JudikaturOGH

2Ob93/23z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in Eugendorf, gegen die beklagten Parteien 1. D*, und 2. W*, beide vertreten durch Dr. Heinrich Giglmayr, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 6.700 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. Februar 2023, GZ 53 R 239/22m 33, womit das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 13. September 2022, GZ 2 C 239/22k-27, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 917,02 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 152,84 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Am 17. 11. 2021 gegen 17:00 Uhr ereignete sich im Ortsgebiet von Eugendorf im Bereich der Krahlhammerstraße ein Verkehrsunfall zwischen einem vom Kläger gelenkten Elektrofahrrad und einem von der Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen sowie bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW. Der Kläger befuhr einen entlang der Bundesstraße verlaufenden Geh- und Radweg, der lediglich durch einen schmalen Grünstreifen von der (aus Sicht des Klägers rechts gelegenen) Bundesstraße getrennt ist. In die gleiche Fahrtrichtung wie der Kläger befuhr die Erstbeklagte die Bundesstraße und ordnete sich auf dem zum Linksabbiegen markierten Fahrstreifen ein, um in die Krahlhammerstraße einzubiegen. Sie brachte ihr Fahrzeug wegen Gegenverkehrs zum Stillstand und begann letztlich mit dem Einbiegemanöver, ohne auf allfällige Verkehrsteilnehmer auf dem Geh- und Radweg zu achten. Die Erstbeklagte hätte den herannahenden Kläger sehen und das Abbiegemanöver unterlassen können. Der Kläger konnte den PKW in Annäherung an die Unfallstelle hingegen erst so spät erkennen, dass er nicht mehr unfallvermeidend reagieren konnte.

[2] Der Kläger begehrt die Zahlung von 6.700 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige, derzeit nicht bekannte Schäden. Der Erstbeklagten sei ein gravierender Aufmerksamkeits- bzw Fahrfehler anzulasten. Der Kläger habe sich auf einem bevorrangten „Fahrradweg“ befunden. Auf einen ihr allenfalls zukommenden Vorrang habe die Erstbeklagte jedenfalls verzichtet.

[3] Die Beklagten wenden das Alleinverschulden des Klägers ein. Der Unfall habe sich bei Dunkelheit und Nieselregen ereignet, das Fahrrad sei nicht, jedenfalls aber mangelhaft beleuchtet gewesen. Der mit relativ schneller Geschwindigkeit fahrende Kläger sei gemäß § 19 Abs 6a StVO benachrangt gewesen.

[4] Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit 3.392 EUR sA sowie dem Feststellungsbegehren statt und wies das Zahlungsmehrbegehren von 2.708 EUR sA unbekämpft ab. Es ging vom Alleinverschulden der Erstbeklagten aus.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Urteil im Umfang der Anfechtung auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Der Kläger habe eine durchgehend vorhandene Radfahranlage befahren und sich damit im Vorrang befunden. Die Erstbeklagte habe vor dem Einbiegen entgegen § 11 Abs 1 StVO nicht auf den Rad- und Fußgängerverkehr auf dem Geh- und Radweg geachtet, sodass sie jedenfalls ein Verschulden am Unfall treffe. Ob den Kläger ein Mitverschulden wegen nicht ausreichender Beleuchtung des Fahrrads oder überhöhter Geschwindigkeit treffe, lasse sich aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Der Kläger müsse auch als bevorrangter Verkehrsteilnehmer eine angemessene Geschwindigkeit wählen.

[6] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Kreuzung und der Vorrangsituation bei der gewählten außergewöhnlichen Verkehrsführung über den Anlassfall hinaus Bedeutung habe.

[7] Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Abänderungsantrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

[8] Die Beklagten beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig .

[10] 1. Der Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts erschöpft sich letztlich darin, dass der Oberste Gerichtshof zur konkret zu beurteilenden Unfallörtlichkeit – und damit einem gleich gelagerten Sachverhalt – noch nicht Stellung genommen habe. Das begründet noch keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (vgl RS0110702; RS0102181).

[11] Im Übrigen pflichtet der Kläger in seinem Rekurs sämtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zur rechtlichen Qualifikation der Unfallörtlichkeit und den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen für die Unfallbeteiligten ausdrücklich bei, weshalb er in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht aufzuzeigen vermag (vgl RS0102059).

[12] 2. Der Kläger argumentiert, dass das Berufungsgericht das Ersturteil nicht wegen fehlender Feststellungen im Zusammenhang mit der Frage der Beleuchtung des Fahrrads aufheben hätte dürfen.

[13] 2.1. Vorschriften über die erforderliche Beleuchtung von Fahrrädern finden sich in § 60 Abs 3 StVO und § 1 Abs 1 Z 3 bis 6 sowie Abs 4 Fahrradverordnung (BGBl II 146/2001 idgF). Die Bestimmungen sehen sowohl Scheinwerfer oder Rücklichter („aktive Beleuchtungseinrichtung“) als auch Rückstrahler („passive Beleuchtungseinrichtung“) vor. Diesen Schutznormen kommt für die Verkehrssicherheit besondere Bedeutung zu. Der Zweck der für Fahrräder normierten Beleuchtungsvorschriften liegt unter anderem darin, bei Dunkelheit die Wahrnehmbarkeit von Fahrrädern für andere Verkehrsteilnehmer zu erleichtern (zu alldem 2 Ob 120/21t Rz 46 mwN).

[14] Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht ebenso wie jene zu den Voraussetzungen für die Annahme rechtmäßigen Alternativverhaltens bei Verletzung eines Schutzgesetzes (2 Ob 120/21t Rz 47 mwN) dargestellt. Die Richtigkeit dieser Ausführungen wird im Rekurs nicht angezweifelt.

[15] 2.2. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden oder wird sie vom Rekurswerber nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179 [T22]).

[16] Da das Erstgericht zu den konkreten Sichtverhältnissen und zur Beleuchtung des Fahrrads überhaupt keine Feststellungen getroffen hat, fehlt den Ausführungen des Klägers zur vorschriftsgemäßen Ausstattung des Fahrrads und der mangelnden Kausalität des „möglicherweise nicht eingeschalteten Rücklichts“ überdies die Sachverhaltsgrundlage. Entgegen den Ausführungen im Rekurs haben die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren hinreichendes Vorbringen zur fehlenden Beleuchtung des Fahrrads erstattet.

[17] 3. Insgesamt war der Rekurs damit zurückzuweisen.

[18] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt. Vielmehr sind den Beklagten, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen haben, die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen (RS0123222 [T4]).

Rückverweise