JudikaturOGH

5Ob41/23z – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Max Verdino ua, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei Sparkasse *, vertreten durch KS Kiechl Schaffer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 89.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. November 2022, GZ 4 R 157/22y 20, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. Mai 2022, GZ 69 Cg 53/21p 16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.340 EUR (darin 390 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger war langjähriger Kunde der beklagten Bank und hatte bei ihr ein Konto sowie mehrere Sparbücher. Im November 2019 wollte er erspartes Geld in Gold anlegen und entschied sich nach einem Beratungsgespräch zum Kauf von Philharmoniker-Goldmünzen. Er sprach mit dem Kundenberater auch über Verwahrungsmöglichkeiten in der Filiale. Der Berater wies den Kläger auf die Safes im Keller sowie die notwendige Abklärung einer Versicherungsdeckung hin. Der Kläger fragte auch nach Sparkassenbuchschließfächern und der Berater erklärte ihm, dass diese ausschließlich für die Verwahrung von Sparbüchern geeignet seien. Die Sparkassenbuchschließfächer seien nicht alarmgesichert, während sich die im Keller befindlichen Safes hinter einer Tresortüre befänden, alarmgesichert und videoüberwacht seien. Er klärte den Kläger auch darüber auf, dass das Sparkassenbuchschließfach rund 12 EUR pro Jahr und die Safes im Keller je nach Verfügbarkeit zwischen 70 und 150 EUR pro Jahr kosteten und dass die Safes im Keller nur gemeinsam mit einem Bankmitarbeiter zugänglich seien.

[2] Der Kläger bestellte zunächst Goldmünzen im Wert von rund 30.000 EUR. Etwa zwei Wochen später kam er erneut in die Filiale und teilte mit, dass er ein Sparkassenbuchschließfach eröffnen wolle. Dazu schloss er eine schriftliche Benützungsvereinbarung, die auszugsweise lautet „[…] Ich nehme zur Kenntnis, dass ausschließlich Sparbücher und Sparkarten der Sparkasse [...] im Sparbuchschließfach verwahrt werden dürfen. Der Inhalt des Sparkassenbuchschließfaches ist nicht versichert, da die Sparbücher/-karten durch Losungswort bzw. Unterschrift gesichert sind“. Der Kundenbetreuer besprach diese Benützungsvereinbarung mit dem Kläger inhaltlich und wies ihn erneut ausdrücklich darauf hin, dass dort nur Sparbücher und Sparkarten verwahrt werden dürften. Er übergab ihm auch die Bedingungen für die Überlassung von Sparbuchschließfächern, in denen festgehalten ist, dass das Kreditinstitut keine Verschlusskontrolle ausübt und es „keine Verpflichtung zu einer Benützungskontrolle“ übernimmt.

[3] Der Kläger kaufte von seinen Ersparnissen in mehreren Tranchen insgesamt 56 Philharmoniker-Goldmünzen und verwahrte diese alle in dem vom ihm angemieteten Sparkassenbuchschließfach. Er wusste im Zeitpunkt der Einlagerung, dass er darin keine Goldmünzen einlagern durfte und dass diese Fächer dafür auch nicht geeignet sind.

[4] Die Sparkassenbuchschließfächer befinden sich in einer durch Zwischenwände abgetrennten, frei zugänglichen Nische im Erdgeschoß der Filiale der Beklagten und sind dort in der Wand verbaut. Bei der Anmietung durch den Kläger befanden sich auf dem oberen Rand jedes zweiten Blocks mit den Schließfächern für jedermann erkennbare Aufkleber mit der Aufschrift „Sparbuchschließfach nur zur Aufbewahrung von Sparbüchern – Nicht für Wertgegenstände geeignet“.

[5] In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 brachen unbekannte Täter in die Filiale der Beklagten ein und öffneten 317 der 500 Sparkassenbuchschließfächer, darunter auch das des Klägers.

[6] Der Kläger begehrte von der Beklagten 89.000 EUR sA für die Philharmoniker-Goldmünzen. Die Beklagte habe ihm gegenüber vertragliche und vorvertragliche Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten verletzt und daher für den Schaden zu haften.

[7] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, es treffe sie kein Verschulden am Verlust der Münzen; der Kläger habe entgegen der Benützungsvereinbarung gehandelt und gewusst, dass das Schließfach nicht zur Einlagerung von Goldmünzen geeignet gewesen sei.

