3Ob60/23d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* GmbH, *, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, und ihrer Nebenintervenientin R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch Bechtold Gunz Wichtl Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 81.990,21 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und ihrer Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Februar 2023, GZ 2 R 7/23f 248, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[2] 2. Die Streitteile haben weder einen schriftlichen noch einen (ausdrücklichen) mündlichen Vertrag über die Lieferung von Biodiesel geschlossen. In Betracht könnte also nur ein konkludenter Vertragsabschluss kommen. Ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0043253 [T17] uva). Die Revisionswerber zeigen nicht auf, dass das Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hätte:
[3] 2.1. § 863 ABGB legt bei konkludenten Willenserklärungen einen strengen Maßstab an (vgl RS0014146). Dass die Vorinstanzen einen schlüssigen Vertragsabschluss zwischen den Streitteilen verneinten, obwohl die Beklagte über einen Zeitraum von rund zwei Jahren sämtliche von der Klägerin ihr gegenüber gelegten Rechnungen (bis auf die letzten, der Klage zugrunde liegenden) nicht nur unbeanstandet entgegengekommen, sondern auch beglichen hat, stellt schon deshalb keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, weil die Beklagte vor der ersten Rechnungslegung durch die Klägerin von ihrer (bisherigen) Vertragspartnerin darüber informiert worden war, dass in Zukunft (nur) die Rechnungen für die einzelnen Lieferungen von der Klägerin ausgestellt würden, ohne dass es irgendwelche Änderungen am Prozedere der Bestellungen bei der bisherigen Vertragspartnerin gab.
[4] 2.2. Es trifft zwar zu, dass Unternehmer gemäß § 11 Abs 1 Z 3 UStG in den von ihnen ausgestellten Rechnungen (unter anderem) den Namen und die Anschrift des liefernden (verkaufenden) Unternehmens wie auch des Abnehmers (Käufers) anzuführen haben. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann allerdings die bloße Tatsache, dass die Rechnungen der Klägerin sie selbst als lieferndes Unternehmen ausweisen, schon angesichts der getroffenen Feststellungen zum Hintergrund dieses Vorgangs das konkludente Zustandekommen eines Vertrags zwischen den Streitteilen nicht begründen: Die von der Vertragspartnerin der Beklagten veranlasste Rechnungslegung durch die Klägerin hatte nämlich ausschließlich den Zweck, es den Ansprechpartnern der Beklagten bei der Verkäuferin zu ermöglichen, weiterhin – entgegen dem strikten Verbot der Konzernleitung – Biodiesel („Fremdware“) an die Beklagte zu liefern, den Verstoß gegen diese Konzernvorgabe also zu verschleiern, weil die betreffenden Mitarbeiter der Verkäuferin sich dieses lukrative Geschäft (am Konzern vorbei) nicht entgehen lassen wollten.
[5] 2.3. Inwiefern sich aus dem Hinweis auf den von der Klägerin ausgestellten Rechnungen, wonach der Käufer verpflichtet ist, den gelieferten Brenn- und Treibstoff nur in näher umschriebenen Öfen und Motoren zu verwenden, ein konkludenter Vertragsabschluss zwischen den Streitteilen ergeben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Dass die Beklagte Käuferin des Biodiesels war, ist unstrittig; strittig ist dagegen, ob sie tatsächlich bei der Klägerin gekauft hat.
[6] 3. Soweit die Klägerin mit dem Umstand argumentiert, dass sich die Beklagte nach der – von ihr auf die Lieferung mangelhaften Biodiesels zurückgeführten – Beschädigung zahlreicher Fahrzeuge ihres Fuhrparks an die Klägerin gewandt habe, weiters damit, dass auf den von ihr ausgestellten Rechnungen jeweils ein (formularmäßiger) Eigentumsvorbehalt erklärt wurde, und dass die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Bankgarantie gelegt hat, versucht sie in Wahrheit, die ihrem Prozessstandpunkt zuwiderlaufenden Feststellungen der Vorinstanzen anzugreifen. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings nicht Tatsacheninstanz. Dies steht auch einer Behandlung der Beweisrüge der Nebenintervenientin entgegen.
[7] 4. Indem die Nebenintervenientin ihrer Rechtsrüge zugrunde legt, dass die Klägerin Biodiesel an die Beklagte geliefert habe, entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen; die Rechtsrüge ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Ob der gelieferte Biodiesel mangelhaft war oder nicht, ist ohne Relevanz, weil die Vorinstanzen das Klagebegehren bereits infolge fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen haben. Somit bedurfte es auch keiner Feststellungen zum Ausmaß des Schadens an den Fahrzeugen der Beklagten.
[8] 5. Die behauptete Aktenwidrigkeit, die darin liegen soll, dass sich das Erstgericht über Außerstreitstellungen hinweggesetzt habe, liegt nicht vor, weil jener Sachverhalt, aus dem sich die Aktivlegitimation der Klägerin ableiten lassen könnte, zuletzt gerade nicht mehr unstrittig war.