3Ob83/23m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die verpflichtete Partei D*, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Aidin, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Räumung, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. Februar 2023, GZ 5 R 169/22t-67, 5 R 172/22h-70, 5 R 173/22f-71, 5 R 174/22b-72, und vom 16. Februar 2023, GZ 5 R 177/22v-75, mit denen jeweils die Rekurse gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 13. Juli 2022, GZ 241 E 1871/22i-4 sowie vom 9. September 2022, GZ 241 E 1871/22i-11, vom 20. September 2022, GZ 241 E 1871/22i-20, GZ 241 E 1871/22i-21 sowie GZ 241 E 1871/22i-22, und vom 19. Oktober 2022, GZ 241 E 1871/22i-39, zurückgewiesen wurden bzw diesen nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsrekurse zu 3 Ob 83/23m, 3 Ob 84/23h, 3 Ob 85/23f und 3 Ob 87/23z werden zurückgewiesen.
Der Revisionsrekurs zu 3 Ob 86/23b wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Betreibende beantragte am 31. Mai 2022 die Räumungsexekution gegen die Verpflichtete aufgrund des vollstreckbaren Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. August 2021. Nach einem Verbesserungsverfahren (Vorlage des Titels im Original und einer Ausfertigung der Vollstreckbarkeitsbestätigung) bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 13. Juli 2022 die Räumungsexekution für die näher bezeichnete Liegenschaft samt Gebäuden.
[2] Der Räumungstermin wurde für den 12. September 2022 anberaumt. Im Zeitraum von 12. bis 15. September 2022 wurde die Räumung vollzogen und der Betreibenden das Objekt samt 31 Schlüsseln übergeben.
[3] Mit Beschluss vom 23. September 2022 zu 4 Ob 108/22v wies der Oberste Gerichtshof die außerordentliche Revision der im Titelverfahren Beklagten (= der nun Verpflichteten) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück.
1. Zu 3 Ob 83/23m :
[4] Mit Beschluss vom 15. Februar 2023 zu AZ 5 R 169/22t (ON 67) wies das Rekursgericht den Rekurs der Verpflichteten gegen die Bewilligung der Räumungsexekution (ON 4) sowie gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Aufschiebung der Exekution und Abberaumung des Räumungsterms abgewiesen worden war (ON 11), wegen fehlender Beschwer zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige. Der Revisionsrekurs sei gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 EO jedenfalls unzulässig.
[5] Gegen den Ausspruch über die Bewilligung der Räumungsexekution richtet sich der von der Verpflichteten erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs“ zu 3 Ob 83/23m.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1.1 Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindend, es sei denn, das Gericht zweiter Instanz hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt oder den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (RS0042450 [T7, T19]; RS0042515 [T8]). Bestehen – wie hier – keine zwingenden Bewertungsvorschriften, so hat sich die Bewertung am objektiven Wert der Streitsache zu orientieren; nur eine offenkundige Fehlbeurteilung wäre aufzugreifen (RS0118748; RS0042450 [T8]).
[7] 1.2 Die Verpflichtete argumentiert, die „Bemessungsgrundlage“ habe „zumindest jenen Wert, der bei Antragstellung der Räumungsexekution angegeben“ worden sei, und habe sich am Titelverfahren zu orientieren. Dabei lässt sie allerdings außer Acht, dass die Bewertung des zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstands weder aufgrund des im Titelverfahren relevanten Liegenschaftswerts noch nach der von der Betreibenden in ihrem Antrag für die Vertretungskosten angeführten Bemessungsgrundlage vorzunehmen ist. Aus welchem Grund hier nach Vollzug und Beendigung der Räumungsexekution eine höhere als vom Rekursgericht angenommene Bewertung anzunehmen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Der Hinweis auf die im Titelverfahren erhobene außerordentliche Revision, die der Vollstreckbarkeit nicht entgegen stand, vermag für sich allein keine höhere geldwerte Bemessung zu rechtfertigen. Von einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden offenkundigen, das heißt eindeutig erkennbaren Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht kann daher nicht gesprochen werden.
