22 64, über die vorläufige Untersagung der Rechtsanwaltschaft (§ 19 Abs 3 Z 1 lit d DSt) keine Folge gegeben wurde, als Vorsitzende mitwirkte und überdies zu AZ 23 Ds 10/22y über die Berufung Dris. D* in einem weiteren Disziplinarverfahren als Vorsitzende des zuständigen Senats zu entscheiden hat.
[3] Nach dem Inhalt des mit der hier in Rede stehenden Grundrechtsbeschwerde bekämpften Beschlusses steht Dr. D* unter anderem im dringenden Verdacht, vom 13. Dezember 2022 „bis laufend“ gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, im Beschluss namentlich genannten Personen durch die Vorgabe, dass die am 7. Dezember 2022 durch die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer über sie verhängte einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft rechtsunwirksam sei (in eventu unter Verschweigen dieser Maßnahme), somit durch Täuschung über Tatsachen zur Zahlung anwaltlicher Honorare teils verleitet, teils zu verleiten versucht, wodurch diese in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden oder geschädigt werden sollten.
[4] Gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0097086 [T5]; Lässig , WK-StPO § 43 Rz 10 f mwN).
[5] Dies ist hier aufgrund des (teilweise) sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Gegenstand des Disziplinarverfahrens und jenem des Strafverfahrens und der Bestätigung der von der Beschuldigten (nach der vom Oberlandesgericht Graz angenommenen Verdachtslage wahrheitswidrig) als „unwirksam“ bezeichneten vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft durch den Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer aufgrund abschlägiger Entscheidung über die Beschwerde der Beschuldigten im zu AZ 23 Ds 2/23f anhängig gewesenen Beschwerdeverfahren zu bejahen (vgl 12 Ns 100/11v; 12 Ns 84/12t; 12 Ns 88/12f; 12 Ns 14/13z).