24Ds6/21y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 8. Mai 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Lovrek als weitere Richterin sowie die Rechtsanwälte Dr. Kreissl und Dr. Niederleitner als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt, AZ D 1/19, D 12/19, D 13/19, D 14/19, D 13/20 der * Rechtsanwaltskammer, über die Beschwerden der Beschuldigten gegen den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 7. März 2023, GZ 24 Ds 6/21y, 24 Ds 7/21w 61, sowie deren Anträge auf Enthebung des Sachverständigen Dr. * E* nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1./ Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
2./ Den Anträgen auf Enthebung des Sachverständigen Dr. * E* wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
[1] Mit in Abwesenheit der Beschuldigten ergangenem (§ 35 DSt) Erkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 8. Juni 2021, GZ D 1/19, D 12/19, D 13/19, D 14/19, D 13/20-48, wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße verurteilt.
[2] Die mündliche Verhandlung über ihren gegen dieses Erkenntnis gerichteten Einspruch und ihre Berufung wurde für den 6. Juli, 18. Oktober und 7. Dezember 2022 sowie schließlich für den 16. Februar 2023 anberaumt, konnte jedoch bislang nicht durchgeführt werden, weil die Beschuldigte jeweils kurz vor den Verhandlungsterminen (durch ärztliche Bestätigungen bescheinigt) erkrankte (ON 13, 15, 21, 24, 37, 44, 50, 54 der Ds Akten; § 51 Abs 4 iVm § 35 DSt).
[3] Zur Klärung ihrer Verhandlungsfähigkeit, an der insbesondere aufgrund der „Bestätigung“ des Facharztes für Innere Medizin und Nephrologie, Dr. *, vom 15. Februar 2022 (Beilage zu ON 54 des Ds Akts) Zweifel bestanden, wurde mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 7. März 2023 Dr. * E* zum Sachverständigen bestellt (ON 61; vgl § 50 Abs 2 DSt; Danek Mann , WK-StPO Vor §§ 220–227 Rz 2, 8).
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen (der Sache nach) erhobenen, als „Rekurs“ und „Antrag auf Abbestellung eines Sachverständigen für die Einholung einer Befundung und eines Sachverständigengutachtens“ bezeichneten Beschwerden der Beschuldigten vom 20. März 2023 (ON 62 und 64) waren schon deshalb zurückzuweisen, weil gegen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs als oberste Instanz in Disziplinarsachen der Rechtsanwälte (§ 1 Abs 1 OGHG, § 46 DSt) kein Rechtsmittel zusteht (vgl RIS-Justiz RS0116215). Diese Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof selbst zu treffen (vgl Danzl/Hopf , OGHG³ § 1 Anm 3 mwN; zum Ganzen instruktiv 23 Ds 2/19z; vgl im Übrigen zu – wie hier – prozessleitenden Verfügungen § 58 DSt; vgl auch 26 Ds 11/18v, Ds 23/13; RIS-Justiz RL0000119, RL0000172; erneut Danek/Mann , WK-StPO Vor §§ 220–227 Rz 9 iVm Rz 2/1).
[5] Die mit Schriftsätzen vom 20. und 27. März 2023 eingebrachten Anträge auf (der Sache nach) Enthebung des Sachverständigen Dr. * E* wegen Befangenheit sind nicht berechtigt.
[6] Gemäß § 126 Abs 4 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt sind Sachverständige von Amts wegen oder aufgrund von Einwänden (§ 126 Abs 5 StPO) ihres Amtes zu entheben, wenn sie befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, wobei die Befangenheitsgründe des § 47 Abs 1 StPO sinngemäß gelten.
[7] Die Sachkunde des hier bestellten Sachverständigen stellt die Beschuldigte nicht in Frage, Enthebungsgründe iSd § 47 Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO spricht sie nicht an.
[8] Befangenheit nach § 47 Abs 1 Z 3 StPO setzt das Vorliegen von Gründen voraus, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, sodass eine Beeinträchtigung der unparteilichen Beurteilung durch sachfremde psychologische Motive zu befürchten ist. Maßgeblich sind dabei äußere Umstände, nicht die subjektive Einschätzung des Sachverständigen oder des Ablehnenden. Es genügt folglich schon der äußere Anschein einer Befangenheit, soweit ausreichende Anhaltspunkte bestehen, die geeignet sind, aus objektiver Sicht, das heißt bei einem verständig wertenden objektiven Beurteiler, die volle Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen (RIS-Justiz RS0106258, RS0124799; Hinterhofer , WK-StPO § 126 Rz 68 ff).
[9] Mit dem Vorbringen, die Beschuldigte habe als Rechtsvertreterin „vieler Mandanten“ in „diversen Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht“ mit dem Sachverständigen „zu tun“ gehabt, wobei es „sehr oft“ auch zu „Divergenzen“ sowie zur Widerlegung seiner Gutachten durch „andere ... psychiatrische Gutachter aus anderen Bundesländern“ gekommen sei, werden solche Gründe ebenso wenig substantiiert aufgezeigt, wie mit dem nicht näher konkretisierten Vorwurf, der Sachverständige habe dabei „auch Äußerungen von sich gegeben“, die – nach Auffassung der Beschuldigten – „unter jeglicher Kritik und jeglicher Gürtellinie gegangen sind“ (vgl Hinterhofer , WK-StPO § 126 Rz 69 ff).
[10] Dies gilt umso mehr für die Behauptung, die Befangenheit Dris. E* ergebe sich schon daraus, dass dieser in seiner Tätigkeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger dem Präsidenten des Landesgerichts * „untersteht“, welcher gemeinsam mit dem Vizepräsidenten dieses Gerichts eine „Hetzjagd“ gegen die Beschuldigte betreibe und auch selbst Disziplinaranzeigen gegen sie erstattet habe.
[11] Umfangreich geäußerte Kritik am eingangs genannten Erkenntnis und an in anderen Verfahren ergangenen Entscheidungen des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer, die in der Unterstellung gipfelt, der Beschuldigten sei „von dritter Seite“ zugetragen worden, dass die Bestellung des Sachverständigen durch den Obersten Gerichtshof auf „Anweisung“ des stellvertretenden Präsidenten der * Rechtsanwaltskammer und eines weiteren Kollegen zwecks Erstattung eines „Gefälligkeitsgutachtens“ erfolgt sei, entzieht sich mangels jeglichen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung.
[12] Den Anträgen war daher ein Erfolg zu versagen.