JudikaturOGH

11Os27/23i – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 25. November 2022, GZ 22 Hv 70/22a 49, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu II, demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Die darüber hinausgehende Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Mit seiner (verbleibenden) Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (I/A) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I/B), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I/C) und des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1, 2, 3 und 4 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in der Zeit von 19. Februar 2020 bis 21. November 2021 in I* und an anderen Orten

I)

A) abgesondert Verfolgte sowie Dritte in zehn im Urteil detailliert beschriebenen Angriffen (a bis j) dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich jeweils einzeln angeführte Mengen Cannabis (mit den Wirkstoffen Delta-9-THC und THCA) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus Spanien aus- und nach Österreich einzuführen, indem er mit * K* das Suchtgift bestellte und an die Adresse des * S* und der * V* liefern ließ, wobei es zum Teil beim Versuch blieb;

B) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich das im Schuldspruch zu I/A/a bis h angeführten Cannabis, nach der Übernahme von * S* diesem, * D* und Unbekannten überlassen;

C) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich unbekannte Mengen Cannabis (mit den Wirkstoffen Delta-9-THC und THCA), bis zum eigenen Verzehr erworben und besessen;

II) Vermögenswerte, die aus einer kriminellen Tätigkeit herrühren, nämlich aus dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG stammende Bargelderlöse von 80.000 Euro, von * S* übernommen und einem Dritten im Wissen um deren Herkunft und der Verfügungsmacht der kriminellen Vereinigung übertragen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Mängelrüge releviert einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) und eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zur Bildung einer kriminellen Vereinigung unter Beteiligung des Angeklagten im Mai 2020 sowie der zu den Suchtgiftlieferungen aus Spanien getroffenen Feststellungen, denen zufolge die Lieferadresse in Österreich durch * S* erst im Mai 2020 zur Verfügung gestellt worden sei, die erste Lieferung von 12 Kilogramm Marihuana dorthin „in weiterer Folge“ jedoch bereits am 19. Februar 2020 erfolgt wäre (US 6 f).

[5] Indem die damit aufgezeigte Unstimmigkeit der Entscheidungsgründe aber nur die erste der dem Angeklagten zur Last fallenden Suchtgiftlieferungen betrifft und das für den Strafsatz des § 28a Abs 4 Z 3 SMG relevante Übersteigen des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge (§ 28b SMG) auch durch die verbleibenden Lieferungen (von Suchtgift im Ausmaß von weit mehr als dem Hundertfachen der Grenzmenge) von Juni 2020 bis November 2021 erfüllt ist, bezieht sie sich nicht auf eine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0106268, RS0117499, RS0127374). Die Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG) ist vom Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) ohnedies nicht umfasst.

[6] Soweit die Beschwerde aus der bemängelten Unstimmigkeit und unter Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit des Belastungszeugen * S* und auf die Frage der Sinnhaftigkeit einer Reise des * Se* von Bosnien nach I* den Schluss gezogen wissen will, der Angeklagte habe mit den Suchtgiftlieferungen nichts zu tun gehabt, wendet sie sich bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO).

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt mit dem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge in Ansehung der insoweit unterschiedlichen Anfechtungskriterien eine prozessförmige Ausführung (RIS-Justiz RS0115902, RS0116733).

[8] Indem sie die Überlegungen der Tatrichter anzweifelt, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS-Justiz RS0100555, RS0119424). Soweit sie schließlich die Eignung der (als widersprüchlich bezeichneten) Angaben des Belastungszeugen * S* in Frage stellt, die Verurteilung zu tragen, verkennt sie, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649).

[9] Im bisher dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits nach der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Dies gilt auch für die im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (angemeldete – ON 48 S 26) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0098904).

