JudikaturOGH

9ObA13/23m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Thomas Schaden (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien MMag. P*, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, (Bildungsdirektion für Wien), Wipplingerstraße 28, 1010 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1010 Wien, wegen Entlassunganfechtung in eventu Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2022, GZ 7 Ra 51/22d 20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Entlassung eines Dienstnehmers ist eine Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 lit i PVG, auf die die Regelung des § 10 PVG anzuwenden ist. Dabei sind beabsichtigte Maßnahmen vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Dienststellenausschuss zu verhandeln. Gemäß § 12 PVG ist es Aufgabe des Fachausschusses in Angelegenheiten im Sinne des § 9, die über den Wirkungsbereich eines Dienststellenausschusses, nicht jedoch über den Wirkungsbereich des Fachausschusses hinausgehen, mitzuwirken (vgl 9 ObA 4/04k).

[2] 2. Nach § 10 Abs 1 PVG sind beabsichtigte Maßnahmen des Dienststellenleiters iSd § 9 Abs 1 PVG dem Dienststellenausschuss spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Die Verständigung nach § 9 Abs 1 PVG oder das Einvernehmen gilt als hergestellt, wenn der Dienststellenausschuss zur geplanten Maßnahme die ausdrückliche Zustimmung gibt oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung der geplanten Maßnahme nicht äußert (§ 10 Abs 2 PVG).

[3] 3. Die Revision moniert, dass die Äußerung des Fachausschusses nicht als abschließende Erklärung zur geplanten Entlassung hätte verstanden werden dürfen, weshalb die Entlassung nicht ohne Abwarten der zweiwöchigen Frist hätte erfolgen dürfen.

[4] Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar.

[5] Auf die Mitteilung der geplanten Entlassung antwortete der Fachausschuss mit einem Schreiben, das mit „Einspruch gegen die geplante Entlassung“ überschrieben ist und in dem ausgeführt wird: „(…) wir haben am 5. Oktober Ihr Schreiben (…) erhalten, dass die Entlassung [des Klägers] beabsichtigt ist. Der Fachausschuss erhebt Einspruch gegen die geplante Entlassung und ersucht um Übermittlung folgender Unterlagen: (…)“.

[6] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dieses Schreiben ungeachtet des Umstands, dass gleichzeitig um die Übermittlung weiterer Unterlagen ersucht wurde, als abschließende ablehnende Stellungnahme zur geplanten Maßnahme anzusehen ist, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums.

[7] § 10 Abs 5 PVG sieht grundsätzlich vor, dass Maßnahmen, gegen die Einwendungen oder Gegenvorschläge erhoben wurden, solange zu unterbleiben haben, bis darüber endgültig abgesprochen worden ist. Davon ausdrücklich ausgenommen sind unter anderem Maßnahmen des § 9 Abs 1 lit i PVG, also die Auflösung eines Dienstverhältnisses durch Entlassung und Kündigung. Ein weiteres Zuwarten mit der Entlassung war daher nicht erforderlich.

[8] 4. Wesentliches Merkmal einer Entlassung ist die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Der Dienstnehmer muss Interessen des Dienstgebers so schwer verletzt haben, dass dem Dienstgeber infolge des im übrigen tatbestandsmäßigen Verhaltens des Dienstnehmers nach Lage der Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (RS0029020 [T2] uva). Die Gründe für die vorzeitige Lösung eines Dienstverhältnisses sind daher bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der Dienstgeber darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der Dienstnehmer aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Dienstgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss (RS0031799).

[9] 5. In der Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Befristung einer Entlassung eines besonderen Grundes bedarf, ansonsten der Arbeitgeber die (subjektive) Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu erkennen gibt. In diesem Sinn kann eine Befristung der Entlassung zulässig sein, wenn sie im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgt oder sie nur kurz ist und im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers liegt (8 ObA 17/13b mwN). Auch in den Fällen, in denen der Dienstgeber eine Entlassung mit späterem Wirksamkeitstermin ausspricht, muss daher geprüft werden, welche Gründe hiefür maßgebend waren und ob sich etwa aus der Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers trotz Vorliegens eines Entlassungsgrundes ergibt, dass dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann (4 Ob 81/82).

[10] Bei der Beurteilung, ob ein zeitliches Hinausschieben der Wirksamkeit einer Entlassung zulässig ist, kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0029160).

[11] 6 . Der Kläger wurde in der Besprechung, bei der er mit den Vorwürfen, die zur Entlassung führten, konfrontiert wurde, vom Dienst freigestellt, weiters wurde ihm eine einvernehmliche Auflösung angeboten, ansonsten er entlassen werde. In der Folge wurde schriftlich erklärt, das Dienstverhältnis gemäß § 34 Abs 2 lit b VBG 1948 „mit 31. 10. 2020 durch Entlassung vorzeitig aufzulösen“, wobei die Vorwürfe nochmals detailliert dargelegt wurden. Das Schreiben endet damit, dass deshalb „Ihre unverzügliche Entlassung aus dem Dienst vorzunehmen war“.

[12] Wenn das Berufungsgericht davon ausg eht , dass der Kläger unter diesen Umständen k einen Verzicht der Beklagten auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes annehmen konnte, liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung . Dies trifft auch auf die Ausführungen zu, dass die Befristung im konkreten Fall zum Vorteil des Dienstnehmers war. Zwar ist richtig, dass im Allgemeinen die bloße Weiterzahlung des Entgelts für sich allein nicht ausreicht, eine im überwiegenden Interesse des Dienstnehmers liegende Befristung des Entlassungsausspruchs zu begründen. Im vorliegenden Fall war der Kläger jedoch von der Dienstleistung freigestellt worden, wurde also effektiv nicht mehr weiterbeschäftigt, dies bei vollen Bezügen. Zusätzlich hatte er aber auch keine Möglichkeit mehr, während der – relativ kurzen – Befristung den Entlassungsgrund neuerlich zu verwirklichen.

[13] 7. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Rückverweise