9Ob110/22z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Thunhart als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragsteller 1.) T*, und 2.) Dr. A*, beide: *, beide vertreten durch Dr. Edwin Grubert, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1.) M*, vertreten durch Dr. Nikolaus Mair, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2.) S*, beide: *, wegen Unterhalt, infolge des Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. September 2022, GZ 55 R 30/22y 28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 22. April 2022, GZ 3 FAM 48/21v; 3 FAM 49/21s; 3 FAM 52/21g und 3 FAM 53/21d 18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Erstantragstellerin und Zweitantragsteller sind Mutter und Vater der Erstantragsgegnerin (in Folge: Tochter) und des Zweitantragsgegners (in Folge: Sohn). Die Eltern begehren von den Kindern, gestützt auf § 234 ABGB, mit den verbundenen Anträgen Unterhalt.
[2] Für die Tochter wurde im Verfahren erster Instanz ein Verfahrenshelfer bestellt. Der Sohn nahm am Verfahren erster Instanz unvertreten teil.
[3] Das Erstgericht wies die Anträge der Eltern ab. Der Beschluss des Erstgerichts wurde dem Antragstellervertreter und dem Vertreter der Tochter, nicht aber dem Sohn zugestellt.
[4] Gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhoben die Eltern Rekurs. Der Rekurs wurde dem Vertreter der Tochter, nicht aber dem Sohn zugestellt. Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs zu. Der Beschluss des Rekursgerichts wurde dem Antragstellervertreter und dem Vertreter der Tochter, nicht aber dem Sohn zugestellt.
[6] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhoben die Eltern den Revisionsrekurs . Dieser wurde dem Vertreter der Tochter, nicht aber dem Sohn zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Aktenvorlage ist verfrüht.
[8] Da dem Sohn bisher weder die Entscheidung zweiter Instanz noch der Revisionsrekurs der Eltern zugestellt wurde, hatte er im Revisionsrekursverfahren kein rechtliches Gehör. Damit haftet dem rekursgerichtlichen Verfahren ein Verstoß gegen § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG an, der auch im Revisionsrekursverfahren analog § 55 Abs 3 AußStrG von Amts wegen wahrzunehmen wäre (RS0119971 [T3]).
[9] Nach § 58 Abs 1 Z 1 und Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG ist bei einem solchen schweren Verfahrensmangel vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung selbst aufgrund der Angaben im [Revisions ]Rekursverfahren oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, der bisher nicht gehörten Partei Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen oder auch nicht (RS0123128). Mit Rücksicht auf § 58 Abs 2 AußStrG ist davon auszugehen, dass auch eine Beteiligung am Rechtsmittelverfahren ohne Geltendmachung der Gehörsverletzung deren Heilung bedeutet (10 Ob 18/19y mwN).
[10] Gemäß § 6 Abs 1 AußStrG müssen sich die Parteien im Revisionsrekursverfahren in Verfahren, in denen einander Anträge zweier oder mehrerer Parteien gegenüberstehen können, durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Auch für das vorliegende Verfahren herrscht daher in dritter Instanz Anwaltspflicht (RS0119968 [T16]).
[11] Das Erstgericht wird daher neben der vorliegenden Entscheidung auch die Entscheidung des Rekursgerichts samt Rechtsmittelbelehrung (§ 152 Geo) und den Revisionsrekurs der Eltern dem Sohn zuzustellen haben. Die Akten werden nach Ablauf der Fristen erstens zur allfälligen Erhebung eines Revisionsrekurses (bzw im Fall des Einbringens eines Revisionsrekurses durch den Sohn nach Ablauf der Frist zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung dazu) und zweitens zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung (bzw nach Einbringen einer Revisionsrekursbeantwortung durch den Sohn) neuerlich vorzulegen sein.