18OCg1/23f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in der Rechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, gegen die beklagte Partei N* GmbH, *, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 200.055,90 EUR)
I. durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon. Prof. PD Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Kodek und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Verfahrenshilfeanträge der klagenden Partei vom 8. und 9. 1. 2023 (ON 9 und 11), verbessert durch die Eingabe vom 13. 4. 2023 (ON 18), werden abgewiesen.
2. Der Antrag auf „Vorlage“ des § 63 Abs 2 ZPO an den Verfassungsgerichtshof wird zurückgewiesen.
II. durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden den
Beschluss
gefasst:
Der klagenden Partei wird aufgetragen, ihre Aufhebungsklage vom 9. 1. 2023 (ON 11) binnen 4 Wochen zu verbessern, indem sie diese vertreten durch einen Rechtsanwalt im Elektronischen Rechtsverkehr einbringen lässt.
Text
Begründung:
Zu I. Verfahrenshilfeanträge und Antrag auf „Vorlage“ an den Verfassungsgerichtshof:
[1] Die hier klagende Partei (in der Folge: Aufhebungsklägerin) war Beklagte in einem Schiedsverfahren, das die Ausübung eines Wiederkaufsrechts für zwei Liegenschaften zum Gegenstand hatte.
[2] Die Aufhebungsklägerin beantragte mit Schreiben vom 8. 1. 2023 (Postaufgabe am 9. 1. 2023, Einlangen beim Obersten Gerichtshof am 11. 1. 2023, ON 9) die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang für eine Aufhebungsklage gegen den dem Antrag beigelegten Schiedsspruch vom 31. 8. 2022.
[3] Mit separater Post brachte sie einen mit 9. 1. 2023 datierten Schriftsatz ein (Postaufgabe am 9. 1. 2023, Einlangen beim Obersten Gerichtshof am 11. 1. 2023, ON 11), der folgende Prozesshandlungen enthielt: I. Verfahrenshilfeantrag, II. Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs gemäß § 611 ZPO und III. Urkundenvorlage.
Rechtliche Beurteilung
[4] Aufgrund eines Verbesserungsauftrags vom 5. 2. 2023 brachte die Aufhebungsklägerin einen mit 13. 4. 2023 datieren weiteren Schriftsatz ein, in dem sie ihre Einkommens- und Vermögenslage darstellte und diverse Urkunden zur Bescheinigung vorlegte (ON 18). Zugleich stellte sie einen Antrag auf „Vorlage“ von § 63 Abs 2 ZPO an den Verfassungsgerichtshof.
[5] 1. Die Verfahrenshilfeanträge der Aufhebungsklägerin sind abzuweisen .
[6] 1.1. Einer juristischen Person wie der Aufhebungsklägerin ist die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint (§ 63 Abs 2 ZPO).
[7] Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wie der Aufhebungsklägerin sind jedenfalls die Gesellschafter die wirtschaftlich Beteiligten im Sinn des § 63 Abs 2 ZPO ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 [2014] § 63 ZPO Rz 13).
[8] 1.2. Die Aufhebungsklägerin legte trotz entsprechendem Auftrag keine Vermögensbekenntnisse ihrer beiden Gesellschafter vor (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 [2014] § 63 ZPO Rz 12). Da sie auch keine Behauptungen zu deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufstellte oder andere Bescheinigungsmittel dazu anbot, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob, in welcher Form und unter welchen Umständen solche alternativen Nachweise der Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe zulässig wären. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Einkommens und Vermögensverhältnisse der Gesellschafter der Klägerin nicht bekannt sind.
[9] 1.3. Das Risiko eines unzureichenden Nachweises dieser Verhältnisse trifft jene Partei, die die Verfahrenshilfe beantragt. Eine allfällige Weigerung der wirtschaftlichen Beteiligten, ihre Verhältnisse offen zu legen, fällt allein in ihre Sphäre.
[10] Da im vorliegenden Fall völlig offen ist, ob die an der Aufhebungsklägerin wirtschaftlich Beteiligten die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel aufbringen können, ist der Verfahrenshilfeantrag abzuweisen.
