JudikaturOGH

8Ob12/23g – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj S* G*, geboren * 2018, 2. mj K* G*, geboren * 2016, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter L* G*, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 9. Jänner 2023, GZ 20 R 145/22f 70, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Rekursgericht hat in seiner Entscheidung auch die von der Mutter unter anderem in ihrer Rekursbeantwortung vorgelegten Ausdrucke von Chats (S 20 des Beschlusses) und die speziell beim Kindesvater bestehenden Probleme auf der „Paarebene“ (S 23, Anlass für die Anordnung einer Elternberatung) berücksichtigt. Ein Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Zwar enthält der Revisionsrekurs umfangreiche theoretisch gehaltene Abhandlungen zur Zulässigkeit von Neuerungen im Obsorgeverfahren, ohne aber darzulegen, welche neuen und relevanten Aspekte sich aus den vorgebrachten Neuerungen für die Erziehungsfähigkeit des Vaters eigentlich konkret ableiten lassen sollten.

[2] 2. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge zukommen soll und ob die Voraussetzungen für die gemeinsame Obsorge vorliegen, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Sie begründet, soweit den Vorinstanzen keine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen ist, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (RIS Justiz RS0097114; RS0007101). Soweit der Revisionsrekurs von unüberbrückbar konfliktbehafteter Beziehungssituation und (nur beim Antragsgegner verorteter) mangelnder Kommunikationsfähigkeit ausgeht, widerspricht er den Feststellungen. So übergeht der Rechtsmittelvorwurf, nur der Vater habe sich in der Diskussion über den künftigen Schulstandort für die mj K* mit unbedachten Vorschlägen verantwortungslos gezeigt, vollständig die tatsächlich vollendete eigenmächtige Vorgangsweise der Mutter. Der Umstand, dass Spannungen zwischen den Elternteilen bestehen, die ihre Diskussionen über wesentliche Belange der Kinder erschweren, hat das Rekursgericht berücksichtigt, hingegen ist weder dem Sachverhalt noch den Rekursausführungen zu entnehmen, dass sie ein Ausmaß erreicht hätten, das gegen die Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge sprechen könnte.

[3] 3. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen im Sinn des § 107 Abs 3 Z 1 bis 5 AußStrG anzuordnen sind, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und wirft daher keine über diesen hinaus erheblichen Rechtsfragen auf. Die Beurteilung, dass mit der ohnedies aufgetragenen Elternberatung vorläufig das Auslangen gefunden werden kann und eine zusätzliche „Männerberatung“ oder „psychologische Beratung zur Verarbeitung der Trennung“ für den Antragsgegner derzeit im Interesse des Kindeswohls nicht angeordnet werden muss, ist begründet und nach dem Sachverhalt keineswegs unvertretbar. Ob es sich bei der beantragten „Männerberatung“ überhaupt um eine nach § 107 Abs 3 AußStrG gedeckte Maßnahme handeln würde (vgl RS0129658; 5 Ob 53/18g ua) kann hier dahingestellt bleiben.

[4] 4. Mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rückverweise