[10] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof, dass dem Schuldspruch zu II eine nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[11] Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde der aus dem Suchtgifthandel lukrierte Erlös bei * S* gesammelt und anschließend von diesem auf * K* zuzuordnende Konten überwiesen oder dem Angeklagten übergeben, der den Erlös einem Dritten „im Wissen um deren Herkunft und der Verfügungsmacht der gebildeten kriminellen Vereinigung in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert übertrug“ (US 8). Beim Überlassen der aus dem Suchtgifthandel herrührenden und von * S* übernommenen Erlöse von zumindest 80.000 Euro an einen Dritten kam es dem Angeklagten darauf an, „aus einer kriminellen Tätigkeit herrührende und der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegende Vermögenswerte in einem 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert im Wissen um deren Herkunft anderen zu übertragen, wobei er zum Zeitpunkt des Erlangens von dieser Verfügungsmacht wusste“ (US 9).

[12] Den Tatbestand der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB verwirklicht, wer Vermögensbestandteile, die aus einer kriminellen Tätigkeit (Abs 5) herrühren, mit dem Vorsatz, ihren illegalen Ursprung zu verheimlichen oder zu verschleiern oder eine andere Person, die an einer solchen kriminellen Tätigkeit beteiligt ist, zu unterstützen, damit diese den Rechtsfolgen ihrer Tat entgeht, umwandelt oder einem anderen überträgt (Z 1), oder die wahre Natur, Herkunft, Lage, Verfügung oder Bewegung von Vermögensbestandteilen, die aus einer kriminellen Tätigkeit (Abs 5) herrühren, verheimlicht oder verschleiert (Z 2).

[13] § 165 Abs 1 Z 1 StGB verlangt daher neben dem (bedingt vorsätzlichen; § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) Umwandeln oder Übertragen aus einer kriminellen Tätigkeit herrührender Vermögensbestandteile den erweiterten (bedingten) Vorsatz, den illegalen Ursprung zu verheimlichen oder zu verschleiern oder eine an der Vortat beteiligte Person dabei zu unterstützen, den Rechtsfolgen ihrer Tat zu entgehen ( Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 165 Rz 20; Fabrizy/ Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 165 Rz 7). Z 2 leg cit erfordert das Verheimlichen oder Verschleiern (vgl Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 165 Rz 16 f) der wahren Natur, Herkunft, Lage, Verfügung oder Bewegung aus einer kriminellen Tätigkeit herrührender Vermögensbestandteile.

[14] Das Erstgericht traf indessen weder Feststellungen zum erweiterten Vorsatz des Angeklagten im Sinn der Z 1 noch konstatierte es Verheimlichungs- oder Verschleierungshandlungen im Sinn der Z 2.

[15] Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB begeht, wer Vermögensbestandteile erwirbt, sonst an sich bringt, besitzt, umwandelt, einem anderen überträgt oder sonst verwendet, wenn er zur Zeit des Erlangens weiß, dass sie aus der kriminellen Tätigkeit (Abs 5) eines anderen herrühren.

[16] Da diese Bestimmung solcherart Eigengeldwäscherei nicht umfasst, kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten als Vortäter des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nicht in Betracht (RIS Justiz RS0133923 [T1]; Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 165 Rz 4; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 165 Rz 9).

[17] Für eine Subsumtion unter die Bestimmung des § 165 Abs 3 StGB, die allein auf der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) – nicht hingegen einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) – unterliegende Vermögensbestandteile abstellt, findet sich im Urteil ebenso wenig eine Feststellungsbasis. Die Urteilsannahmen, dem Angeklagten sei es darauf angekommen, der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegende Vermögenswerte anderen zu übertragen (US 9), erschöpfen sich nämlich in einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia und bleiben damit ohne Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090; siehe auch die Feststellungen auf US 8, wonach die angesprochenen Vermögensbestandteile „der Verfügungsmacht der gebildeten kriminellen Vereinigung“ unterlagen). Konstatierungen zur Tatbegehung im Auftrag oder im Interesse einer kriminellen Organisation fehlen zur Gänze.

[18] Die vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsannahmen vermögen einen Schuldspruch nach § 165 Abs 1, 2 oder 3 (und damit auch Abs 4) StGB daher nicht zu tragen.

[19] Dies führte – erneut im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits nach der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[20] Ein Eingehen auf die gegen den Schuldspruch zu II gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) erübrigt sich damit.

[21] Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.

[22] Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise