JudikaturOGH

22Ds8/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 22. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Richterin sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Schimik als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 12. Juli 2022, GZ D 20 39, 3 DV 21 22 31, nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Gegen den Beschuldigten wurde wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes ein Verfahren gemäß dem 5. Abschnitt des DSt geführt. Infolge Zurückziehung der vom Beschuldigten gegen das diesbezügliche Erkenntnis des Disziplinarrats vom 10. Mai 2022 (ON 24) erhobenen Berufung ist dieses Verfahren seit 25. Mai 2023 rechtskräftig abgeschlossen (ON 10 der Ds Akten).

[2] Im (damals noch) laufenden Verfahren hat der Beschuldigte mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 (ON 27) ein Begehren nach Art 15 Abs 3 DSGVO gestellt und eine Kopie seiner p ersonenbezogenen Daten, die Gegenstand der Datenverarbeitung (Art 4 Z 2 DSGVO) durch den Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer (Art 4 Z 7 DSGVO) durch technische und im Zusammenhang mit technischen Einrichtungen zur Wortaufnahme einschließlich deren Transkription sind, angefordert.

[3] Mit weiterem Schriftsatz vom 1. Juli 2022 (ON 29) ergänzte der Beschuldigte, dass es sich bei seinem Begehren um „civil rights“ handle und der Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer weder eine Strafverfolgungsbehörde noch ein Gericht sei. Zudem dehnte er sein Auskunftsbegehren um die Erteilung der Auskünfte nach Art 15 Abs 1 lit a, b, c und d DSGVO sowie nach Art 15 Abs 2 DSGVO aus.

Rechtliche Beurteilung

[4] Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Vorsitzende des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer das Auskunftsbegehren (§ 20 Abs 4 DSt) zurück.

[5] Die VO (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl L 2016/119, 1 (im Folgenden: DSGVO), die mit 25. Mai 2018 in Geltung gesetzt worden ist, sieht für den Bereich der justiziellen Tätigkeit partielle Ausnahmen vor. Darüber hinaus besteht aufgrund der „Öffnungsklausel“ des Art 23 DSGVO für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Pflichten und Rechte nach Art 12 bis 22 und 34 DSGVO durch Rechtsvorschriften gesetzlich zu beschränken, sofern eine solche Beschränkung notwendig und verhältnismäßig ist und der Sicherstellung bestimmter in Art 23 Abs 1 lit a bis j DSGVO angeführter Schutzzwecke dient. Darunter fällt auch der Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und der Schutz von Gerichtsverfahren (Art 23 lit f DSGVO). Der Anwendungsbereich der DSGVO betrifft auch den Regelungsbereich des anwaltlichen Disziplinarrechts (ErläutRV 65 BlgNR 26. GP 145).

[6] Die Umsetzung des durch die „Öffnungsklausel“ eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums erfolgte durch das Materien Datenschutz Anpassungsgesetz 2019 BGBl I 2018/32. Zu den hier interessierenden Bestimmungen verweisen die Gesetzesmaterialien auf die Ausführungen zu § 84 GOG (ErläutRV 65 BlgNR 26. GP 148).

[7] Durch die im Materien Datenschutz Anpassungsgesetz festgelegten Regelungen der R AO und des DSt wird der Sicherstellung des geordneten Ablaufs von Disziplinarverfahren auch im Lichte der Bestimmungen der DSGVO Rechnung getragen. Daneben bleibt die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde als Aufsichtsbehörde unberührt, wobei diese Zuständigkeit nur soweit reicht, als Rechte und Pflichten des Einzelnen nach der DSGVO bestehen.

[8] Unter Beachtung der Zielsetzungen des anwaltlichen Disziplinarverfahrens im Sinn eines dem übergeordneten Interesse an einer geordneten Rechtspflege dienenden Anspruchs auf Gewährleistung einer wirksamen Verfolgung von Verstößen gegen das anwaltliche Berufs und Standesrecht sowie den Vorgaben des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK enthält das DSt in seinem 5. Abschnitt ausreichende Bestimmungen dazu, wie die Verwendung der benötigten Daten zu erfolgen hat. Auch die Informations und Auskunftsrechte des Beschuldigten (siehe insb § 22 Abs 4 und § 27 Abs 2 DSt) und das Recht auf Akteneinsicht (§ 27 Abs 5 und § 31 Abs 3 DSt) sind geregelt.

[9] Demzufolge kann der Beschuldigte im Zusammenhang mit der im Rahmen des 5. Abschnitts des DSt ausgeübten justiziellen Tätigkeit des Disziplinarrats einen Anspruch auch nicht hilfsweise auf die Art 12 bis 22 und 34 DSGVO stützen.

[10] Da Begehren, denen die rechtliche Grundlage fehlt, zurückzuweisen sind, war mit der diesbezüglichen Beschwerde ebenso zu verfahren.

Rückverweise