15Os61/23v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Mag. Wunsch in der Strafvollzugssache des * V*, AZ 824 BE 34/23w des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts als Vollzugsgericht vom 4. Mai 2023, GZ 824 BE 34/23w 8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafvollzugssache AZ 824 BE 34/23w des Landesgerichts Korneuburg verletzt der Beschluss dieses Gerichts vom 4. Mai 2023 § 19 Abs 2 iVm § 17 JGG.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht Korneuburg als Vollzugsgericht eine neue Entscheidung über die bedingte Entlassung des Verurteilten aufgetragen.
Text
Gründe:
[1] Mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 21. November 2022, G Z 312 Hv 57/22s 84.4, wurde der am 12. November 2001 geborene * V* wegen im April und Juni 2022 begangener Taten des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1, 130 Abs 3 iVm Abs 1 erster Fall, 15 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 19 Abs 1 zweiter Satz JGG iVm § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (ON 4 S 2 sowie ON 5 der Aken AZ 824 BE 34/23w des Landesgerichts Ko r neuburg).
[2] Die Hälfte der Strafzeit hat * V* am 1. Juni 2023 verbüßt (ON 3).
[3] Mit mündlich verkündetem und unbekämpft gebliebenem Beschluss vom 4. Mai 2023 lehnte das Landesgericht Korneuburg als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des genannten Verurteilten aus dem weiteren Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe zum (Hälfte )Stichtag am 1. Juni 2023 aus generalpräventiven Gründen ab, wozu es im Protokolls und Beschlussvermerk (schlagwortartig) auf das Vorliegen von „Kriminaltourismus“ und „Einbruch in Wohnstätten (mehrere Angriffe)“ verwies (ON 8).
Rechtliche Beurteilung
[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss des Landesgerichts Korneuburg mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[5] Für die bedingte Entlassung (§ 46 Abs 1 und 2 StGB) aus dem Vollzug einer wegen einer Jugendstraftat verhängten Freiheitsstrafe sieht § 17 JGG vor, dass die (generalpräventive) Erwägung „außer Betracht bleibt, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken“. Dies gilt zufolge § 19 Abs 2 JGG auch in allen Fällen, in denen die Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen wurde, entsprechend. Solcherart schließt der Gesetzgeber generalpräventive Gründe als Hindernis für die bedingte Entlassung (§ 46 StGB) aus einer Strafhaft wegen einer Straftat als Jugendlicher oder als junger Erwachsener aus ( Schroll in WK 2 JGG § 17 Rz 5).
[6] Die dennoch beschlossene, allein auf generalpräventiven Überlegungen basierende Ablehnung der bedingten Entlassung des im Tatzeitraum erst zwanzig jährigen Verurteilten verletzt daher § 19 Abs 2 iVm § 17 JGG.
[7] Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, war deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).