JudikaturOGH

7Ob78/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P* H*, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch die BLS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.323,36 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2022, GZ 50 R 56/22z 20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 9. Mai 2022, GZ 21 C 243/21w 14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 602,54 EUR (darin enthalten  100,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der * 1947 geborene Kläger schloss mit der Beklagten im Jahr 1984 einen Er- und Ablebensversicherungsvertrag mit Gewinnbeteiligung ab, der vertragsgemäß am 1. Februar 2032 enden sollte. Darüber hinaus ermöglichte die Beklagte dem Kläger eine Vertragsbeendigung zu begünstigten Bedingungen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Die diesbezügliche Klausel (in der Folge auch Besondere Bedingung) lautet:

„Begünst.Rückkauf – Klausel 511

Der Versicherungsnehmer hat das Recht, diese Lebensversicherung zu begünstigten Bedingungen zum 60. Lebensjahr aufzulösen und die Auszahlung eines nach versicherungstechnischen Grundsätzen errechneten Ablösebetrags zu verlangen. Diese Ablösesumme beträgt, wenn die versicherte Person das versicherungsmäßig 60. Lebensjahr vollendet hat

EUR 5.323,96.

Dieser Betrag erhöht sich noch um den Rückkaufswert des bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Gewinnkapitals, das sind

EUR 4.092,02.

Die angegebenen Werte gelten unter der Voraussetzung, dass die vertragsmäßigen Beträge bis zu diesem Termin entrichtet wurden. Eine begünstigte Auflösung zu einem anderen Zeitpunkt ist nicht möglich.

Da die in den künftigen Jahren erzielbaren Überschüsse nicht vorausgesehen werden können, beruhen Zahlenangaben über die Gewinnbeteiligung auf Schätzungen, denen die gegenwärtigen Verhältnisse zugrunde liegen. Solche Angaben sind daher unverbindlich. Die Höhe vergangener Zuteilungen lässt keine Rückschlüsse auf künftige Ergebnisse zu. Insbesondere bei längeren Laufzeiten können die tatsächlichen Zuteilungen von den dargestellten Werten stark abweichen.“

[2] D er Kläger kündigte den Versicherungsvertrag zum 1. Februar 2021. Er erhielt von der Beklagten einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 14.904,31 EUR, der sich laut Schreiben der Beklagten aus dem „Rückkaufswert“ von 8.945,50 EUR sowie einer „Gewinnbeteiligung“ von 5.965,81 EUR, abzüglich Prämien von 7 EUR, zusammensetzt.

[3] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die vom Kläger als erheblich bezeichnete Rechtsfrage der näheren Präzisierung des Rückkaufswerts nach § 176 Abs 3 VersVG als Zeitwert der Versicherung ist schon deshalb nicht von Relevanz, weil er die von der Beklagten errechneten Werte zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen hat.

[5] 2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[6] 2.2. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516). Dass die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen nicht bereits höchstgerichtliche Judikatur existiert, im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel ist, gilt nach ständiger Rechtsprechung dann nicht, wenn der Wortlaut der betreffenden Bestimmung so eindeutig ist, dass keine Auslegungszweifel verbleiben können (RS0121516 [T6]; 7 Ob 204/20f). Ein solcher Fall liegt vor:

[7] 2.3. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel erhält der Versicherungsnehmer, wenn er das 60. Lebensjahr vollendet hat (hier: Februar 2007), einen als „Ablösesumme“ bezeichneten Betrag von 5.323,96 EUR zuzüglich eines Betrags von 4.092,02 EUR, der als „Rückkaufswert des bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Gewinnkapitals“ bezeichnet wird. Damit ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer völlig klar geregelt, dass sich sein Zahlungsanspruch bei begünstigter Vertragsauflösung nur aus diesen (zwei) Positionen zusammensetzt, wovon eine als „Ablösesumme“ und die andere als „Rückkaufswert des bis dahin erworbenen Gewinnkapitals“ bezeichnet wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte in ihrem Schreiben an den Beklagten anstelle der oben genannten Positionen die Begriffe „Rückkaufswert“ und „Gewinnbeteiligung“ verwendet hat. Da der Kläger die Beendigung des Vertrags nicht mit Vollendung seines 60. Lebensjahres erklärt hat, sondern erst zum Ablauf des 37. Versicherungsjahres (1. Februar 2021), hat die Beklagte nicht die in der Klausel angeführte (begünstigte) Ablösesumme von 5.323,96 EUR samt (vereinfacht ausgedrückt) Gewinnbeteiligung, sondern die rechnerisch zu diesem Zeitpunkt zustehende begünstigte Ablösesumme von 8.945,50 EUR samt Gewinnbeteiligung ausbezahlt. Das Argument des Klägers, ihm stünden noch zusätzlich 5.323,96 EUR zu, weil in der Klausel angeordnet sei, „Dieser Betrag erhöht sich noch um den Rückkaufswert […] und den Schlussgewinnanteil“, scheitert schon daran, dass sich dieser Wortlaut gerade nicht in der unbestritten, seit 2015 geltenden, Klausel findet.

[8] 2.4. Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 5.323,96 EUR.

[9] 3. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

[10] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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