3Ob123/23v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Athanasia Toursougas-Reif, Rechtsanwältin in Pöls-Oberkurzheim, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Mag. Karin Leitner, Rechtsanwältin in Leoben, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 4. Mai 2023, GZ 2 R 51/23h 65, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[2] 2. Beim Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG kommt es nicht darauf an, ob der Kläger einen Scheidungstatbestand verwirklicht hat. Entscheidend ist allein, ob ihm eine Schuld an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist und ob, falls beiden Eheleuten ein Verschulden an der Zerrüttung vorzuwerfen ist, seine Schuld deutlich überwiegt (RS0057256), wobei das Gesamtverhalten der Ehegatten während der Ehedauer zu berücksichtigen ist; maßgebend ist, wer den entscheidenden Beitrag für die unheilbare Zerrüttung der Ehe geleistet hat (RS0057268 [T2]). Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – nicht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RS0118125).
[3] 3. Nach Eintreten der (noch nicht gänzlichen und unheilbaren) Zerrüttung gesetzte Eheverfehlungen sind zwar nicht schlechthin unbeachtlich, weil auch eine schon bestehende Zerrüttung noch vertieft werden kann (6 Ob 221/19x = RS0056900 [T5]). Ist die Ehe jedoch schon so tief zerrüttet, dass eine weitere Zerrüttung nicht eintreten konnte, so ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer neuen Verfehlung und der Zerrüttung im Allgemeinen nicht vorhanden (RS0056939 [T2]). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung spielt auch ein Ehebruch, der erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurde, bei der Verschuldensabwägung und insbesondere bei der Frage der Zuweisung eines überwiegenden Verschuldens keine entscheidende Rolle (RS0056900 [T2]).
[4] 4. Nach den Feststellungen verlief die Ehe der Streitteile bis zu dem Zeitpunkt harmonisch, als die Beklagte, die angesichts der zahlreichen Reisen des Klägers nach Thailand misstrauisch geworden war, im Jahr 2012 Hinweise auf eine Beziehung des Klägers zu thailändischen Frauen fand und letztlich in seinen Sachen auch Kondome und Gleitmittel aus Thailand entdeckte. Nach anfänglichem Leugnen gestand der Kläger, dass er Affären mit zwei Damen in Thailand unterhalte. Damit war die Ehe der Streitteile endgültig zerrüttet. Der Kläger zog daraufhin noch im Sommer 2012 aus der Ehewohnung aus und unternahm keine Bemühungen, die Ehe zu retten, weil er sie selbst nicht fortsetzen wollte. Die Beklagte nahm (erst) ab dem Jahr 2014 eine (auch sexuelle) Beziehung zu einem anderen Mann auf, die bis Jänner 2021 andauerte. Ausgehend davon ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe den Kläger, nicht korrekturbedürftig.
[5] 5. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt kann auch keine Rede von einer rechtsmissbräuchlichen Stellung des Antrags nach § 61 Abs 3 EheG durch die Beklagte sein. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung (RS0057604) ist hier schon deshalb nicht einschlägig, weil sie zu § 55 Abs 2 EheG und nicht zu § 61 Abs 3 EheG ergangen ist. Der vom Berufungsgericht zitierte Rechtssatz RS0057233 bezieht sich im Übrigen ebenfalls nicht auf § 61 Abs 3 EheG, sondern vielmehr auf § 61 Abs 2 EheG. Richtig ist, dass § 61 Abs 3 EheG nach der Intention des Gesetzgebers jenen Ehegatten schützen soll, der trotz einer vom anderen allein oder überwiegend verschuldeten Zerrüttung (§ 55 EheG) an der Ehe festhalten will (vgl 4 Ob 31/08z mwN = RS0056868 [T1]). Dies hat die Beklagte, die selbst keine Scheidungsklage eingebracht hat, aber ohnehin getan. Daran kann die von ihr erst nach vollständiger Zerrüttung der Ehe eingegangene (und bei Einbringung der Scheidungsklage bereits wieder beendete) mehrjährige Beziehung zu einem anderen Mann nichts ändern.