12Os48/23k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Februar 2023, GZ 86 Hv 107/22t 36.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 13. August 2022 in W* versucht, eine Person, die wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, und zwar die durch die Einnahme von Lyrica, Rivotril und Tramadol stark beeinträchtigte * S*, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch zu missbrauchen, dass er mit ihr den Beischlaf vornehmen wollte, indem er ihre Hose nach unten zog und im Begriff war, auch die Unterhose herunterzuziehen, um in weiterer Folge mit seinem Penis vaginal in sie einzudringen, als er bei der Tatbegehung gestört wurde (US 3).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die n ominell geltend gemachte Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels im Urteil (RIS Justiz RS0099431). Eine solche behauptet die Beschwerde mit dem Einwand, dass die Aussage der Zeugin * E* mit den Feststellungen zum Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung beim Opfer nicht im Einklang stünde, gar nicht.
[5] Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider steht die Aussage der Zeugin E* zum Zustand des Opfers im – sowohl dem Tatgeschehen als auch dem Verlassen der Wohnung durch die Zeugin vorgelagerten – Zeitpunkt der Aufnahme eines Videos und des Zubettgehens des Opfers (ON 31.2 S 16, 19, 20 und 21 ) nicht im erörterungsbedürftigen Widerspruch (vgl RIS-Justiz RS0098646) zur Feststellung über dessen Zustand im Zeitpunkt der Tatausführung.
[6] Gleiches gilt für die (im Übrigen in der Beschwerde sinnentstellt wiedergegebene) Aussage der Zeugin * Y*, welche die Situation im Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung – erkennbar gemeint – in Bezug auf einen Übergriff auf S* als nicht problematisch einstufte (ON 31.2 S 25), aber auch aussagte, dass S* geschlafen hatte und nicht mehr aufgeweckt werden konnte (ON 31.2 S 26). Im Übrigen sind subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und Schlussfolgerungen sowie ähnliche intellektuelle Vorgänge kein Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS-Justiz RS0097540), weshalb die geschilderte Einschätzung der Zeugin keiner Erörterung im Urteil bedurfte.
[7] Das Erstgericht begründete seine Feststellung zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des versuchten Missbrauchs durch Vornahme des Beischlafs (US 3) damit, dass der Angeklagte seinen Penis entblößt und damit begonnen hatte, dem Opfer die Unterhose auszuziehen (US 7). Entgegen der Mängelrüge ist dieser Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen ohne Weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671 [T5]).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.