JudikaturOGH

11Os37/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gigl als Schriftführerin in der Strafsache gegen * Al* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Februar 2023, GZ 10 Hv 117/22t 37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Al* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 29. Juli 2022 in G* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe * A* fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Mobiltelefon in unbekanntem Wert sowie 100 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er diesem eine Gabel an den Hals hielt und ihn mit dem Umbringen bedrohte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Aus Z 3 rügt die Beschwerde die gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO vorgenommene Verlesung der Angaben de s Opfers in der Hauptverhandlung am 17. Februar 2023 (ON 36 S 10 f).

[5] Ein unbekannter Aufenthalt iSd § 252 Abs 1 Z 1 StPO ist im Hinblick darauf, dass bei bloßer Verlesung einer Aussage das grundrechtlich geschützte Fragerecht des Angeklagten (Art 6 Abs 3 lit d EMRK) nicht ausgeübt werden kann, erst dann anzunehmen, wenn die aus dem Akt nachvollziehbaren Möglichkeiten der Ausforschung des Zeugen ausgeschöpft wurden. Dies kann immer nur nach Lage des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Die Bemühungen müssen umso nachhaltiger sein, je wichtiger der fragliche Zeugenbeweis für die Wahrheitsfindung ist und je schwerer der Anklagevorwurf wiegt ( Kirchbacher , WK StPO § 252 Rz 61; RIS Justiz RS0108361).

[6] Vorliegend w urden nach Vertagung der Hauptverhandlung am 15. November 2022 (ON 24a) mehrfach Versuche unternommen, durch verschiedene polizeiliche Erhebungen eine Wohnadresse des – nach eigenen Angaben seit 2016 obdachlosen – Opfers ausfindig zu machen (ON 36 S 7, US 5). In Anbetracht d ieser Maßnahmen konnte das Gericht zu Recht von einer Unerreichbarkeit des Zeugen ausgehen und dessen Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren (ON 2 S 25 ff) verlesen.

[7] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5), die nur dann gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS Justiz RS0119370), ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden in diesem Zusammenhang nicht angesprochen) – über schuld oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS Justiz RS0106268).

[8] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht sowohl die Aussagen der Zeugen als auch die abweichenden Einlassungen des Angeklagten berücksichtigt (insbesondere US 4 f; siehe dazu auch RIS Justiz RS 01065 88), weshalb d er Beschwerdeeinwand, das Erstgericht sei „eine Erklärung schuldig geblieben , warum es sich ... um Schutzbehauptungen“ des Angeklagten handle, nur die Beweiswürdigung des Erstgerichts (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in Zweifel zieht.

[9] Ob d as Opfer nach der Tat verängstigt war oder nicht, ist für die Lösung der Schuld oder Subsumtionsfrage (RIS Justiz RS0117499, erneut RS0106268) ohne Relevanz, weshalb auch dieses Beschwerdevorbringen ins Leere geht.

[10] Zur prozessförmigen Ausführung einer Tatsachenrüge (Z 5a) ist ein ins Treffen geführtes aktenkundiges Beweismittel in Hinsicht auf seine Eignung, erhebliche Bedenken gegen die bekämpfte Feststellung über eine entscheidende Tatsache hervorzurufen, an der Gesamtheit der diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts zu messen (RIS Justiz RS0117446 [T1]). Daran orientiert sich die Beschwerde nicht, indem sie – unter Übergehen Letzterer (US 4 ff) – lediglich die „stringent leugnende“ Verantwortung des Angeklagten als „plausibel“ bezeichnet und die mangelnde Sicherstellung der Raubbeute sowie den von einem Zeugen beschriebenen (siehe dazu aber ON 36 S 9: „… sehr ängstlich und aufgeregt ...“) Zustand des Opfers nach der Tat als „entspannt“ thematisiert.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde w ar daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise