5Nc11/23x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Gunther Leodolter, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei A * , vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 22.120,93 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei im Verfahren AZ 57 Cg 71/22z des Handelsgerichts Wien, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht fü r Zivilrechtssachen Graz wird abgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes insgesamt 22.120,93 EUR. Der ihm von der Beklagten verkaufte gebrauchte PKW Audi A7 weise grobe Mängel auf, die die Fahrtauglichkeit beeinträchtigten. Eine vollständige Mängelbehebung sei nicht erfolgt.
[2] Die Beklagte erhob Einspruch gegen den Zahlungsbefehl und bestritt das Vorliegen von Mängeln.
[3] Nach Ausschreibung der vorbereitenden Tagsatzung durch das Handelsgericht Wien beantragte der Kläger die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, weil sowohl der Kläger als auch die wesentlichen Zeugen im Sprengel dieses Landesgerichts wohnen und auch das – fahruntüchtige – Fahrzeug, das im Verfahren von einem Kfz-technischen Sachverständigen zu befunden sein werde, sich in Graz befinde. Mit der Weiterführung des Verfahrens vor dem Handelsgericht Wien sei wegen des Zurücklegens weiter Wegstrecken für das Gericht, den beizuziehenden Sachverständigen, den Kläger sowie die vom Kläger beantragten Zeugen ein erheblicher Mehraufwand verbunden.
[4] Die Beklagte sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus u nd b rachte dazu vor, dass sowohl sie selbst als auch drei weitere Zeugen in Wien wohnen und ein weiterer Zeuge in Schwechat beim ÖAMTC beschäftigt sei. Für alle diese Personen wäre eine Anreise nach Graz mit nicht unbeträchtlichem Aufwand und Kosten verbunden.
[5] Das Erstgericht befürwortet die Delegierung unter Hinweis auf den Wohnsitz des Klägers und der von ihm beantragten Zeugen in Graz. Der fahruntüchtige PKW könne kosten- und zeitgünstiger in Graz in einer ortsansässigen Werkstätte befundet werden. Der Wohnsitz der von der Beklagten geführten Zeugen falle nicht entscheidend ins Gewicht.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
[7] 1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall bilden. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324).
[8] 2.1. Im hier zu beurteilenden Fall wohnt der Kläger in Graz, die Beklagte hat allerdings ihren Sitz in Wien und die von ihr namhaft gemachten Zeugen sind unter Adressen in Wien und Schwechat zu laden. Die vom Kläger namhaft gemachten Zeugen (offensichtlich seine Angehörigen) sind aus Graz. Die Lage eines Augenscheinsgegenstands könnte für die Delegierung sprechen (5 Nc 24/17z). Allerdings wird es hier primär auf die Beurteilung der vom Kläger behaupteten Mängel durch einen einschlägig fachkundigen Sachverständigen (und nicht einen Augenschein des Gerichts) ankommen, der die Befundaufnahme am Fahrzeug am Wohnort des Klägers oder einer Werkstätte in dessen Nahbereich vornehmen kann. Die Notwendigkeit einer Befundaufnahme bei einem – wie hier – beweglichen, beim Käufer befindlichen Kaufgegenstand bildet für sich noch keinen ausreichenden Delegierungsgrund im Sinn des § 31 Abs 1 JN, würde dies doch im Ergebnis regelmäßig eine dem Gesetz widersprechende Änderung der Zuständigkeitsordnung zu Gunsten eines Käufers bedeuten (5 Nc 24/17z).
[9] 2.2. Ein zu bestellender Sachverständiger kann im Übrigen aus dem Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz gewählt werden, was die Anreisekosten für eine Befundaufnahme jedenfalls reduzieren würde. Selbst bei Auswahl eines Sachverständigen aus Wien wäre dessen Anreiseaufwand zur Befundaufnahme nach Graz nicht dermaßen hoch, dass der mit einer Führung des Verfahrens beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz verbundene (insoweit etwas geringere) Kostenaufwand ungeachtet der ablehnenden Stellungnahme der Beklagten eindeutig für eine Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung bei allen Verfahrensbeteiligten sprechen würde (RS0046324).
[10] 3. Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen.
[11] 4. Eine Kostenentscheidung entfiel, weil im Delegierungsverfahren keine Kosten verzeichnet wurden.