JudikaturOGH

11Os18/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung des Privatbeteiligten * S* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 25. Oktober 2022, GZ 45 Hv 38/22t 30, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, § 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er Nachgenannte mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten

I) verleitet, und zwar in M* * S* und * Ha* durch die wahrheitswidrige Vorgabe, die Beträge namens der H * GmbH unter Anrechnung auf den Werklohn für die Bauarbeiten in der R*gasse * in M* zu vereinnahmen, wobei er sich das Geld tatsächlich jeweils selbst zueignete, zur Übergabe von insgesamt 140.200 Euro, wobei er den schweren Betrug „jeweils“ gewerbsmäßig beging, und zwar

1) am 2. November 2020 von 30.000 Euro,

2) am 18. November 2020 von 10.000 Euro,

3) am 14. Dezember 2020 von 28.000 Euro,

4) am 5. Februar 2021 von 25.000 Euro,

5) am 4. März 2021 von 15.000 Euro,

6) am 26. März 2021 von 28.200 Euro und

7) am 8. Mai 2021 von 4.000 Euro;

II) zu verleiten versucht, und zwar am 15. November 2021 in E* als Geschäftsführer der H* GmbH eine Richterin des Landesgerichts E* durch das wahrheitswidrige Vorbringen in der zu AZ * des Landesgerichts E* erfassten Klage auf Zahlung von 258.865,60 Euro, * S* schulde den genannten Betrag, obwohl tatsächlich aufgrund eines Werkvertrags (samt Anpassungen) lediglich 137.670 Euro vereinbart und geschuldet waren und er selbst sich bereits zuvor wie zu I) beschrieben Bargeld, das für die H* GmbH bestimmt war, unrechtmäßig zugeeignet hatte, wodurch diese in einem Betrag iHv 121.195,60 Euro unrechtmäßig bereichert und * S* in ebendiesem Betrag am Vermögen hätte geschädigt werden sollen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge und Tatsachenrüge anfechtbar, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 entscheidend (vgl auch RIS Justiz RS0099497) sind (RIS Justiz RS0117499; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 391).

[5] Die Urteilskonstatierungen zur Schadenshöhe bilden mit Blick auf den Schuldspruch wegen §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, § 15 StGB demnach nur insoweit den Bezugspunkt von Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a), als die Herbeiführung eines 5.000 Euro übersteigenden Betrugsschadens in zumindest drei Fällen (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) festgestellt wird.

[6] Die Behauptung von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der Feststellungen zum Schuldspruch zu I zur Höhe und zu den Zeitpunkten der Zahlungen zeigt eine – den Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes bildende (RIS Justiz RS0099431; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 467 f) – unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des Inhalts von Aussagen oder anderer Beweismittel nicht auf, sondern versucht lediglich die von den Tatrichtern aus den Angaben des S* und der Ha* in Zusammenschau mit diversen Urkunden (US 9 f) mängelfrei gezogenen Schlüsse in Zweifel zu ziehen.

[7] Indem die Rüge (Z 5a) anhand isoliert herausgegriffener Passagen der Aussagen der genannten Zeugen in der Hauptverhandlung die – vom Erstgericht im Übrigen ohnedies berücksichtigte (US 10) – fehlende exakte Übereinstimmung zwischen bei der Bank behobenen und übergebenen Bargeldbeträgen ins Treffen führt, spricht sie keine entscheidende Tatsache an (vgl RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

[8] Gleiches gilt, soweit die Tatsachenrüge zum Schuldspruch zu II behauptet, das Erstgericht sei „mangels entsprechender Beweisergebnisse zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Mehrbegehren in Höhe von 121.195,60 Euro um eine qualifiziert unrichtige Behauptung handelt“. Erhebliche Bedenken dagegen, dass der eingeklagte Betrag von 258.865,60 Euro den der H* GmbH tatsächlich zustehenden und vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Betrag jedenfalls um mehr als 5.000 Euro überstieg, vermag sie nicht zu wecken.

[9] Als Aufklärungsrüge macht das Vorbringen nicht klar, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, einen Lokalaugenschein und die Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS Justiz RS0115823, RS0114036).

[10] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

[11] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch zu II orientiert sich mit der Behauptung mangelnden Vorsatzes nicht an den Feststellungen zur inneren Tatseite (US 6 f). Zudem erklärt sie nicht, weshalb „die bloße Einbringung der Klage“ – selbst unter Berücksichtigung des (im Übrigen nicht festgestellten) Umstands, dass das Klagsvorbringen der „Prüfung“ eines gerichtlich beeideten Bausachverständigen unterliege – nur als straflose Vorbereitungshandlung und nicht bereits als (für den auszulösenden Willensentschluss der Getäuschten zumindest mitbestimmende [vgl US 5 ff, 13]) Täuschungshandlung, mithin als Ausführungshandlung zu werten sei (vgl RIS Justiz RS0089830 [T7]; Bauer/Plöchl in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 217 ff).

[12] Mit der Behauptung absolut untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB), „weil die getätigten Mehrleistungen insbesondere auch der Prüfung durch einen vom (Zivil)gericht zu bestellenden Sachverständigen unterzogen“ würden, legt die Rüge nicht dar, weshalb bei generalisierender Betrachtung (also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls) aus der ex ante-Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters (vgl RIS Justiz RS0115363; Bauer/Plöchl in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 70 ff) die von betrügerischem Vorsatz getragene, gerichtliche Geltendmachung eines um mehr als 120.000 Euro überhöhten Betrags unter keinen Umständen geeignet sein sollte, einen Betrugsschaden zu verursachen (vgl RIS-Justiz RS0094148, RS0115362; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 38 ff).

[13] Soweit die Rüge (Z 10) zum Schuldspruch zu I mit dem Einwand schuldbefreiender Wirkung der Zahlungen an den Angeklagten eine Unterstellung unter § 153 StGB anstrebt, ignoriert sie die zur Täuschung über die Einhebung der Gelder (vorgeblich) für die H* GmbH und jeweils täuschungsbedingter Übergabe von Bargeld durch die Opfer an ihn gelegenen Vermögensschädigung getroffenen Feststellungen (US 5 f, 14) und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Ausführung.

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits nach der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise