JudikaturOGH

3Ob31/23i – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G* OG, *, verteten durch ENGINDENIZ Rechtsanwälte für Immobilienrecht GmbH in Wien, wegen Zuhaltung eines Vertrags, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2022, GZ 38 R 128/22p 51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen das von der klagenden Vermieterin gegen die beklagte Mieterin erhobene Begehren auf Räumung bestimmter Teilflächen des Bestandobjekts ab. Die Parteien hätten sich über die Räumung dieser Fläche nicht geeinigt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision dagegen ist mangels einer Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zurückzuweisen.

[3] 1. Nach ständiger Rechtsprechung wirft die Vertragsauslegung im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf und die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht von den allgemeinen Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung abweichend zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (vgl RS0042776; RS0042936; RS0042555). Derartiges vermag die Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht aufzuzeigen.

[4] 2.1 Nach der schriftlichen Formulierung im Mietvertrag einigten sich die Parteien darauf, dass „bezüglich des Personenaufzugs eine separate Vereinbarung zu treffen sein“ sollte. Im darauffolgenden Satz hielten die Parteien fest, dass der Mieter „einer allfälligen Verlegung der WC-Anlage auf Kosten der Vermieterin“ zustimme. Vor dem Abschluss des Vertrags besprachen die Parteien, dass die Mieterin möglicherweise Flächen des Lokals „verliere“, wenn diese für einen allenfalls einzubauenden Personenaufzug (im Fall eines Dachbodenausbaus) benötigt würden, dass sie aber im Gegenzug Flächen im Kellerbereich dazu erhalten werde; eine Stelle für die WC-Anlage stand damals noch nicht fest, aber die Parteien besprachen, dass Flächen im Keller ausgebaut und dem Lokal „dazu geschlagen“ würden und daher die Fläche des Lokals durch den Lifteinbau nicht kleiner werden dürfe. Wenn das Berufungsgericht daher die Textpassage in Verbindung mit der festgestellten Parteienabsicht so auslegte, dass es für die nun von der Klägerin begehrte Räumung der näher bezeichneten Teilfläche einer zusätzlichen Vereinbarung bedurft hätte, die nach dem Sachverhalt nicht zustande gekommen sei, so begegnet dies keinen Bedenken.

[5] 2.2 Entgegen der Meinung der Klägerin hat der Umstand, dass die Parteien festlegten, dass nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrags der Schriftform bedürfen, nicht zur Folge, dass die vor Vertragsabschluss geführten Gespräche der Beteiligten für die Auslegung der Vereinbarung irrelevant wären. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein einverständliches Abgehen von der vereinbarten Schriftform sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend jederzeit möglich und zulässig, und zwar keineswegs nur für nachträgliche Vereinbarungen (RS0014378 [T3]).

[6] 2.3 Die Entstehungsgeschichte eines Vertrags fällt für dessen Auslegung wesentlich ins Gewicht, wenn aus ihr ein entscheidender Parteiwille erkennbar wird (RS0017838). Dass nach der Beurteilung des Berufungsgerichts die – im Voraus erklärte – grundsätzliche Zustimmung der Beklagten zur Verlegung der WC-Anlage auf Kosten der Vermieterin mit der dann erst von den Parteien abzuschließenden „separaten Vereinbarung“ betreffend den Personenaufzug in unlösbarem Zusammenhang steht und die Klägerin ihr Räumungsbegehren (daher) nicht allein auf diese Zustimmungserklärung stützen kann, verstößt – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – nicht „gegen elementare Auslegungsgrundsätze“. Die Interpretation der Beklagten würde den Satz über die Zustimmung zur Verlegung der WC Anlage aus dem Zusammenhang des Vertrags herauslösen und dabei den Inhalt der Besprechungen und die Einigung der Parteien anlässlich des Vertragsabschlusses außer Acht lassen.

[7] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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