JudikaturOGH

15Os57/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Mag. Eschenbacher als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des S* S* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. März 2023, GZ 91 Hv 4/23h 17.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde S* S* in ein forensisch-therapeutisches Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er am 24. August 2022 in W* unter dem maßgeblichen Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit (§ 11 StGB) ausschließenden Zustands, der auf einer schwerwiegenden und nachhaltigen (psychischen) Störung beruhte, nämlich einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit schweren Impulsdurchbrüchen im Rahmen einer psychotischen Dekompensation und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, impulsiven, narzisstischen und dissozialen Anteilen, den Justizwachebeamten E* Sa*

I./ mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an d er Verbringung aus ein em Haftraum und d er anschließenden Fixierung, zu verhindern versucht hat, indem er sich loszureißen und dem Genannten gezielte Kniestöße zu versetzen versuchte;

II./ durch die zu I./ geschilderte Tathandlung während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten am Körper zu verletzen versucht hat,

und somit „Taten“ (richtig: in Idealkonkurrenz eine Tat; vgl RIS-Justiz RS0090571 [T2]) begangen hat, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (erster Fall) StGB (I.) und das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II.) „mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

[3] Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (insbesondere zum Erkennen der einschreitenden Beamten als Justizwachebeamte im Dienst; US 5) aus dem äußeren Tatgeschehen (US 7 iVm US 5), welches aus Angaben der drei einschreitenden Justizwachebeamten und dem damit übereinstimmenden sonstigen (in der Hauptverhandlung vorgekommenen; vgl ON 17.2 S 14) Akteninhalt erschlossen wurde (US 7; zu verbalen Aggressionen gegen einschreitende Justizwachebeamte und deren „Beschimpfung“ bzw Bezeichnung als „Arschlöcher“ vgl ON 2 S 2 und 5 und ON 17.2 S 8 und 10 f), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer aus diesen Beweisergebnissen mit Blick auf den genauen Wortlaut seiner Äußerungen gegen die Beamten H* und Sa* andere Schlüsse in Bezug auf seinen Vorsatz gezogen wissen will, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (vgl auch RIS-Justiz RS0099524).

[4] Das Erstgericht beschrieb unter Berücksichtigung von Person und Zustand des Betroffenen sowie der Anlasstat die als hoch wahrscheinlich erwartete Prognosetat als „äquivalente mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen wie die gegenständliche Taten, aber auch schwerwiegende Tathandlungen gegen Personen samt Angriffen gegen Leib und Leben mit allenfalls zumindest auch schweren Körperverletzungen“ und als „unmotivierte und auch massive“ Anwendung von körperlicher Gewalt gegen mit dem Betroffenen in Konflikt geratene Personen bis zu deren vorsätzlich oder absichtlich schwerer Verletzung (US 6, 8). Weshalb dies angesichts der Strafdrohungen des § 84 Abs 2 StGB (Freiheitsstraf e bis zu drei Jahren), des § 84 Abs 4 StGB (Freiheitsstraf e von sechs Monaten bis zu fünf Jahren; RIS-Justiz RS0131591) und des § 87 Abs 1 StGB (Freiheitsstraf e von einem bis zu zehn Jahren) für den rechtlichen Schluss (US 9) auf eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen iSd § 21 Abs 3 zweiter Satz StGB (gegen Leib und Leben gerichtet und mit mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht) nicht genügen sollte, lässt die „detaillierte und konkrete Feststellungen zum Vorliegen einer Progonosetat“ vermissende Beschwerde (Z 11 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0113980) nicht erkennen (RIS-Justiz RS0099810, RS0116569). Soweit der Beschwerdeführer die Sachverhaltsgrundlage der Prognoseentscheidung als offenbar unzureichend begründet erachtet (Z 5 vierter Fall), macht er bloß einen Berufungsgrund geltend (RIS Justiz RS0099869 [T19], RS0127354, RS0101709 [T2]).

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Rückverweise