11Os113/22k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gigl als Schriftführerin in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 29. Juni 2022, GZ 38 Hv 15/22d 49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde * B* zur Anklageschrift vom 4. März 2022 (ON 38) mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB „bis 31. Juli 2013 idF BGBl [I] 2004/15, ab 1. August 2013 idF BGBl [I] 2013/116“ (I./A./a./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 2 zweiter Fall StGB „bis 31. Juli 2013 idF BGBl [I] 2004/15, ab 1. August 2013 idF BGBl [I] 2013/116“ (I./A./b./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 erster Fall StGB und eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 erster und dritter Fall, Abs 2 erster Fall StGB „bis 31. Juli 2013 idF BGBl [I] 2004/15, ab 1. August 2013 idF BGBl [I] 2013/116“ (I./A./c./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 und nach §§ 15, 206 Abs 2 zweiter Fall StGB jeweils „idF BGBl [I] 2004/15“ (I./B./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB „idF BGBl [I] 2006/56“ (I./C./) und der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB „idF BGBl [I] 2009/40“ (II./A./), nach § 207a Abs 1 Z 2 zweiter und dritter Fall StGB (II./B./) sowie nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB „bis 31. Dezember 2015 idF BGBl [I] 2009/40, von 1. Jänner 2016 bis 31. August 2017 idF BGBl [I] 2015/154 und ab 1. September 2017 idF BGBl [I] 2017/117“ (II./C./), zur Anklageschrift vom 27. April 2022 (ON 6 in ON 44) der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (A./) und der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB „idF BGBl [I] 1998/153“ (B./) sowie zur Anklageschrift vom 7. Juni 2022 (ON 28 in ON 46) der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und eines Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB „idF BGBl 1974/60“ (I./A./), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (I./B./ und II./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (III./) sowie der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 2 dritter Fall StGB (IV./) schuldig erkannt.
Danach hat er (soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant gekürzt wiedergegeben) in O* und andernorts
(1./) im Sinn der Anklageschrift vom 4. März 2022 (ON 38)
I./ im Zeitraum von Sommer 2012 bis Sommer 2014 jeweils in wiederholten Angriffen
A./ mit der * 2005 geborenen * P*, somit einer unmündigen Person,
a./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie digital vaginal penetrierte, von ihr Oralverkehr an sich durchführen ließ sowie einmalig ihre Vagina linguinal penetrierte, wobei ein derartiger Vorfall eine posttraumatische Belastungsreaktion, sohin eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten zur Folge hatte;
b./ die Genannte im Zuge der unter a./ geschilderten Tathandlungen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung außer dem Fall des § 206 StGB an sich selbst vorzunehmen, indem er sie anleitete, sich ein Massagegerät an die äußere Vagina zu halten;
c./ die Genannte im Zuge der unter a./ geschilderten Tathandlungen mit Gewalt, indem er ihren Kopf an den Haaren festhielt und (zur Durchführung des Oralverkehrs) auf seinen erigierten Penis drückte und, wenn sie aufstehen wollte, sie an den Haaren zurückzog oder einen Oberschenkel über ihre Beine legte und sie hinunterdrückte, zur Duldung bzw Vornahme von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen genötigt, wobei ein derartiger Vorfall eine posttraumatische Belastungsreaktion, somit eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten zur Folge hatte;
B./ versucht, den * 2003 geborenen, somit unmündigen * Po* „zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung an sich selbst zu verleiten“, indem er ihn beim Duschen im Badezimmer aufsuchte und ihn überreden wollte, an sich selbst Handonanie durchzuführen, und ihn eindringlich fragte, ob er Handonanie oder Oralverkehr an ihm vornehmen dürfe;
