11Os28/23m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juli 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Obergruber LL.M. als Schriftführer in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Dezember 2022, GZ 315 Hv 68/22f 187.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant gekürzt wiedergegeben – am 23. Jänner 2022 in S* mit mehreren im Urteil namentlich genannten Mittätern mit Gewalt gegen Personen sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben I* C* und Mag. S* C* fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, Gold und Schmuck im Gesamtwert von rund 800.000 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, wobei er unter anderem in Kenntnis des Tatplans das Tatfahrzeug besorgte und die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds der kriminellen Vereinigung sowie unter Verwendung einer Waffe beging und Mag. S* C* durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5), die nur dann gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS Justiz RS0119370), ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden in diesem Zusammenhang nicht angesprochen) – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS Justiz RS0106268).
[5] Dass der Angeklagte mit seinem Sohn als „Tippgeber“ fungierte und ein geeignetes Zielobjekt ausfindig machte (US 3 f), hat das Erstgericht aus den Angaben eines Mitangeklagten und mit Überlegungen zum Wohnort des Beschwerdeführers in der weiteren Umgebung des späteren Tatorts und der Anreise der übrigen Angeklagten aus dem Ausland (US 10), mängelfrei erschlossen. Die Kritik, es müsste dem Erstgericht „notorisch bekannt sein“, dass „ kriminelle Vereinigungen aus dem Ausland keinen inländischen Tippgeber“ bräuchten und Zielobjekte auch leicht „anhand von Google Maps ausfindig“ machen könnten, stellt sinnfällig den bloßen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) zu bekämpfen. Mit der bestreitenden Verantwortung des Angeklagten haben sich die Tatrichter – der Beschwerde zuwider (Z 5 zweiter Fall) – auseinandergesetzt und sie mit eingehender Begründung als unglaubhaft verworfen (US 10 ff).
[6] Dass der Kaufvertrag für das Fluchtfahrzeug nicht vom Angeklagten, sondern seinem Sohn (mit einer falschen Identität) in dessen Anwesenheit unterfertigt wurde, steht der auch auf die zeugenschaftlichen Angaben des Verkäufers des Autos und die Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung (US 11 f) gestützten Feststellung , Aufgabe des Angeklagten wäre unter anderem die Besorgung eines solchen Fahrzeugs gewesen (US 3), nicht entgegen. Dass das Erstgericht aus den gerade nicht unberücksichtigt gebliebenen (US 11 f, insb US 13) Angaben des Sohnes andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse hätte ziehen können, sich aber dennoch für die ungünstigeren entschieden hat, ist Ausdruck der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 zweiter Satz StPO), die mit Mängelrüge unbekämpfbar ist (RIS Justiz RS0114524, RS0099419).
[7] Den – im Übrigen nicht entscheidenden – Ankauf von Fessel- und Einbruchswerkzeug durch den Angeklagten erschlossen die Tatrichter aus dem Kauf entsprechender Gegenstände bei einem bestimmten Baumarkt in Tatortnähe und den (den Aufenthalt des Angeklagten dort bestätigenden) Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung (US 13 f). Dass dem Beschwerdeführer diese Begründung nicht überzeugend erscheint, stellt den Nichtigkeitsgrund der Z 5 vierter Fall nicht dar (vgl RIS Justiz RS0099455). Inwiefern die Angaben eines Mitangeklagten, wonach er nicht wisse, wer die Gegenstände besorgt hätte, der Konstatierung erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, erklärt die Rüge nicht.
[8] Der in Bezug auf die Feststellungen zum Auskundschaften des Tatorts (US 4 f) und zum Wissen des Angeklagten um den Tatplan (US 5 f, US 9 f) erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit verkennt, dass nur die unrichtige und unvollständige Wiedergabe des Inhalts einer Aussage im Urteil, nicht aber die daraus gezogenen, als „lebensfremd“ bezeichneten Schlussfolgerungen Nichtigkeit in diesem Sinn begründen (RIS Justiz RS0099431) und spricht überdies mit der Thematisierung, an welchem Tag (30. oder 31. Dezember 2021) das Auskundschaften stattgefunden hätte, keine entscheidende Tatsache an.
[9] Dem weiteren Beschwerdevorwurf „floskelhafter“ und „keinerlei“ Begründung zuwider (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite einschließlich des Vorsatzes des Beschwerdeführers auf Verwendung einer Waffe durch die unmittelbaren Täter (US 6 f, US 9 f) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 7 ff) sowie der mehrwöchigen akribischen Planung des Überfalls und der gemeinsamen Ausarbeitung des Tatplans (US 3 ff) logisch und empirisch einwandfrei abgeleitet (US 21 – vgl RIS Justiz RS0119370).
[10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erklärt nicht, weshalb die – prozessordnungswidrig übergangenen (RIS Justiz RS0099810) – Konstatierungen, wonach der Angeklagte „so viel Beute wie möglich machen“ wollte, er wusste und wollte, dass Gegenstände im Wert von 800.000 Euro erbeutet wurden und wusste, dass er darauf keinen Anspruch hatte (US 10), die Annahme des auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes nicht tragen sollten (RIS Justiz RS0116569).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde w ar daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.