[8] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[9] Der Kläger habe mit der Beklagten einen Verwahrungsvertrag in der Sonderform des Schrankschließfachvertrags geschlossen. Nach § 1 Abs 2 Z 6 BWG sei die Erbringung von Schließfachverwaltungsdiensten Finanz- und Kreditinstituten vorbehalten. Das Kreditinstitut habe nur für die sichere Unterbringung durch entsprechende Überwachung des Safes zu sorgen; ein Haftungsausschluss durch Anschlag sei zulässig, sofern entsprechende Vorkehrungen wie eine besondere Verwahrung getroffen werden könnten. Nach den Feststellungen könne der Beklagten keine Verletzung von Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden. Die widrigen Folgen des Einbruchsdiebstahls seien daher vom Kläger selbst zu tragen.

[10] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung.

[11] Beim typischen Schrankfach-/Safe-Vertrag treffe die Bank keine Obsorgepflicht für den Inhalt der dort vom Kunden verwahrten Sachen. Gegenstand des Vertrags sei nur die Gewährung des Gebrauchs an dem Fach. Die Verletzung einer Pflicht dadurch, dass zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung des Einbruchsdiebstahls unterlassen worden wären, habe der Kläger nicht behauptet. Die Beklagte habe keine Verpflichtung getroffen, dafür Sorge zu tragen, dass dem Kläger durch den widmungswidrigen Gebrauch des Sparbuchschließfachs als Aufbewahrungsort für Wertsachen kein Schaden entstehe. Die Beklagte habe auch keine vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt.

[12] Die Revision sei zur Frage zuzulassen, ob eine Bank im Rahmen ihrer vertraglichen Pflichten aus einem Sparbuchschließfachvertrag ungeachtet der ausdrücklichen Aufklärung ihres Kunden darüber, dass das Schließfach nur zur Aufbewahrung von Sparbüchern geeignet sei, diesen nochmals auf diesen Umstand aufmerksam zu machen habe, wenn ihre Mitarbeiter erkennen, dass der Kunde beabsichtige, widmungswidrig Wertsachen im Schließfach zu verwahren.

[13] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise aufzuheben.

[14] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sie keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[16] 1.1 Der Kläger rügte bereits in seiner Berufung die unterbliebene Einvernahme einer Zeugin zur Behauptung, dass Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger beim Aufschneiden von Päckchen mit Goldmünzen behilflich gewesen seien und (auch deshalb) wahrgenommen hätten, dass der Kläger entgegen den Bedingungen und Hinweisen das Gold im Sparbuchschließfach eingelagert habe. Diese Einvernahme erachtete das Berufungsgericht aufgrund der sonstigen Feststellungen für nicht erforderlich; es übernahm allerdings die erstgerichtlichen Feststellungen nicht, wonach der Kläger den Mitarbeitern der Beklagten seine Absicht, entgegen der Benützungsvereinbarung Gold einzulagern, nie mitteilte, und dass diese so etwas auch nie bemerkt hätten. Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der (eingangs zusammengefasst wiedergegebenen) unbekämpften sowie der übernommenen Feststellungen eine abschließende Beurteilung des Klagebegehrens möglich sei. Diese Rechtsansicht ist nicht korrekturbedürftig.

[17] 1.2 Die Argumentation der Revision zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die neuerlich die unterbliebene Zeugeneinvernahme beanstandet und meint, die Parteien dürften nicht mit einer Rechtsansicht überrascht werden, übersieht, dass vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz im Revisionsverfahren nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr geltend gemacht werden können (RIS Justiz RS0042963). Anderes würde nur gelten, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (RS0043086 [T8]) oder die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RS0043086 [T7]). Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein und solches behauptet auch die Revision nicht.

[18] 2.1 Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen besprach der Kundenbetreuer der Beklagten die Bedingungen der Benützungsvereinbarung für das Sparbuchschließfach inhaltlich und wies den Kläger auch darauf hin, dass diese Schließfächer nicht alarmgesichert sind. Außerdem befand sich bei den Sparbuchschließfächern ein Hinweis darauf, dass darin ausschließlich Sparbücher und Sparkarten der Sparkasse verwahrt werden dürften. Beim Einlagern der Goldmünzen wusste der Kläger, dass das Schließfach dafür nicht geeignet ist. Er hatte damit auch Kenntnis vom Risiko für die widmungswidrig von ihm dort eingelagerten Wertsachen. Auf die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage, ob Mitarbeiter der Beklagten im Fall einer (hier allerdings nicht festgestellten) Kenntnis von der Einlagerung von Goldmünzen den Kläger zusätzlich (nochmals) darauf hätten hinweisen müssen, kommt es daher für die Beurteilung des Klagebegehrens nicht an. Eine Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Vertrag über das Sparbuchschließfach durch die Beklagte ist nicht erkennbar und die Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.

[19] 2.2 Wenn die Revision argumentiert, der Kläger habe sich „erkennbar in einem Irrtum über die widmungsgemäße Verwendung der vermieteten Sache“ befunden, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043312 [T14]).

[20] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Rückverweise