[8] 1.3 Der Oberste Gerichtshof ist daher an die Bewertung des Rekursgerichts gebunden, weshalb der „außerordentliche Revisionsrekurs“ gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 EO ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen ist.
2. Zu 3 Ob 84/23h :
[9] Aus Anlass der Räumungsexekution vom 12. September 2022 erhob die Verpflichtete eine Vollzugsbeschwerde, die das Erstgericht mit Beschluss vom 20. September 2022 abwies (ON 20).
[10] Das Rekursgericht wies den von der Verpflichteten dagegen erhobenen Rekurs wegen fehlender Beschwer als unzulässig zurück (ON 70). Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige.
[11] Dagegen richtet sich der von der Verpflichteten erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs“ zu 3 Ob 84/23h.
[12] 2.1 Auch in diesem Rechtsmittel ist die Verpflichtete der Ansicht, dass der Bewertungsausspruch des Rekursgerichts unrichtig sei, zumal es sich um die Räumung einer Liegenschaft mit einem Ausmaß von rund 1.780 m² gehandelt habe.
[13] 2.2 Das Ausmaß der Liegenschaft ist für den Wert des Entscheidungsgegenstands (hier: Vollzugsbeschwerde) nicht maßgeblich. Sonstige Argumente dafür, dass ihr Interesse an diesem Entscheidungsgegenstand nach Vollzug und Beendigung der Räumungsexekution höher als vom Rekursgericht angenommen anzusetzen wäre, finden sich im Rechtsmittel nicht.
[14] 2.3 Auch hier ist der Senat daher an die Bewertung des Rekursgerichts gebunden, weshalb der „außerordentliche Revisionsrekurs“ gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 EO ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen ist.
3. Zu 3 Ob 85/23f :
[15] Das Erstgericht forderte die Verpflichtete mit Beschluss vom 20. September 2022 auf, die bei der zwangsweisen Räumung weggeschafften und eingelagerten Fahrnisse gegen Bezahlung der allfälligen Kosten abzuholen, widrigenfalls diese auf Kosten der Verpflichteten verkauft würden.
[16] Dem dagegen erhobenen Rekurs der Verpflichteten gab das Rekursgericht nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO jedenfalls unzulässig sei.
[17] Dagegen richtet sich der von der Verpflichteten erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs“ zu 3 Ob 85/23f.
[18] 3.1 Die Verpflichtete argumentiert, das Rekursgericht habe sich „mit der fehlenden Gewahrsame [...] aufgrund des eigenmächtigen Schlosstausches [...] und damit der Vereitelung der Räumung“ nicht auseinandergesetzt. Das Rekursgericht verwies in seiner Begründung darauf, dass die Verpflichtete sich selbst widerspreche, weil sie wiederholt behauptet habe, sie könne innerhalb von 14 Tagen das Objekt nicht räumen. Das Erstgericht habe daher die Verpflichtete zutreffend aufgefordert, die anlässlich der zwangsweisen Räumung eingelagerten Fahrnisse gegen Bezahlung allfälliger Kosten abzuholen.
[19] 3.2 Die Revisionsrekursbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gilt auch im Exekutionsverfahren (RS0002511; RS0002321; RS0012387 [T15]). Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat; ausgenommen sind nur die Zurückweisung einer Klage und andere Fälle einer definitiven Verweigerung des Rechtsschutzes (RS0044536; RS0105321; vgl auch RS0112314), die hier nicht vorliegen.
[20] 3.3 Auch dieses Rechtsmittel, mit dem sich die Verpflichtete gegen eine den erstgerichtlichen Beschluss inhaltlich bestätigende Entscheidung wendet, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Zu 3 Ob 86/23b :
[21] Am 9. September 2022 beantragte die Verpflichtete die Abberaumung des für den 12. September 2022 anberaumten Räumungstermins, die Einstellung und hilfsweise die Innehaltung/Aufschiebung der Exekution. Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 20. September 2022 „sämtliche Anträge“ der Verpflichteten „ab bzw zurück“ (ON 22).
