JudikaturOGH

11Os29/23h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in der Strafsache gegen * C* wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 30. November 2022, GZ 37 Hv 18/20d 182, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * C* der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 11. März 2019 in P* auf der Bundesstraße * dadurch, dass er den von ihm gelenkten Personenkraftwagen der Marke/Type * mit dem amtlichen Kennzeichen * auf den linken Fahrstreifen bzw die Gegenfahrbahn lenkte und über eine Wegstrecke von ca 40 bis 50 Meter ungebremst auf den von * J* gelenkten und mit * O* als Beifahrerin besetzten Personenkraftwagen der Marke/Type * mit dem amtlichen Kennzeichen * sowie den unmittelbar hinter diesem fahrenden und von * L* gelenkten Personenkraftwagen der Marke/Type * mit dem amtlichen Kennzeichen * zufuhr und sodann beide touchierte, die Genannten zu töten versucht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurde der in der Hauptverhandlung am 30. August 2022 (ON 167 S 8 – auf deren Neudurchführung am 30. November 2022 einverständlich verzichtet wurde – ON 181 S 2; vgl nämlich RIS Justiz RS0099049, RS0098869; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 310) gestellte Antrag auf Vernehmung der [den Angeklagten] behandelnden Ärzte „zum Beweis dafür, dass der Angeklagte weder vor noch nach dem Unfall tatsächlich selbstmordgefährdet war“, ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen .

[5] Gegenstand des Zeugenbeweises sind sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen, nicht hingegen dessen – aus solchen Wahrnehmungen gezogenen – Schlussfolgerungen, mögen sie auch auf Fachwissen beruhen. Die als Beweisthema angeführte Einschätzung, ob der Angeklagte selbstmordgefährdet war, stellt eine solche Schlussfolgerung dar (RIS Justiz RS0097545 [insb T2, T8, T18, T19], RS0097540). Zudem ließ der Antrag nicht unmissverständlich erkennen, inwieweit das Beweisthema einen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betreffen sollte (RIS-Justiz RS0116503; Ratz , WK StPO § 281 Rz 321 – vgl im Übrigen die Ausführungen zur Strafzumessung US 5, wonach der Angeklagte ohne reifliche Überlegung und unter eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit aufgrund alkohol- und suchtmittelinduzierter Berauschung Selbstmord begehen wollte).

[6] Urteilsnichtigkeit aus Z 10a liegt vor, wenn die Beschwerde durch konkreten Verweis auf – soweit hier von Bedeutung (Mängel in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet – in der Hauptverhandlung Beweismittel dartun kann, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (RIS-Justiz RS0118780 [T16, T17]).

[7] Indem die Tatsachenrüge (Z 10a) unter Hinweis auf Aussagen mehrerer Zeugen eine nach den Angaben einer Zeugin vor der Tat geäußerte Suizidabsicht des Angeklagten bestreitet und solcherart sowie unter Berufung auf die Verantwortung des Angeklagten zu dessen Fahren unter Alkohol- und Drogeneinwirkung bei gleichzeitigem Telefonieren mit einem Mobiltelefon einen Mordvorsatz in Abrede stellt, dabei jedoch den Angeklagten belastende Beweisergebnisse, wie etwa die Aussagen der Tatopfer (ON 158 S 12 f, S 19 f und S 24 f – siehe auch die Ambulanzkarte ON 180) unberücksichtigt lässt, erweckt sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits nach der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344 zweiter Satz, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344 zweiter Satz, 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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