15Os30/23k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Mag. Wunsch als Schriftführer in der Strafsache gegen * I* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 31. Jänner 2023, GZ 52 Hv 103/22x 30.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation, soweit er die „Pos. 4 des Standblatts ON 24” betrifft, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * I* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I./) und „des” Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 2019 sowie im Zeitraum von Anfang 2021 bis 7. November 2022 in W*, N* und anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift,
I./ nämlich ca 1.235 Gramm (brutto) Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 12,35 % Diacetylmorphin, sohin 152,52 Gramm reines Diacetylmorphin und ca 395 Gramm (brutto) Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 64,1 % Cocain, sohin 253,20 Gramm reines Cocain anderen – teils den nachgenannten bekannten, teils anderen nicht mehr näher feststellbaren Suchtgiftabnehmern – durch gewinnbringenden Verkauf zu den angeführten Kaufpreisen überlassen, und zwar in wiederholten Verkaufshandlungen
1./ einer Person mit dem Rufnamen „Ir*“ ca 15 Gramm (brutto) Heroin;
2./ zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten im Jahr 2019 sowie im Zeitraum von Anfang 2021 bis Jänner 2022 * R* ca 10 Gramm (brutto) Heroin;
3./ im Zeitraum von März 2021 bis September 2022 * C* unter ca 18 Gramm (brutto) Heroin;
4./ * A* im Zeitraum von April 2022 bis November 2022 ca 20 Gramm (brutto) Heroin;
5./ „einem nicht näher feststellbaren Iraker sowie Afghanen“ insgesamt 1.000 Gramm (brutto) Heroin und ca 350 Gramm (brutto) Kokain;
6./ unbekannten, nicht näher feststellbaren Suchtgiftabnehmern ca 172 Gramm (brutto) Heroin und ca 45 Gramm (brutto) Kokain,
wobei er die Straftat im Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzig fache der Grenzmenge überschreitenden Menge beging;
II./ im Zeitraum von Anfang November 2021 bis Anfang November 2022 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar THC hältiges Cannabiskraut in Form eines Joints, ca 365 Gramm (brutto) diacetylmorphinhältiges Heroin sowie ca 105 Gramm (brutto) cocainhältiges Kokain.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurden die (erst) in der Hauptverhandlung einen Additionsvorsatz (zu I./) bestreitenden Angaben des Angeklagten (zu I./5./) nicht übergangen, sondern als Schutzbehauptung gewertet (US 8).
[5] Soweit sich d ie Kritik (Z 5 zweiter Fall) auf die einjährige Unterbrechung des Tatzeitraums (im Jahr 2020) und die Einbeziehung auch des Zeitraums aus dem Jahr 2019 (vgl etwa I./2./) in die vom festgestellten (durchgängigen) Additionsvorsatz umfasste Zeitspanne bezieht, spricht sie mit der Berufung auf Angaben des Angeklagten zu I./5./ zudem keine Beweisergebnisse an, die in Bezug auf die Tatzeit den für den Schuldspruch oder die Subsumtion entscheidenden Tatsachen in erörterungsbedürftiger Weise entgegenstehen, bezogen sich diese Angaben doch (eindeutig) auf einen Zeitraum von mehreren Monaten im Jahr 2022 (ON 11.1 S 5) und nicht auf die Jahre davor.
[6] Mit eigenständigen Erwägungen zur Unterbrechung des Tatzeitraums im Jahr 2020 bekämpft die Beschwerde bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter zur subjektiven Tatseite nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Abgesehen davon wurde die für die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG entscheidende Suchtgiftmenge schon allein durch die zu I./5./ inkriminierten Suchtgiftübergaben überschritten (vgl auch US 8).
[7] Als bloße Beweiswürdigungskritik erweist sich weiters die Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Reinsubstanzgehalt des zu I./ tatverfangenen Heroins und Kokains (US 4), welchen die Tatrichter – empirisch einwandfrei – aus gerichtsnotorischen Medianwerten für das Jahr 2021 (vgl Rauch/Greibl/Seiliga , Reinsubstanzgehalte von Suchtgiften 2021, RZ 2022, 49) und Angaben des Zeugen * K* (des Suchtgiftlieferanten des Angeklagten) sowie des in der Hauptverhandlung vernommenen Ermittlungsbeamten RI * B* erschlossen (US 6 f).
[8] Schließlich ist auch die Ableitung der Feststellungen zum Erwerb und Besitz von Suchtgift zum persönlichen Gebrauch (II./) aus Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Konsumverhalten (US 8 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden, zumal aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe auch klar hervorgeht, dass der Angeklagte das selbst konsumierte Suchtgift nach Ansicht der Tatrichter zuvor bei seinem Suchtgiftlieferanten für sich eingekauft (also erworben und bis zum Konsum besessen) hatte (US 6 ff).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[10] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Konfiskationserkenntnis hinsichtlich der „Pos. 4 des Stand blatts ON 24” eine vom Angeklagten nicht geltend gemachte, diesem zum Nachteil gereichende materiell rechtliche Nichtigkeit anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO):
[11] Abgesehen davon, dass sich dem Urteil an keiner Stelle entnehmen lässt, um welchen Gegenstand es sich dabei handelt, enthält es weder Aussagen zum Eigentum an der Sache noch zu deren Verwendung zur Begehung einer vom Urteil umfassten Straftat.
[12] Da das insoweit in Überschreitung der Strafbefugnis ergangene Konfiskationserkenntnis vom Angeklagten nicht angefochten wurde (vgl RIS Justiz RS0130617), war es im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bei der nichtöffentliche n Beratung sofort aufzuheben (§ 285 e StPO) und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Wiener Neustadt zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (zur Zuständigkeit des Einzelrichters RIS Justiz RS0100271 [T16]).
[13] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO)
[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.