[22] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Verpflichteten dagegen, mit dem sie auch die Einstellung der Exekution sowie den Ausspruch begehrte, dass der Vollzug mangels Gewahrsame der Verpflichteten nicht stattgefunden habe, zurück. Der Revisionsrekurs dagegen sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR.
[23] Der dagegen von der Verpflichteten erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs“ ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[24] 4.1 Das Rekur sgericht begründete seine Entscheidung mit fehlender Beschwer der Rechtsmittelwerberin. Das Objekt (die Liegenschaft) sei geräumt an die Betreibende übergeben worden, was aus dem Protokoll des Gerichtsvollziehers über den Vollzug der Räumung (und damit aus einer öffentlichen Urkunde) hervorgehe. Die Räumungsexekution sei abgesehen von der Kostenbestimmung und dem Verkauf der verwahrten Gegenstände beendet und es bestehe keine gesetzliche Grundlage dafür, die vollzogene Räumung wieder rückgängig zu machen.
[25] 4.2 Die Revisionsrekurswerberin argumentiert dagegen zusammengefasst, dass sich die Betreibende eigenmächtig in die Verfügungsmacht des zu räumenden Objekts gebracht habe. In Anbetracht der noch offenen Verwahrungskosten sowie einer allfälligen Versteigerung der Fahrnisse sei eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise der Betreibenden (Schlosstausch vor der exekutiven Räumung) geboten und es bedürfe einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof.
[26] 4.3 Nach der – vom Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten – Aktenlage erfolgte im Zuge der (mehrtägigen) zwangsweisen Räumung am 15. September 2022 eine Übergabe des Objekts samt 31 Schlüsseln an die Betreibende. Die Verpflichtete verweist im Übrigen selbst auf die drohenden Kosten der Verwahrung sowie einer allfälligen Verwertung der zahlreichen eingelagerten Gegenstände, weshalb von einer – wie die Verpflichtete behauptet – bereits vor dem anberaumten Termin durch die Betreibende eigenmächtig durchgeführten „Räumung“ der Liegenschaft nicht ausgegangen werden kann. Wenn die Verpflichtete meint, durch den (behaupteten) Schlosstausch sei die „Übergabe der faktischen Sachherrschaft durch das Gerichtsorgan“ an die Betreibende vereitelt worden, so steht dies im Widerspruch zu der durch das Protokoll des Gerichtsvollziehers dokumentierten Räumung, anlässlich derer „immer wieder neu entdeckte Schlösser“ geöffnet werden mussten (ON 15, AS 71). Die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen nach Rechtsfolgen im Fall einer bereits vor dem bewilligten Vollzug am anberaumten Termin bereits eigenmächtig durchgeführten Räumungsexekution stellen sich daher im Anlassfall nicht. Nach ständiger Rechtsprechung kann aber die Beantwortung von Fragen bloß theoretischer Natur die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht begründen (vgl RS0111271).
5. Zu 3 Ob 87/23z :
[27] Mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 wies das Erstgericht eine neuerliche Vollzugsbeschwerde der Verpflichteten sowie den Antrag, die Akten der Staatsanwaltschaft zu übermitteln, ab (ON 39).
[28] Das Rekursgericht gab dem Rekurs dagegen keine Folge. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs dagegen gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO jedenfalls unzulässig sei.
[29] Dagegen richtet sich der von der Verpflichteten erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs“ zu 3 Ob 87/23z.
[30] Auch in diesem Rechtsmittel argumentiert die Verpflichtete mit der ihrer Ansicht nach bereits vor dem Vollzug der Räumungsexekution eigenmächtig durchgeführten Gewahrsamsübertragung an die Betreibende, die nach der Aktenlage allerdings nicht stattfand. Eine Zurückweisung wegen fehlender Beschwer hat das Rekursgericht in diesem Beschluss nicht ausgesprochen. Da es allerdings den erstgerichtlichen Beschluss zur Gänze bestätigte, steht dies gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Rechtsmittel entgegen.
[31] Auch dieser „außerordentliche Revisionsrekurs“ ist daher zurückzuweisen.