C./ durch die unter I./A./ und I./B./ beschriebenen Tathandlungen mit minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht als „Stiefgroßvater“ unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung diesen gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von diesen an sich vornehmen lassen oder diese, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen;
II./ pornographische Darstellungen minderjähriger Personen (§ 207a Abs 4 StGB)
A./ zu nicht näher bestimmten Zeitpunkten im Zeitraum zwischen Sommer 2012 und Sommer 2014 hergestellt, indem er Fotos der unmündigen * P* anfertigte, die sie dabei zeigen,
a./ wie sie sich sukzessive entblößt bis hin zu Nahaufnahmen ihrer gespreizten Schamlippen;
b./ wie sie Oralverkehr an einem erwachsenen Mann vornimmt;
B./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten dem * Ho* vorgeführt bzw überlassen, indem er ihm
a./ eines der unter II./A./b./ beschriebenen Fotos zeigte;
b./ ein Foto der Schamgegend oder der Schamlippen einer mündigen Minderjährigen via WhatsApp weiterleitete;
C./ von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 29. Juli 2021 sich verschafft und besessen, nämlich 24.487 pornographische Darstellungen unmündiger Minderjähriger und 8.395 pornographische Darstellungen mündiger Minderjähriger in Form von Bildern und Videos (US 33), die er aus dem Internet abfotografierte oder herunterlud und auf eigenen Datenträgern speicherte;
(2./) im Sinn der Anklageschrift vom 27. April 2022 (ON 6 in ON 44) im Zeitraum zwischen 1995 und 1999 in wiederholten Angriffen versucht, die * 1987 geborene, somit unmündige * W* digital vaginal zu penetrieren und damit
A./ von 1995 „bis 30. September 1998“ (US 13: bis 1997) auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu missbrauchen;
B./ „von 1. Oktober 1998 bis Ende des Jahres 1999“ (US 13: von 1995 bis 1997) mit dieser „eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen“,
indem er seine Hand unter ihre Hose schob, wobei es ihm lediglich gelang, sie auf der nackten Haut an der Scheide oberflächlich zu berühren;
(3./) im Sinn der Anklageschrift vom 7. Juni 2022 (ON 28 in ON 46)
I./A./ zwischen Herbst 1986 und 31. Oktober 1988 mit der * 1974 geborenen, somit unmündigen * H* einmal pro Woche vaginalen Geschlechtsverkehr vollzogen, wobei ein derartiger Tatvorfall eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich eine posttraumatische Belastungsreaktion, zur Folge hatte;
B./ zwischen Herbst 1978 und 31. Oktober 1988 die * 1974 geborene * H* etwa einmal pro Woche auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er sie digital vaginal penetrierte und sie anleitete, Oralverkehr und Handonanie an ihm durchzuführen;
II./ im Zeitraum von 1985 bis 1986 in drei bis vier Angriffen den * 1975 geborenen, somit unmündigen * R* auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er dessen nackten Penis mehrere Minuten lang mit einer Hand massierte;
III./ durch die zu I./ und II./ geschilderten Tathandlungen mit minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, und unter Ausnützung seiner Stellung diesen gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von diesen an sich vornehmen lassen;
IV./B./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten nach dem 23. November 2018 einen USB Stick mit 1.161 darauf gespeicherten Bilddateien und eine CD mit einer Vielzahl von gespeicherten Bilddateien jeweils pornographischer Darstellungen mündiger und unmündiger Minderjähriger (§ 207a Abs 4 StGB) dem * Ho* überlassen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[3] Der ersichtlich auf den Schuldspruch zu I./A./, I./C./, II./A./ und II./B./a./ (zur Anklageschrift vom 4. März 2022 [ON 38]) bezogenen Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie zum Beweis dafür, dass Potenz und Libido des Angeklagten im Tatzeitraum 2012 bis 2014 aufgrund der ihm verordneten Medikation „auf Null herabgesetzt“ waren und der Tatvorwurf von * P* daher unzutreffend wäre (ON 48 S 10), abgewiesen werden, weil er nicht erkennen ließ, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lassen und das Beweisthema für die Schuld- und Subsumtionsfrage überhaupt relevant sein sollte (RIS Justiz RS0118444, RS0116503, RS0090720 [T2 und T3]).