[11] 2. Der Antrag auf „Vorlage“ an den Verfassungsgerichtshof ist zurückzuweisen .
[12] 2.1. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art 89 B VG vor dem Verfassungsgerichtshof durch das Gericht zu beantragen; der entsprechende Antrag der Klägerin ist daher zurückzuweisen (RS0056514, RS0058452).
[13] 2.2. Die Klägerin begründete ihre Bedenken gegen § 63 ZPO damit, dass n ach ständiger Rechtsprechung von VwGH und BFG Gesellschaftern einer GmbH „derartige Handlungen“ (gemeint offenbar: die Vorlage von Vermögensbekenntnissen anlässlich eines Verfahrenshilfeantrags der GmbH) verwehrt seien, Haftungen als Liebhaberei steuerlich nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen seien und die „Verpflichtungen“ der Gesellschafter nach § 63 Abs 2 ZPO Untreue der Organe der Gesellschaftergesellschaft begründen würden.
[14] Die in diesem Zusammenhang zitierte Judikatur (VwGH 2008/15/0335, 2003/14/00 76 , 2004/13/ 00 21 und 2001/15/0060 ) steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Verfahrenshilfe für juristische Personen. Auch sonst sind die Ausführungen nicht nachvollziehbar und geben daher keinen Anlass, ein Gesetzesprüfungsverfahren von Amts wegen einzuleiten.
[15] Der Verfassungsgerichtshof stellte zwar mit der Entscheidung G 26/10 ua klar, dass der im Budgetbegleitgesetz 2009 vorgesehene gänzliche Ausschluss juristischer Personen von der Verfahrenshilfe verfassungswidrig war. Die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der wirtschaftlich Beteiligten war jedoch schon in der Fassung vor dem BBG 2009 vorgesehen und stößt, soweit überblickbar, in Rechtsprechung und Literatur auf keine verfassungsrechtliche Bedenken. Vielmehr ist sie auch in § 292 BAO und § 8a VwGVG ausdrücklich als Kriterium für die Gewährung von Verfahrenshilfe an juristische Personen vorgesehen und wird auch für Strafverfahren als Grundlage der Beurteilung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit befürwortet ( Haslinger , Die Möglichkeit der Gewährung von Verfahrenshilfe für Verbände im Strafverfahren, ÖJZ 2020/7 ).
Zu II. Verbesserungsauftrag:
[16] 1. Die Aufhebungsklägerin hat entsprechend dem im Verfahrenshilfeverfahren erteilten Verbesserungsauftrag den von ihr behaupteten Empfangszeitpunkt des Schiedsspruchs bescheinigt, sodass die Aufhebungsklage nicht wegen Verspätung zurückzuweisen ist.
[17] 2. Die Aufhebungsklage ist jedoch aufgrund eines Formmangels verbesserungsbedürftig.
[18] 2.1. Gemäß § 27 Abs 1 ZPO muss sich eine Partei vor allen höheren Gerichten als Bezirksgerichten durch Rechtsanwälte vertreten lassen (absolute Anwaltspflicht). Das gilt auch für die Aufhebungsklage nach § 611 ZPO. Die von der Aufhebungsklägerin im eigenen Namen eingebrachte Klage weist daher einen Formmangel auf.
[19] 2.2. Gemäß §§ 84, 85 ZPO hat das Gericht mangelhafte Eingaben zur Verbesserung zurückzustellen.
[20] Da für das Erheben der Klage eine Frist einzuhalten war (§ 611 Abs 4 ZPO), ist für die Verbesserung ebenfalls eine Frist zu setzen, bei deren Einhalten die Klage weiterhin als am Tag des ersten Einlangens überreicht anzusehen ist (§ 85 Abs 2 Satz 1 ZPO).
[21] 2.3. Die Eingabe durch einen Rechtsanwalt hat nach § 89c Abs 5 Z 1 GOG im Elektronischen Rechtsverkehr zu erfolgen .