JudikaturOGH

8ObA6/23z – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Anja Pokorny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M* P*, vertreten durch Hiebler Grebenjak Posch Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei L*, vertreten durch Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG in Graz, wegen Unterlassung (hier: Erlassung einer einstweiligen Verfügung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 19. Jänner 2023, GZ 6 Ra 72/22p 12.1, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigte, einem Landeskrankenhaus zugewiesene Kläger, wurde zum 31. 1. 2023 gekündigt. Diese Kündigung wurde in einem gesonderten, vor dem Erstgericht anhängigen Verfahren angefochten.

[2] Im Landeskrankenhaus, in dem der Kläger tätig war, wurden aufgrund einer Novelle des steirischen Dienst- und Besoldungsrechts mit Wirksamkeit ab 1. 4. 2022 die Arbeiter und Arbeiterinnen in das Angestelltenverhältnis überführt. Am 17. 5. 2022 fand unter aktiver und passiver Wahlberechtigung aller am Standort Beschäftigten die Wahl des am 23. 6. 2022 konstituierten „Angestelltenbetriebsrats“ statt. Zu dieser Wahl, bei der der Kläger nicht zum Betriebsrat gewählt wurde, ist ein Wahlanfechtungsverfahren anhängig. Der am 17. 5. 2022 gewählte Betriebsrat nimmt derzeit alle Aufgaben eines Betriebsrats für die gesamte Belegschaft wahr.

[3] Der Kläger, der entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten die Ansicht vertrat, dass keine völlige Angleichung der Gruppen der Arbeiter und Angestellten stattgefunden habe, initiierte in der Folge die Wahl eines gesonderten Arbeiter:innenbetriebsrats. Bei dieser am 23. 9. 2022 abgehaltenen Wahl wurde der Kläger zum Betriebsrat gewählt. Die Beklagte stellte ihn daraufhin vom Dienst frei und kündigte ihn.

[4] Mit der vorliegenden Klage begehrt er, die Beklagte zu verpflichten, jegliche Handlungen zu unterlassen, die den Kläger an der Tätigkeit als Mitglied des Arbeiterbetriebsrats beschränken, insbesondere sie zu verpflichten, ihm den ungehinderten Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten auch über den Kündigungstermin hinaus zu gestatten, die Schlüssel und Zutrittskarte auszuhändigen sowie ihm Zugang zu Computer und E Mail zu ermöglichen.

[5] Zur Sicherung der Ansprüche auf ungehinderte Ausübung der Tätigkeit, Zutritt und Ausfolgung der Zutrittsmedien beantragte der Kläger die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit einem dem Klagebegehren entsprechenden Inhalt.

[6] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es erachtete bereits aufgrund des unstrittigen Sachverhaltsvorbringens für nicht bescheinigt, dass der Betriebsrat, dem der Kläger anzugehören beansprucht, rechtswirksam gewählt wurde.

[7] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[8] Der am 17. 5. 2022 gewählte Betriebsrat vertrete – zumindest bis zur rechtskräftigen Entscheidung im anhängigen Anfechtungsverfahren – rechtlich und tatsächlich sämtliche Bediensteten des Standorts, die alle aktiv und passiv wahlberechtigt gewesen seien. Selbst einer erfolgreichen Wahlanfechtung käme keine Rückwirkung zu. Während des anhängigen Anfechtungsverfahrens habe ein (teilweise) konkurrierender Gruppenbetriebsrat nicht wirksam gewählt werden können. Der Kläger habe weder die behauptete Anspruchsgrundlage, noch die Gefahr eines unwiderbringlichen Schadens und die Rückführbarkeit der beantragten einstweiligen Verfügung bescheinigt.

Rechtliche Beurteilung

[9] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs wiederholt der Kläger seinen Standpunkt, es sei entgegen der Behauptung der Beklagten durch die Überführung der Arbeiter ins Angestelltenverhältnis nicht zu einer vollständigen Harmonisierung zwischen den Gruppen gekommen, sodass weiterhin Gruppenbetriebsräte zu wählen wären. Es bestehe keine höchstgerichtliche Judikatur zu den Auswirkungen der unter Berufung auf die landesrechtliche Dienst und Besoldungsrechtsreform vorgenommenen Überführung.

[10] Auf dieses Vorbringen kommt es im vorliegenden Provisorialverfahren jedoch nicht an.

[11] Die tragende Argumentation der Vorinstanzen besteht darin, dass der am 17. 5. 2022 unter aktivem und passivem Wahlrecht sämtlicher Bediensteter am Standort gewählte Betriebsrat vorweg jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichts im Anfechtungsverfahren die gesamte Belegschaft vertritt (vgl § 61 ArbVG), weshalb während des Verfahrens für eine Wahl eines gesonderten Arbeiterbetriebsrats kein Raum blieb (vgl RIS Justiz RS0105965).

[12] Die dazu im Revisionsrekurs wiederholte Ansicht, dass kein Kollisionsfall vorliege, weil im Mai 2022 nur ein Gruppenbetriebsrat der Angestellten gewählt worden sei, der nicht alle Bediensteten (jedenfalls bis zur Entscheidung im Anfechtungsverfahren) vertrete, unterliegt einem argumentativen Zirkelschluss, weil das gewünschte rechtliche Ergebnis bereits vorausgesetzt wird. Sie steht mit den unstrittigen Feststellungen über die Wahlberechtigung und die ausgeübte Tätigkeit dieses Betriebsrats im Widerspruch.

[13] Auf die weitere Begründung des Rekursgerichts zur fehlenden Bescheinigung einer Gefährdung und mangelnden Rückführbarkeit der begehrten Verfügung geht das Rechtsmittel nicht näher ein.

[14] Mangels Geltendmachung einer für das Provisiorialverfahren erheblichen Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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