[4] Gleiches gilt für den die Urteilsfakten II./A./b./ und II./B./a./ (zur Anklage vom 4. März 2022 [ON 38]) betreffenden Antrag, welcher nicht darlegte, weshalb die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Urologie – im Übrigen im Lichte der hiezu bis dahin erzielten Verfahrensergebnisse (vgl ON 29 S 27) und der mittlerweile vergangenen Zeit – ergeben sollte, dass es sich bei dem auf dem inkriminierten, * P* bei der Durchführung von Oralverkehr zeigenden Lichtbild (ON 26 S 76 und 80) ersichtlichen Penis, nicht um jenen des Angeklagten handelt (RIS Justiz RS0116987, RS0099453 [T17, T20]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 341). Zudem ist dieses Beweisthema für die rechtliche Beurteilung der hier in Rede stehenden Herstellung und Weitergabe von Bildaufnahmen nicht relevant.
[5] Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall – zum Wesen vgl RIS Justiz RS0118316, RS0098646), eine (zudem bloß behauptete – vgl RIS Justiz RS0124172) „problematische Vorgeschichte“ der * P* sei nicht thematisiert worden, das von ihr angegebene Motiv, den Angeklagten nicht früher belastet zu haben, sei auch mit Blick auf zwei Berichte sozialpädagogischer Einrichtungen unglaubwürdig, angesichts der Wohnsituation des Angeklagten hätten die Tathandlungen auffallen müssen und dessen Erklärungen zu den Belastungsaussagen seien nicht berücksichtigt worden, dient alleine dazu, die eingehend begründete (US 18 ff) Überzeugung der Tatrichter von der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben der Opfer, insbesondere jener der * P*, zu erschüttern (vgl RIS Justiz RS0106588) und erschöpft sich damit in einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) – Beweiswürdigungskritik (§ 258 Abs 2 StPO – RIS Justiz RS0098471 [T1]; vgl auch RS0116877 [insb T1]).
[6] Dass der Sachverständige den Angeklagten „am ehesten“ dem Typ der Pädophilie im höheren Lebensalter zugeordnet hat (ON 31 S 31 – im Übrigen erneut RIS Justiz RS01 2 417 2 ), war dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht erörterungsbedürftig, weil dieser Umstand den Angeklagten hinsichtlich in jüngeren Jahren begangener Taten nicht entlastet.
[7] Entgegen der weiteren Argumentation stehen die – sexuelle Übergriffe des Angeklagten gegen sie selbst in Abrede stellenden – Passagen in den Aussagen von in der Beschwerde namentlich angeführten Zeugen den Urteilsfeststellungen zu den hier gegenständlichen Missbrauchshandlungen nicht entgegen.
[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – davon, dass dem Einziehungserkenntnis eine vom Angeklagten nicht geltend gemachte, diesem zum Nachteil gereichende Nichtigkeit anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO):
[9] Der sich auf die Einziehung der „Gegenstände in den Standblättern betreffend die ON 17 und ON 46 und der ON 42 und ON 43“ beziehende Ausspruch nach § 26 StGB lässt nämlich jegliche Konkretisierung sowie Ausführungen dazu vermissen, dass dem Angeklagten die Möglichkeit, die Deliktstauglichkeit der betreffenden Gegenstände (unwiederbringlich) zu beseitigen, eingeräumt wurde oder dass dies im konkreten Fall unmöglich wäre (RIS Justiz RS0121299 [T3], RS0121298 [T11 und T12]; Ratz in WK 2 StGB § 26 Rz 15).
[10] Da dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung dieser Nichtigkeit verwehrt ist, war sie vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) und dem Landesgericht Krems die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
[11] Ergänzend bleibt – ebenfalls mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO – festzuhalten, dass die aus den gegenüber * P* gesetzten Missbrauchshandlungen resultierenden schweren Folgen (US 16) dem Angeklagten im (zur Anklageschrift vom 4. März 2022 [ON 38] ergangenen) Schuldspruch zu I./A./a/ (dort § 206 Abs 3 erster Fall StGB) und I./A./c./ (dort § 201 Abs 2 erster Fall StGB) zu Unrecht doppelt angelastet wurden (US 6; RIS Justiz RS0120828, RS0115550; Philipp in WK² StGB § 201 Rz 30 mwN). Ein amtswegiges Vorgehen ist diesbezüglich dennoch nicht geboten, weil sich dieser Rechtsfehler für den Angeklagten weder bei der Strafrahmenbildung noch bei der Strafbemessung nachteilig auswirkte (vgl US 34; RIS Justiz RS0113957; 14 Os 58/12d; Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 f).
[12] Letzteres gilt in concreto auch für den (zur Anklageschrift vom 4. März 2022 [ON 38] ergangenen) Schuldspruch I./B./ (wegen § 206 „Abs 1 bzw. 2 zweiter Fall“ StGB), welcher sich – ausgehend von den Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte in der Absicht, sich dadurch selbst geschlechtlich zu erregen, das Opfer * Po* zu überreden versuchte, Handonanie vom Angeklagten an sich vornehmen zu lassen oder an sich selbst oder am Angeklagten vorzunehmen (US 17) – ausschließlich auf die Vornahme oder Duldung geschlechtlicher Handlungen iSd § 207 StGB bezieht (RIS Justiz RS0095201 [insb T4]), Feststellungen zur intendierten Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder von dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen (etwa von Oralverkehr [vgl US 3]) jedoch vermissen lässt und solcherart („lediglich“) die rechtliche Annahme von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und nach § 207 Abs 2 StGB trägt.
[13] Ähnliches trifft – hier und im nachfolgenden Punkt abweichend von der Stellungnahme der Generalprokuratur – auf die gegen * W* gesetzten Tathandlungen zu. Jene Feststellungen, die dem Schuldspruch zu II./A./ und B./ (zur Anklageschrift vom 27. April 2022 [ON 6 in ON 44]) zugrunde liegen, beschreiben (insgesamt) eine unbestimmte Mehrzahl bloß pauschal individualisierter gleichartiger Taten (Versuche, einen Finger in die Scheide des Opfers einzuführen). Da der Tatzeitraum – soweit festgestellt (US 13: 1995 bis 1997) – bereits vor Inkrafttreten des § 206 Abs 1 StGB idF BGBl I 1998/153 endete, wären diese Taten insgesamt nur § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 zu unterstellen gewesen. Solcherart erweist sich auch die durch das Erstgericht vorgenommene Subsumtion nach den zu den (festgestellten) Tatzeiten geltenden Strafgesetzen fallkonkret günstiger als jene nach den Urteilszeitgesetzen (§ 206 Abs 1 StGB idgF).
[14] Mit Blick auf die Urteilserwägungen US 32 und 33 (iVm US 17 f, 22 f) zu Schuldspruch II./C./ (zur Anklageschrift vom 4. März 2022 [ON 38]) und IV./B./ (zur Anklageschrift vom 7. Juni 2022 [ON 28 in ON 46]) ist für den Obersten Gerichtshof (vgl RIS Justiz RS0117228; Ratz , WK StPO § 281 Rz 19) der entsprechende Feststellungswille der Tatrichter in Richtung mehrerer Vergehen nach § 207a Abs 1 Z 2 zweiter und dritter Fall StGB hinreichend deutlich erkennbar.
[15] Mangels günstigerer Rechtslage zur jeweiligen Tatzeit wirkte sich letztlich auch die im Lichte des zwingenden Günstigkeitsvergleichs (§§ 1, 61 StGB) in Ansehung der Schuldsprüche I./A./a. und b./, B./ und C./, II./A./ und C./ (zur Anklageschrift vom 4. März 2022 [ON 38]), I./A./ und II./ (zur Anklageschrift vom 7. Juni 2022 [ON 28 in ON 46]) gänzlich und beim (zur Anklageschrift vom 7. Juni 2022 ergangenen) Schuldspruch III./ im Hinblick auf das Verbot der Mischung unterschiedlicher Rechtsschichten (RIS Justiz RS0088953 [T4], RS0112939 [T9]) teilweise verfehlte Anwendung des Tatzeitrechts für den Angeklagten nicht nachteilig aus und bietet daher ebenso keinen Anlass für ein entsprechendes amtswegiges Vorgehen.
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, wie die Generalprokuratur großteils zutreffend ausführte, bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Dieses ist angesichts der insoweit vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellungen bei seiner Entscheidung nicht an die im oben aufgezeigten Sinn fehlerhafte Subsumtion gebunden (RIS Justiz RS0118870).
[17] Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.